Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.Was sagen Sie, Herr Windt, leidend? fragte Ludwig mit schmerzlichem Gefühle. Ich sage leidend. Herr Melchers schreibt es, da können wir nun leider Beide nicht helfen, Herr Graf! Nur wenn der Erbherr da wäre, wäre uns vielleicht geholfen. Von Einigen hörte ich, er sei bei der Armee, von Andern, er wolle seine Schwester nach Hamburg zur gnädigen alten Excellenz bringen, wieder von Andern, er wolle seine Gemahlin und deren Kinder, nebst der Frau Schwiegermutter, die jetzt bei ihr ist, mit der Staaten-Jacht auch nach Hamburg bringen und schwärme seiner Gewohnheit nach zu Wasser herum, und ich sitze hier und lauere, und möchte rasend werden, und er gab mir doch sein gräfliches Wort, binnen vierzehn Tagen hierher zu kommen. Es muß ihm etwas ganz Außerordentliches begegnet sein. Hab' ihm tüchtig und derb geschrieben, was hilft es aber, wenn mein Brief herumwandert wie der ewige Jude, und ihn nirgend findet? Und Gott allein weiß, wie ich hier, gesetzt der Erbherr käme endlich, mit ihm unterhandeln werde! Die Reihe dieser Erörterungen würde noch ungleich länger gedauert haben, wenn nicht Philipp mit der verschlossenen Brieftasche eingetreten wäre. Du bliebst heute sehr lange aus, sprach Ludwig zu seinem Diener. Halten der gnädige Herr zu Gnaden, antwortete der Briefboote: ich mußte lange auf der Post warten. Die Posten sind ungewöhnlich spät eingetroffen; es muß überhaupt was los sein drüben in Arnhem, die Leute rennen mit den Köpfen aneinander und durcheinander, wie ein Ameisenhaufen, habe es nicht klein bekommen können, was es gibt, außer, daß man will in der Ferne kanoniren gehört haben, denn wenn ich mein Maul aufthue und frage, so versteht mich Niemand, und wenn Jemand mir antwortet, so verstehe ich auch Niemand, es ist ein dummes Volk hier zu Lande, ich dächte doch, ich spräche so gutes Deutsch, daß man mich verstehen könnte! Alle lachten. -- Ja ja, mein guter Philipp, du sollst nächstens bei den Niederländern in Arnhem Sprachlehrer werden; dein Deutsch klingt ganz so rein und schön, wie unser Helgoländisch, das wir in Paris sprachen, als du den "Ueppasser" in die Seine warfst, scherzte Was sagen Sie, Herr Windt, leidend? fragte Ludwig mit schmerzlichem Gefühle. Ich sage leidend. Herr Melchers schreibt es, da können wir nun leider Beide nicht helfen, Herr Graf! Nur wenn der Erbherr da wäre, wäre uns vielleicht geholfen. Von Einigen hörte ich, er sei bei der Armee, von Andern, er wolle seine Schwester nach Hamburg zur gnädigen alten Excellenz bringen, wieder von Andern, er wolle seine Gemahlin und deren Kinder, nebst der Frau Schwiegermutter, die jetzt bei ihr ist, mit der Staaten-Jacht auch nach Hamburg bringen und schwärme seiner Gewohnheit nach zu Wasser herum, und ich sitze hier und lauere, und möchte rasend werden, und er gab mir doch sein gräfliches Wort, binnen vierzehn Tagen hierher zu kommen. Es muß ihm etwas ganz Außerordentliches begegnet sein. Hab’ ihm tüchtig und derb geschrieben, was hilft es aber, wenn mein Brief herumwandert wie der ewige Jude, und ihn nirgend findet? Und Gott allein weiß, wie ich hier, gesetzt der Erbherr käme endlich, mit ihm unterhandeln werde! Die Reihe dieser Erörterungen würde noch ungleich länger gedauert haben, wenn nicht Philipp mit der verschlossenen Brieftasche eingetreten wäre. Du bliebst heute sehr lange aus, sprach Ludwig zu seinem Diener. Halten der gnädige Herr zu Gnaden, antwortete der Briefboote: ich mußte lange auf der Post warten. Die Posten sind ungewöhnlich spät eingetroffen; es muß überhaupt was los sein drüben in Arnhem, die Leute rennen mit den Köpfen aneinander und durcheinander, wie ein Ameisenhaufen, habe es nicht klein bekommen können, was es gibt, außer, daß man will in der Ferne kanoniren gehört haben, denn wenn ich mein Maul aufthue und frage, so versteht mich Niemand, und wenn Jemand mir antwortet, so verstehe ich auch Niemand, es ist ein dummes Volk hier zu Lande, ich dächte doch, ich spräche so gutes Deutsch, daß man mich verstehen könnte! Alle lachten. — Ja ja, mein guter Philipp, du sollst nächstens bei den Niederländern in Arnhem Sprachlehrer werden; dein Deutsch klingt ganz so rein und schön, wie unser Helgoländisch, das wir in Paris sprachen, als du den „Ueppasser“ in die Seine warfst, scherzte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0161" n="157"/> <p>Was sagen Sie, Herr Windt, leidend? fragte Ludwig mit schmerzlichem Gefühle.</p> <p>Ich sage leidend. Herr Melchers schreibt es, da können wir nun leider Beide nicht helfen, Herr Graf! Nur wenn der Erbherr da wäre, wäre uns vielleicht geholfen. Von Einigen hörte ich, er sei bei der Armee, von Andern, er wolle seine Schwester nach Hamburg zur gnädigen alten Excellenz bringen, wieder von Andern, er wolle seine Gemahlin und deren Kinder, nebst der Frau Schwiegermutter, die jetzt bei ihr ist, mit der Staaten-Jacht auch nach Hamburg bringen und schwärme seiner Gewohnheit nach zu Wasser herum, und ich sitze hier und lauere, und möchte rasend werden, und er gab mir doch sein gräfliches Wort, binnen vierzehn Tagen hierher zu kommen. Es muß ihm etwas ganz Außerordentliches begegnet sein. Hab’ ihm tüchtig und derb geschrieben, was hilft es aber, wenn mein Brief herumwandert wie der ewige Jude, und ihn nirgend findet? Und Gott allein weiß, wie ich hier, gesetzt der Erbherr käme endlich, mit ihm unterhandeln werde!</p> <p>Die Reihe dieser Erörterungen würde noch ungleich länger gedauert haben, wenn nicht Philipp mit der verschlossenen Brieftasche eingetreten wäre.</p> <p>Du bliebst heute sehr lange aus, sprach Ludwig zu seinem Diener.</p> <p>Halten der gnädige Herr zu Gnaden, antwortete der Briefboote: ich mußte lange auf der Post warten. Die Posten sind ungewöhnlich spät eingetroffen; es muß überhaupt was los sein drüben in Arnhem, die Leute rennen mit den Köpfen aneinander und durcheinander, wie ein Ameisenhaufen, habe es nicht klein bekommen können, was es gibt, außer, daß man will in der Ferne kanoniren gehört haben, denn wenn ich mein Maul aufthue und frage, so versteht mich Niemand, und wenn Jemand mir antwortet, so verstehe ich auch Niemand, es ist ein dummes Volk hier zu Lande, ich dächte doch, ich spräche so gutes Deutsch, daß man mich verstehen könnte!</p> <p>Alle lachten. — Ja ja, mein guter Philipp, du sollst nächstens bei den Niederländern in Arnhem Sprachlehrer werden; dein Deutsch klingt ganz so rein und schön, wie unser Helgoländisch, das wir in Paris sprachen, als du den „Ueppasser“ in die Seine warfst, scherzte </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [157/0161]
Was sagen Sie, Herr Windt, leidend? fragte Ludwig mit schmerzlichem Gefühle.
Ich sage leidend. Herr Melchers schreibt es, da können wir nun leider Beide nicht helfen, Herr Graf! Nur wenn der Erbherr da wäre, wäre uns vielleicht geholfen. Von Einigen hörte ich, er sei bei der Armee, von Andern, er wolle seine Schwester nach Hamburg zur gnädigen alten Excellenz bringen, wieder von Andern, er wolle seine Gemahlin und deren Kinder, nebst der Frau Schwiegermutter, die jetzt bei ihr ist, mit der Staaten-Jacht auch nach Hamburg bringen und schwärme seiner Gewohnheit nach zu Wasser herum, und ich sitze hier und lauere, und möchte rasend werden, und er gab mir doch sein gräfliches Wort, binnen vierzehn Tagen hierher zu kommen. Es muß ihm etwas ganz Außerordentliches begegnet sein. Hab’ ihm tüchtig und derb geschrieben, was hilft es aber, wenn mein Brief herumwandert wie der ewige Jude, und ihn nirgend findet? Und Gott allein weiß, wie ich hier, gesetzt der Erbherr käme endlich, mit ihm unterhandeln werde!
Die Reihe dieser Erörterungen würde noch ungleich länger gedauert haben, wenn nicht Philipp mit der verschlossenen Brieftasche eingetreten wäre.
Du bliebst heute sehr lange aus, sprach Ludwig zu seinem Diener.
Halten der gnädige Herr zu Gnaden, antwortete der Briefboote: ich mußte lange auf der Post warten. Die Posten sind ungewöhnlich spät eingetroffen; es muß überhaupt was los sein drüben in Arnhem, die Leute rennen mit den Köpfen aneinander und durcheinander, wie ein Ameisenhaufen, habe es nicht klein bekommen können, was es gibt, außer, daß man will in der Ferne kanoniren gehört haben, denn wenn ich mein Maul aufthue und frage, so versteht mich Niemand, und wenn Jemand mir antwortet, so verstehe ich auch Niemand, es ist ein dummes Volk hier zu Lande, ich dächte doch, ich spräche so gutes Deutsch, daß man mich verstehen könnte!
Alle lachten. — Ja ja, mein guter Philipp, du sollst nächstens bei den Niederländern in Arnhem Sprachlehrer werden; dein Deutsch klingt ganz so rein und schön, wie unser Helgoländisch, das wir in Paris sprachen, als du den „Ueppasser“ in die Seine warfst, scherzte
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