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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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Vervollkommnung der Dampfmaschinen ist in einem riesenhaften Fortschritte begriffen; denke dir, man trägt sich jetzt mit der Idee, auch Schiffe zu bauen, welche, statt durch Segel und Ruder, blos durch Dampf getrieben werden, an Schnelligkeit der Fahrt Alles übertreffen und das Unglaubliche leisten sollen. Es wird damit wohl so schnell nicht gehen, die Sache liegt noch in ihrer Kindheit. Wer aber kann wissen, wohin der Fortschritt auf seinen Riesenflügeln den Geist der Erfindung trägt?"

"Lebe wohl, mein Leonardus, und schreibe mir unter der beigelegten Adresse, sobald du diese Zeilen empfangen hast." --

Dieser Brief hätte mich lange suchen können, sprach Leonardus mit einem Seufzer. Wenn ich nun nicht hierher kam? Sie hätten denselben nach Paris gesandt, ich komme nicht von Paris, und wäre der Brief mir von dort aus nachgesendet worden, er würde mich schwerlich gefunden haben. Was ist Ihre Ansicht, lieber Herr Windt? Was können wir thun, um dem Wunsche Ludwig's zu entsprechen?

Erst ruhen Sie sich bei uns aus und pflegen sich, mein verehrter Herr und Freund! entgegnete Windt. Sie sind leidend, ich sehe es Ihnen an, Sie sind kränker als mein guter junger Herr Graf, der ist nur ein malade imaginaire. Sollte nur einmal acht Tage lang an meiner Stelle sein! Beim Kreuz! da würde ihm das Kranksein, Siecheln und Süchteln gleich vergehen! Bin auch krank gewesen, war ganz auf dem Hund -- aber die Unruhe bei Tag und Nacht hat mich wieder gesund gemacht. Wenn der junge Herr nicht tüchtige Arbeit bekommt, so weiß ich nicht, wie er das Leben ertragen will. Gottes Gnade hat mir im letzten Winter eine Gesundheit verliehen, für die ich nicht genug danken kann, nie aber brauchte ich dieselbe auch nothwendiger, doch fange ich an mich unwohl zu fühlen, mein Lebensschiff muß einmal frisch kalfatert werden -- eine Erholungsreise thut mir Noth. Ich wollte nach Pyrmont, hat sich was! -- Die Kaiserlichen haben mir meinen Sparpfennig abgepreßt, kann also nicht hin; auch brenne ich danach, das Geschäft meiner Gebieterin mit ihren Enkeln endlich ganz zu ordnen, eher kann ich mich nicht ruhig niederlegen, ich bin nun einmal so. Wir wollen miteinander nach Amsterdam und nach dem Haag gehen, dorthin mag Graf Ludwig auch kommen, der Erbherr sitzt

Vervollkommnung der Dampfmaschinen ist in einem riesenhaften Fortschritte begriffen; denke dir, man trägt sich jetzt mit der Idee, auch Schiffe zu bauen, welche, statt durch Segel und Ruder, blos durch Dampf getrieben werden, an Schnelligkeit der Fahrt Alles übertreffen und das Unglaubliche leisten sollen. Es wird damit wohl so schnell nicht gehen, die Sache liegt noch in ihrer Kindheit. Wer aber kann wissen, wohin der Fortschritt auf seinen Riesenflügeln den Geist der Erfindung trägt?“

„Lebe wohl, mein Leonardus, und schreibe mir unter der beigelegten Adresse, sobald du diese Zeilen empfangen hast.“ —

Dieser Brief hätte mich lange suchen können, sprach Leonardus mit einem Seufzer. Wenn ich nun nicht hierher kam? Sie hätten denselben nach Paris gesandt, ich komme nicht von Paris, und wäre der Brief mir von dort aus nachgesendet worden, er würde mich schwerlich gefunden haben. Was ist Ihre Ansicht, lieber Herr Windt? Was können wir thun, um dem Wunsche Ludwig’s zu entsprechen?

Erst ruhen Sie sich bei uns aus und pflegen sich, mein verehrter Herr und Freund! entgegnete Windt. Sie sind leidend, ich sehe es Ihnen an, Sie sind kränker als mein guter junger Herr Graf, der ist nur ein malade imaginaire. Sollte nur einmal acht Tage lang an meiner Stelle sein! Beim Kreuz! da würde ihm das Kranksein, Siecheln und Süchteln gleich vergehen! Bin auch krank gewesen, war ganz auf dem Hund — aber die Unruhe bei Tag und Nacht hat mich wieder gesund gemacht. Wenn der junge Herr nicht tüchtige Arbeit bekommt, so weiß ich nicht, wie er das Leben ertragen will. Gottes Gnade hat mir im letzten Winter eine Gesundheit verliehen, für die ich nicht genug danken kann, nie aber brauchte ich dieselbe auch nothwendiger, doch fange ich an mich unwohl zu fühlen, mein Lebensschiff muß einmal frisch kalfatert werden — eine Erholungsreise thut mir Noth. Ich wollte nach Pyrmont, hat sich was! — Die Kaiserlichen haben mir meinen Sparpfennig abgepreßt, kann also nicht hin; auch brenne ich danach, das Geschäft meiner Gebieterin mit ihren Enkeln endlich ganz zu ordnen, eher kann ich mich nicht ruhig niederlegen, ich bin nun einmal so. Wir wollen miteinander nach Amsterdam und nach dem Haag gehen, dorthin mag Graf Ludwig auch kommen, der Erbherr sitzt

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Vervollkommnung der Dampfmaschinen ist in einem riesenhaften Fortschritte begriffen; denke dir, man trägt sich jetzt mit der Idee, auch Schiffe zu bauen, welche, statt durch Segel und Ruder, blos durch Dampf getrieben werden, an Schnelligkeit der Fahrt Alles übertreffen und das Unglaubliche leisten sollen. Es wird damit wohl so schnell nicht gehen, die Sache liegt noch in ihrer Kindheit. Wer aber kann wissen, wohin der Fortschritt auf seinen Riesenflügeln den Geist der Erfindung trägt?&#x201C; </p>
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[270/0274] Vervollkommnung der Dampfmaschinen ist in einem riesenhaften Fortschritte begriffen; denke dir, man trägt sich jetzt mit der Idee, auch Schiffe zu bauen, welche, statt durch Segel und Ruder, blos durch Dampf getrieben werden, an Schnelligkeit der Fahrt Alles übertreffen und das Unglaubliche leisten sollen. Es wird damit wohl so schnell nicht gehen, die Sache liegt noch in ihrer Kindheit. Wer aber kann wissen, wohin der Fortschritt auf seinen Riesenflügeln den Geist der Erfindung trägt?“ „Lebe wohl, mein Leonardus, und schreibe mir unter der beigelegten Adresse, sobald du diese Zeilen empfangen hast.“ — Dieser Brief hätte mich lange suchen können, sprach Leonardus mit einem Seufzer. Wenn ich nun nicht hierher kam? Sie hätten denselben nach Paris gesandt, ich komme nicht von Paris, und wäre der Brief mir von dort aus nachgesendet worden, er würde mich schwerlich gefunden haben. Was ist Ihre Ansicht, lieber Herr Windt? Was können wir thun, um dem Wunsche Ludwig’s zu entsprechen? Erst ruhen Sie sich bei uns aus und pflegen sich, mein verehrter Herr und Freund! entgegnete Windt. Sie sind leidend, ich sehe es Ihnen an, Sie sind kränker als mein guter junger Herr Graf, der ist nur ein malade imaginaire. Sollte nur einmal acht Tage lang an meiner Stelle sein! Beim Kreuz! da würde ihm das Kranksein, Siecheln und Süchteln gleich vergehen! Bin auch krank gewesen, war ganz auf dem Hund — aber die Unruhe bei Tag und Nacht hat mich wieder gesund gemacht. Wenn der junge Herr nicht tüchtige Arbeit bekommt, so weiß ich nicht, wie er das Leben ertragen will. Gottes Gnade hat mir im letzten Winter eine Gesundheit verliehen, für die ich nicht genug danken kann, nie aber brauchte ich dieselbe auch nothwendiger, doch fange ich an mich unwohl zu fühlen, mein Lebensschiff muß einmal frisch kalfatert werden — eine Erholungsreise thut mir Noth. Ich wollte nach Pyrmont, hat sich was! — Die Kaiserlichen haben mir meinen Sparpfennig abgepreßt, kann also nicht hin; auch brenne ich danach, das Geschäft meiner Gebieterin mit ihren Enkeln endlich ganz zu ordnen, eher kann ich mich nicht ruhig niederlegen, ich bin nun einmal so. Wir wollen miteinander nach Amsterdam und nach dem Haag gehen, dorthin mag Graf Ludwig auch kommen, der Erbherr sitzt

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/274>, abgerufen am 24.11.2024.