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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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Bruchrechnung kann Einer lernen, wie Mancher, der nicht rechnen lernte, in die Brüche kommt, zum Beispiel dein Herr Vetter. Er besitzt schöne Güter, aber sein Herr Vater überlud diese mit Schulden, und als seine Frau Mutter vor mehreren Jahren starb, belastete dies furchtbar ihr Herz und erschwerte ihren Todeskampf, da sie wußte, daß sie ihren Söhnen ein Heer von Processen und achtzigtausend Reichsthaler Schulden hinterließ; die fressen viele Zinsen, lieber Ludwig. Es soll kläglich und beweglich gewesen sein, wie sie noch in den letzten Augenblicken ihres Lebens geschrieen und geseufzt, und es hat dies Alles auf das Gemüth der Frau Erbherrin einen erschütternden Eindruck gemacht. Der Erbherr brachte seinem Patriotismus sein und der Seinen und anderer Leute Vermögen zum Opfer. Arm jetzt, wie eine Kirchenmaus, hülflos und gefangen -- ist gegenwärtig ihm ebensowenig zu helfen, als Etwas von ihm zu verlangen oder zu erlangen. Dazu aber kommt, daß man für gewiß sagt, daß die einhundert Millionen Gulden, welche Holland an Frankreich bezahlen soll, aus den Gütern und Besitzungen des Statthalters und seiner Anhänger genommen werden sollen; wir müssen daher Gott danken, daß in des Erbherrn Papieren, welche durchzusehen man nicht ermangelt haben wird, sich noch keine Cessionsurkunde von Doorwerth auf ihn vorfindet, denn dann wäre die Herrlichkeit zum Kukuk, während sie als Besitzthum einer deutschen und dänischen Gräfin Niemand antasten wird -- und so lange Doorwerth im Besitz deiner Frau Großmutter Excellenz, wäre es auch nur scheinbar, bleibt, ist Doorwerth so wenig verloren, wie Polen. Zudem ist noch Sorge getragen worden, die Herrlichkeit im ganzen Lande als totaliter verwüstet, ausgebrannt und ausgeplündert zu verschreien, so daß sie als ein völlig heruntergekommenes Besitzthum erscheint, und kaum einer Abschätzung unterworfen werden wird.

Wer hat sie denn so verschrieen? fragte Ludwig.

Ich! erwiderte Leonardus.

Du? fragte Ludwig mit großen Augen.

Bin ich umsonst ein Vierteljahr Lehrling im diplomatischen Corps zu Paris gewesen? fragte Leonardus lächelnd zurück. Ein Kaufmann kann sehr leicht Finanzmann werden, frage doch nach, welche Anfänge die größten Männer in diesem Gebiet der Staatswirthschaftskunst hatten?

Bruchrechnung kann Einer lernen, wie Mancher, der nicht rechnen lernte, in die Brüche kommt, zum Beispiel dein Herr Vetter. Er besitzt schöne Güter, aber sein Herr Vater überlud diese mit Schulden, und als seine Frau Mutter vor mehreren Jahren starb, belastete dies furchtbar ihr Herz und erschwerte ihren Todeskampf, da sie wußte, daß sie ihren Söhnen ein Heer von Processen und achtzigtausend Reichsthaler Schulden hinterließ; die fressen viele Zinsen, lieber Ludwig. Es soll kläglich und beweglich gewesen sein, wie sie noch in den letzten Augenblicken ihres Lebens geschrieen und geseufzt, und es hat dies Alles auf das Gemüth der Frau Erbherrin einen erschütternden Eindruck gemacht. Der Erbherr brachte seinem Patriotismus sein und der Seinen und anderer Leute Vermögen zum Opfer. Arm jetzt, wie eine Kirchenmaus, hülflos und gefangen — ist gegenwärtig ihm ebensowenig zu helfen, als Etwas von ihm zu verlangen oder zu erlangen. Dazu aber kommt, daß man für gewiß sagt, daß die einhundert Millionen Gulden, welche Holland an Frankreich bezahlen soll, aus den Gütern und Besitzungen des Statthalters und seiner Anhänger genommen werden sollen; wir müssen daher Gott danken, daß in des Erbherrn Papieren, welche durchzusehen man nicht ermangelt haben wird, sich noch keine Cessionsurkunde von Doorwerth auf ihn vorfindet, denn dann wäre die Herrlichkeit zum Kukuk, während sie als Besitzthum einer deutschen und dänischen Gräfin Niemand antasten wird — und so lange Doorwerth im Besitz deiner Frau Großmutter Excellenz, wäre es auch nur scheinbar, bleibt, ist Doorwerth so wenig verloren, wie Polen. Zudem ist noch Sorge getragen worden, die Herrlichkeit im ganzen Lande als totaliter verwüstet, ausgebrannt und ausgeplündert zu verschreien, so daß sie als ein völlig heruntergekommenes Besitzthum erscheint, und kaum einer Abschätzung unterworfen werden wird.

Wer hat sie denn so verschrieen? fragte Ludwig.

Ich! erwiderte Leonardus.

Du? fragte Ludwig mit großen Augen.

Bin ich umsonst ein Vierteljahr Lehrling im diplomatischen Corps zu Paris gewesen? fragte Leonardus lächelnd zurück. Ein Kaufmann kann sehr leicht Finanzmann werden, frage doch nach, welche Anfänge die größten Männer in diesem Gebiet der Staatswirthschaftskunst hatten?

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Bruchrechnung kann Einer lernen, wie Mancher, der nicht rechnen lernte, in die Brüche kommt, zum Beispiel dein Herr Vetter. Er besitzt schöne Güter, aber sein Herr Vater überlud diese mit Schulden, und als seine Frau Mutter vor mehreren Jahren starb, belastete dies furchtbar ihr Herz und erschwerte ihren Todeskampf, da sie wußte, daß sie ihren Söhnen ein Heer von Processen und achtzigtausend Reichsthaler Schulden hinterließ; die fressen viele Zinsen, lieber Ludwig. Es soll kläglich und beweglich gewesen sein, wie sie noch in den letzten Augenblicken ihres Lebens geschrieen und geseufzt, und es hat dies Alles auf das Gemüth der Frau Erbherrin einen erschütternden Eindruck gemacht. Der Erbherr brachte seinem Patriotismus sein und der Seinen und anderer Leute Vermögen zum Opfer. Arm jetzt, wie eine Kirchenmaus, hülflos und gefangen &#x2014; ist gegenwärtig ihm ebensowenig zu helfen, als Etwas von ihm zu verlangen oder zu erlangen. Dazu aber kommt, daß man für gewiß sagt, daß die einhundert Millionen Gulden, welche Holland an Frankreich bezahlen soll, aus den Gütern und Besitzungen des Statthalters und seiner Anhänger genommen werden sollen; wir müssen daher Gott danken, daß in des Erbherrn Papieren, welche durchzusehen man nicht ermangelt haben wird, sich noch keine Cessionsurkunde von Doorwerth auf ihn vorfindet, denn dann wäre die Herrlichkeit zum Kukuk, während sie als Besitzthum einer deutschen und dänischen Gräfin Niemand antasten wird &#x2014; und so lange Doorwerth im Besitz deiner Frau Großmutter Excellenz, wäre es auch nur scheinbar, bleibt, ist Doorwerth so wenig verloren, wie Polen. Zudem ist noch Sorge getragen worden, die Herrlichkeit im ganzen Lande als totaliter verwüstet, ausgebrannt und ausgeplündert zu verschreien, so daß sie als ein völlig heruntergekommenes Besitzthum erscheint, und kaum einer Abschätzung unterworfen werden wird.</p>
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[243/0247] Bruchrechnung kann Einer lernen, wie Mancher, der nicht rechnen lernte, in die Brüche kommt, zum Beispiel dein Herr Vetter. Er besitzt schöne Güter, aber sein Herr Vater überlud diese mit Schulden, und als seine Frau Mutter vor mehreren Jahren starb, belastete dies furchtbar ihr Herz und erschwerte ihren Todeskampf, da sie wußte, daß sie ihren Söhnen ein Heer von Processen und achtzigtausend Reichsthaler Schulden hinterließ; die fressen viele Zinsen, lieber Ludwig. Es soll kläglich und beweglich gewesen sein, wie sie noch in den letzten Augenblicken ihres Lebens geschrieen und geseufzt, und es hat dies Alles auf das Gemüth der Frau Erbherrin einen erschütternden Eindruck gemacht. Der Erbherr brachte seinem Patriotismus sein und der Seinen und anderer Leute Vermögen zum Opfer. Arm jetzt, wie eine Kirchenmaus, hülflos und gefangen — ist gegenwärtig ihm ebensowenig zu helfen, als Etwas von ihm zu verlangen oder zu erlangen. Dazu aber kommt, daß man für gewiß sagt, daß die einhundert Millionen Gulden, welche Holland an Frankreich bezahlen soll, aus den Gütern und Besitzungen des Statthalters und seiner Anhänger genommen werden sollen; wir müssen daher Gott danken, daß in des Erbherrn Papieren, welche durchzusehen man nicht ermangelt haben wird, sich noch keine Cessionsurkunde von Doorwerth auf ihn vorfindet, denn dann wäre die Herrlichkeit zum Kukuk, während sie als Besitzthum einer deutschen und dänischen Gräfin Niemand antasten wird — und so lange Doorwerth im Besitz deiner Frau Großmutter Excellenz, wäre es auch nur scheinbar, bleibt, ist Doorwerth so wenig verloren, wie Polen. Zudem ist noch Sorge getragen worden, die Herrlichkeit im ganzen Lande als totaliter verwüstet, ausgebrannt und ausgeplündert zu verschreien, so daß sie als ein völlig heruntergekommenes Besitzthum erscheint, und kaum einer Abschätzung unterworfen werden wird. Wer hat sie denn so verschrieen? fragte Ludwig. Ich! erwiderte Leonardus. Du? fragte Ludwig mit großen Augen. Bin ich umsonst ein Vierteljahr Lehrling im diplomatischen Corps zu Paris gewesen? fragte Leonardus lächelnd zurück. Ein Kaufmann kann sehr leicht Finanzmann werden, frage doch nach, welche Anfänge die größten Männer in diesem Gebiet der Staatswirthschaftskunst hatten?

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/247>, abgerufen am 24.11.2024.