Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.und furchtsam, mißtrauisch und träge, und nahm um so weniger Antheil daran, ob der Freund oder der Feind siege, weil es längst die Ueberzeugung gewonnen hatte, daß der Freund es unmöglich schlimmer mit ihm machen könne als der Feind, eine Ueberzeugung, welche Windt im vollen Maße theilte, denn, sagte er, die Englischen und Holländischen nehmen, was sie finden -- und mehr als sie finden, werden die Franzosen auf keinen Fall nehmen können, dies ist logisch und unumstößlich richtig. Die Freunde nahmen wahr, daß die Landleute, sobald sie des Reitertrupps ansichtig wurden, sich, so schleunig es gehen wollte, hinter Hecken und Weidenbüsche verkrochen, in Gräben duckten, und sich so eilig unsichtbar zu machen suchten, wie die Feldmäuse, die hie und da noch aus ihren Löchern geschlüpft, ihre letzte Nachernte hielten, worüber Windt, da auf diese Weise kaum Jemand seinen Fragen Stand hielt, sich nicht wenig erzürnte. Die Reiter sahen schon den mächtigen Kirchthurm von Thiel vor sich aus der endlosen Ebene emporragen, und waren an eine Stelle gelangt, wo zwischen dem Dörfchen Oyen und Sandyk sich mehrere Wege kreuzten, als Windt's scharfes Auge einen Menschen gewahrte, den er schon einmal und zwar vor Kurzem gesehen zu haben glaubte, welcher Mensch eine blaue Bluse trug und unter derselben dunkel gefärbte Beinkleider; ein breitkrämpiger Bauernhut bedeckte seinen Kopf; dieser Mensch hatte scharf nach den Reitern gesehen und duckte sich jetzt hinter Erlen und Weiden nieder, die am Ufer eines Grabens standen. Wieder so ein verdammter Ausreißer! rief Windt. -- Er hatte es aber noch nicht völlig ausgerufen, so galoppirte schon Philipp mit einer geschickten Schwenkung so rasch um das Gebüsch herum, daß er jenem Menschen in dem Augenblick den Weg verritt, als derselbe in einen am Ufer befestigten Kahn springen wollte. Der Flüchtling erschrak, lief rechts, da kam ihm Ludwig, er lief wieder links, da kam ihm Leonardus mit lautem Anschrei entgegen. Noch einmal rannte er nach dem Wasser zurück, während er ein Pistol zog und den Hahn spannte, aber Philipp ritt stracks auf ihn zu, und hätte ihn unfehlbar über den Haufen geritten, wenn er nicht in die Knie gesunken wäre und gerufen hätte: Mille pardon! mille pardon! während er die Waffe aus der Hand warf. und furchtsam, mißtrauisch und träge, und nahm um so weniger Antheil daran, ob der Freund oder der Feind siege, weil es längst die Ueberzeugung gewonnen hatte, daß der Freund es unmöglich schlimmer mit ihm machen könne als der Feind, eine Ueberzeugung, welche Windt im vollen Maße theilte, denn, sagte er, die Englischen und Holländischen nehmen, was sie finden — und mehr als sie finden, werden die Franzosen auf keinen Fall nehmen können, dies ist logisch und unumstößlich richtig. Die Freunde nahmen wahr, daß die Landleute, sobald sie des Reitertrupps ansichtig wurden, sich, so schleunig es gehen wollte, hinter Hecken und Weidenbüsche verkrochen, in Gräben duckten, und sich so eilig unsichtbar zu machen suchten, wie die Feldmäuse, die hie und da noch aus ihren Löchern geschlüpft, ihre letzte Nachernte hielten, worüber Windt, da auf diese Weise kaum Jemand seinen Fragen Stand hielt, sich nicht wenig erzürnte. Die Reiter sahen schon den mächtigen Kirchthurm von Thiel vor sich aus der endlosen Ebene emporragen, und waren an eine Stelle gelangt, wo zwischen dem Dörfchen Oyen und Sandyk sich mehrere Wege kreuzten, als Windt’s scharfes Auge einen Menschen gewahrte, den er schon einmal und zwar vor Kurzem gesehen zu haben glaubte, welcher Mensch eine blaue Bluse trug und unter derselben dunkel gefärbte Beinkleider; ein breitkrämpiger Bauernhut bedeckte seinen Kopf; dieser Mensch hatte scharf nach den Reitern gesehen und duckte sich jetzt hinter Erlen und Weiden nieder, die am Ufer eines Grabens standen. Wieder so ein verdammter Ausreißer! rief Windt. — Er hatte es aber noch nicht völlig ausgerufen, so galoppirte schon Philipp mit einer geschickten Schwenkung so rasch um das Gebüsch herum, daß er jenem Menschen in dem Augenblick den Weg verritt, als derselbe in einen am Ufer befestigten Kahn springen wollte. Der Flüchtling erschrak, lief rechts, da kam ihm Ludwig, er lief wieder links, da kam ihm Leonardus mit lautem Anschrei entgegen. Noch einmal rannte er nach dem Wasser zurück, während er ein Pistol zog und den Hahn spannte, aber Philipp ritt stracks auf ihn zu, und hätte ihn unfehlbar über den Haufen geritten, wenn er nicht in die Knie gesunken wäre und gerufen hätte: Mille pardon! mille pardon! während er die Waffe aus der Hand warf. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0205" n="201"/> und furchtsam, mißtrauisch und träge, und nahm um so weniger Antheil daran, ob der Freund oder der Feind siege, weil es längst die Ueberzeugung gewonnen hatte, daß der Freund es unmöglich schlimmer mit ihm machen könne als der Feind, eine Ueberzeugung, welche Windt im vollen Maße theilte, denn, sagte er, die Englischen und Holländischen nehmen, was sie finden — und mehr als sie finden, werden die Franzosen auf keinen Fall nehmen können, dies ist logisch und unumstößlich richtig.</p> <p>Die Freunde nahmen wahr, daß die Landleute, sobald sie des Reitertrupps ansichtig wurden, sich, so schleunig es gehen wollte, hinter Hecken und Weidenbüsche verkrochen, in Gräben duckten, und sich so eilig unsichtbar zu machen suchten, wie die Feldmäuse, die hie und da noch aus ihren Löchern geschlüpft, ihre letzte Nachernte hielten, worüber Windt, da auf diese Weise kaum Jemand seinen Fragen Stand hielt, sich nicht wenig erzürnte. Die Reiter sahen schon den mächtigen Kirchthurm von Thiel vor sich aus der endlosen Ebene emporragen, und waren an eine Stelle gelangt, wo zwischen dem Dörfchen Oyen und Sandyk sich mehrere Wege kreuzten, als Windt’s scharfes Auge einen Menschen gewahrte, den er schon einmal und zwar vor Kurzem gesehen zu haben glaubte, welcher Mensch eine blaue Bluse trug und unter derselben dunkel gefärbte Beinkleider; ein breitkrämpiger Bauernhut bedeckte seinen Kopf; dieser Mensch hatte scharf nach den Reitern gesehen und duckte sich jetzt hinter Erlen und Weiden nieder, die am Ufer eines Grabens standen.</p> <p>Wieder so ein verdammter Ausreißer! rief Windt. — Er hatte es aber noch nicht völlig ausgerufen, so galoppirte schon Philipp mit einer geschickten Schwenkung so rasch um das Gebüsch herum, daß er jenem Menschen in dem Augenblick den Weg verritt, als derselbe in einen am Ufer befestigten Kahn springen wollte. Der Flüchtling erschrak, lief rechts, da kam ihm Ludwig, er lief wieder links, da kam ihm Leonardus mit lautem Anschrei entgegen. Noch einmal rannte er nach dem Wasser zurück, während er ein Pistol zog und den Hahn spannte, aber Philipp ritt stracks auf ihn zu, und hätte ihn unfehlbar über den Haufen geritten, wenn er nicht in die Knie gesunken wäre und gerufen hätte: <hi rendition="#aq">Mille pardon! mille pardon!</hi> während er die Waffe aus der Hand warf.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [201/0205]
und furchtsam, mißtrauisch und träge, und nahm um so weniger Antheil daran, ob der Freund oder der Feind siege, weil es längst die Ueberzeugung gewonnen hatte, daß der Freund es unmöglich schlimmer mit ihm machen könne als der Feind, eine Ueberzeugung, welche Windt im vollen Maße theilte, denn, sagte er, die Englischen und Holländischen nehmen, was sie finden — und mehr als sie finden, werden die Franzosen auf keinen Fall nehmen können, dies ist logisch und unumstößlich richtig.
Die Freunde nahmen wahr, daß die Landleute, sobald sie des Reitertrupps ansichtig wurden, sich, so schleunig es gehen wollte, hinter Hecken und Weidenbüsche verkrochen, in Gräben duckten, und sich so eilig unsichtbar zu machen suchten, wie die Feldmäuse, die hie und da noch aus ihren Löchern geschlüpft, ihre letzte Nachernte hielten, worüber Windt, da auf diese Weise kaum Jemand seinen Fragen Stand hielt, sich nicht wenig erzürnte. Die Reiter sahen schon den mächtigen Kirchthurm von Thiel vor sich aus der endlosen Ebene emporragen, und waren an eine Stelle gelangt, wo zwischen dem Dörfchen Oyen und Sandyk sich mehrere Wege kreuzten, als Windt’s scharfes Auge einen Menschen gewahrte, den er schon einmal und zwar vor Kurzem gesehen zu haben glaubte, welcher Mensch eine blaue Bluse trug und unter derselben dunkel gefärbte Beinkleider; ein breitkrämpiger Bauernhut bedeckte seinen Kopf; dieser Mensch hatte scharf nach den Reitern gesehen und duckte sich jetzt hinter Erlen und Weiden nieder, die am Ufer eines Grabens standen.
Wieder so ein verdammter Ausreißer! rief Windt. — Er hatte es aber noch nicht völlig ausgerufen, so galoppirte schon Philipp mit einer geschickten Schwenkung so rasch um das Gebüsch herum, daß er jenem Menschen in dem Augenblick den Weg verritt, als derselbe in einen am Ufer befestigten Kahn springen wollte. Der Flüchtling erschrak, lief rechts, da kam ihm Ludwig, er lief wieder links, da kam ihm Leonardus mit lautem Anschrei entgegen. Noch einmal rannte er nach dem Wasser zurück, während er ein Pistol zog und den Hahn spannte, aber Philipp ritt stracks auf ihn zu, und hätte ihn unfehlbar über den Haufen geritten, wenn er nicht in die Knie gesunken wäre und gerufen hätte: Mille pardon! mille pardon! während er die Waffe aus der Hand warf.
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