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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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sein? Ich habe auch noch den Kammerrath Melchers herauf bitten lassen.

Soeben wollte Windt Höfliches erwiedern, als der Jäger des Erbherrn, Jacob, die Thüre öffnete und herein rief: Der junge Herr bittet, Euer Excellenz aufwarten zu dürfen.

Ach -- das Großmuttersöhnchen! Mag kommen! -- erwiederte der Graf, mehr mit einem Tone der Abneigung als der Freude, und jener junge Jägersmann, der vorhin durch das Abenddunkel und den Vareler Busch nach dem Schlosse im Geleit seines Dieners und Hundes gewandert war, trat mit rascher, edler Haltung ein, ging jugendlich unbefangen auf den Erbherrn zu, und sprach ihn offen und zutraulich an: Guten Abend und willkommen zugleich, Vetter Wilhelm! Die Großmama freut sich, gleich mir, wenn du wohl bist.

Guten Abend, edler Junkherr Ludwig Carl auf Varel! erwiederte ohne alle Herzlichkeit der Erbherr, und fuhr fort, da der Jüngling nur ihn im Auge zu haben schien, und die fast widerstrebend zurückgezogene Hand des Grafen zum warmen Druck ergriff: Die Herren! die Herren! Wir sind ja nicht allein, mein ungestümer Vetter!

Diese Zurechtweisung verfehlte ihre Wirkung nicht. Ludwig Carl neigte sich grüßend gegen die Anwesenden, welche sich jetzt anschickten, das Zimmer zu verlassen.

Auf Wiedersehen beim Abendessen, meine Herren! rief der Graf, worauf Brünings und Wippermann sich in das anstoßende Zimmer zurückzogen, Windt aber durch die Hauptthüre abtrat, nicht ohne einen Blick voll Theilnahme und Besorgniß auf den Jüngling fallen zu lassen.

Die beiden Söhne des hohen Hauses standen einander allein gegenüber.

Was fehlt dir, Vetter? du bist nicht wie sonst? fragte Ludwig mit der biederherzigen Offenheit eines jungen Menschen, der Welt und Leben noch wenig kennt, seinen um dreizehn Jahre älteren nahen Verwandten, und erhielt zur Antwort: Möglich, daß du Recht hast; ja, ich bin mißmuthig und unzufrieden, und glaube mir, ich habe dessen übervolle Ursache. Von meiner Laufbahn und meiner Thätigkeit werde ich hierher gezerrt, muß widrige Kämpfe mit Wind und Wellen bestehen und hier -- wiederum noch widrigere Kämpfe mit

sein? Ich habe auch noch den Kammerrath Melchers herauf bitten lassen.

Soeben wollte Windt Höfliches erwiedern, als der Jäger des Erbherrn, Jacob, die Thüre öffnete und herein rief: Der junge Herr bittet, Euer Excellenz aufwarten zu dürfen.

Ach — das Großmuttersöhnchen! Mag kommen! — erwiederte der Graf, mehr mit einem Tone der Abneigung als der Freude, und jener junge Jägersmann, der vorhin durch das Abenddunkel und den Vareler Busch nach dem Schlosse im Geleit seines Dieners und Hundes gewandert war, trat mit rascher, edler Haltung ein, ging jugendlich unbefangen auf den Erbherrn zu, und sprach ihn offen und zutraulich an: Guten Abend und willkommen zugleich, Vetter Wilhelm! Die Großmama freut sich, gleich mir, wenn du wohl bist.

Guten Abend, edler Junkherr Ludwig Carl auf Varel! erwiederte ohne alle Herzlichkeit der Erbherr, und fuhr fort, da der Jüngling nur ihn im Auge zu haben schien, und die fast widerstrebend zurückgezogene Hand des Grafen zum warmen Druck ergriff: Die Herren! die Herren! Wir sind ja nicht allein, mein ungestümer Vetter!

Diese Zurechtweisung verfehlte ihre Wirkung nicht. Ludwig Carl neigte sich grüßend gegen die Anwesenden, welche sich jetzt anschickten, das Zimmer zu verlassen.

Auf Wiedersehen beim Abendessen, meine Herren! rief der Graf, worauf Brünings und Wippermann sich in das anstoßende Zimmer zurückzogen, Windt aber durch die Hauptthüre abtrat, nicht ohne einen Blick voll Theilnahme und Besorgniß auf den Jüngling fallen zu lassen.

Die beiden Söhne des hohen Hauses standen einander allein gegenüber.

Was fehlt dir, Vetter? du bist nicht wie sonst? fragte Ludwig mit der biederherzigen Offenheit eines jungen Menschen, der Welt und Leben noch wenig kennt, seinen um dreizehn Jahre älteren nahen Verwandten, und erhielt zur Antwort: Möglich, daß du Recht hast; ja, ich bin mißmuthig und unzufrieden, und glaube mir, ich habe dessen übervolle Ursache. Von meiner Laufbahn und meiner Thätigkeit werde ich hierher gezerrt, muß widrige Kämpfe mit Wind und Wellen bestehen und hier — wiederum noch widrigere Kämpfe mit

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/17>, abgerufen am 30.04.2024.