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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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Zuletzt sagte die schöne Herzogin zu Ludwig: Ich bin dir eine Entschädigung schuldig, mein Sohn, dafür, daß du die Mutter in der schönsten Zeit entbehren mußtest, in der dem Kinde der Besitz einer geliebten Mutter ja Alles ist, und das ist eine Schuld, die ich niemals ganz abtragen kann; aber Etwas mußte ich doch für dich thun, es war meine heilige Pflicht. Deine Großmutter liebt dich innigst, und gewiß, ihr lebhaftester Wunsch ist, dich einst reich und glücklich zu wissen; wohl möchte sie dir Etwas von deines Vaters Erbe zuwenden, aber sie kann und darf es nicht, wenn sie nicht durch offenes Aussprechen unseres Geheimnisses mich blosstellen und dich dem Hasse deiner Verwandten offen Preis geben will. Dein Bruder, der Vice-Admiral, der es nie erfahren möge, daß du sein Bruder bist, ist ein braver Mann, aber nicht frei von Eigennutz, auch hat er zunächst Verpflichtungen gegen die Seinigen; er würde dir bitter zürnen, wolltest du Ansprüche an ihn erheben, zu denen dir kaum ein Recht zusteht, da es das Unglück so gefügt hat, daß dein theurer Vater vor unserer Vermählung mit Tode abging. Du wirst William noch näher kennen lernen, er ist minder edel, als der Erbherr. Des Kaufes von Doorwerth entschlage dich und warne deinen Freund, nicht die Halmen seines Vermögens in das Schuldenmeer deines Vetters zu schleudern, die den Sinkenden doch nicht oben schwimmend erhalten können; übernimm nicht die schwere Bürde der Bürgschaft für Andere gegenüber deinem redlichen Freund, damit du es nicht bist, der ihn um das Seine bringt, damit nicht aus Freundschaft Feindschaft entstehe. Was die Großmutter noch für dich thun kann, wird sie thun, ich aber bezweifle, daß es Viel sein wird, sie hat schon gar zu viele Schenkungen gemacht, welche ihre dereinstige Hinterlassenschaft bedeutend schmälern und wegen deren es an langwierigen Processen nicht fehlen wird, die sich über ihrem Grabe so endlos ausdehnen und kreuzen werden, wie die Gewebe der Herbstspinnen auf einem Stoppelfelde. Dich glaubte sie recht glücklich zu machen, sie dachte dir die Nutznießung der Tremouille'schen Renten zu. Die gute Großmutter! -- Sie konnte die Revolution nicht ahnen, sträubte sie sich doch mit aller Starrheit, an dieselbe nur zu glauben, wie sie schon da war, sonst hätte sie wohl früher einsehen lernen können, daß jenes ganze große Kapital sammt allen Zinsen unwiederbringlich verloren

Zuletzt sagte die schöne Herzogin zu Ludwig: Ich bin dir eine Entschädigung schuldig, mein Sohn, dafür, daß du die Mutter in der schönsten Zeit entbehren mußtest, in der dem Kinde der Besitz einer geliebten Mutter ja Alles ist, und das ist eine Schuld, die ich niemals ganz abtragen kann; aber Etwas mußte ich doch für dich thun, es war meine heilige Pflicht. Deine Großmutter liebt dich innigst, und gewiß, ihr lebhaftester Wunsch ist, dich einst reich und glücklich zu wissen; wohl möchte sie dir Etwas von deines Vaters Erbe zuwenden, aber sie kann und darf es nicht, wenn sie nicht durch offenes Aussprechen unseres Geheimnisses mich blosstellen und dich dem Hasse deiner Verwandten offen Preis geben will. Dein Bruder, der Vice-Admiral, der es nie erfahren möge, daß du sein Bruder bist, ist ein braver Mann, aber nicht frei von Eigennutz, auch hat er zunächst Verpflichtungen gegen die Seinigen; er würde dir bitter zürnen, wolltest du Ansprüche an ihn erheben, zu denen dir kaum ein Recht zusteht, da es das Unglück so gefügt hat, daß dein theurer Vater vor unserer Vermählung mit Tode abging. Du wirst William noch näher kennen lernen, er ist minder edel, als der Erbherr. Des Kaufes von Doorwerth entschlage dich und warne deinen Freund, nicht die Halmen seines Vermögens in das Schuldenmeer deines Vetters zu schleudern, die den Sinkenden doch nicht oben schwimmend erhalten können; übernimm nicht die schwere Bürde der Bürgschaft für Andere gegenüber deinem redlichen Freund, damit du es nicht bist, der ihn um das Seine bringt, damit nicht aus Freundschaft Feindschaft entstehe. Was die Großmutter noch für dich thun kann, wird sie thun, ich aber bezweifle, daß es Viel sein wird, sie hat schon gar zu viele Schenkungen gemacht, welche ihre dereinstige Hinterlassenschaft bedeutend schmälern und wegen deren es an langwierigen Processen nicht fehlen wird, die sich über ihrem Grabe so endlos ausdehnen und kreuzen werden, wie die Gewebe der Herbstspinnen auf einem Stoppelfelde. Dich glaubte sie recht glücklich zu machen, sie dachte dir die Nutznießung der Tremouille’schen Renten zu. Die gute Großmutter! — Sie konnte die Revolution nicht ahnen, sträubte sie sich doch mit aller Starrheit, an dieselbe nur zu glauben, wie sie schon da war, sonst hätte sie wohl früher einsehen lernen können, daß jenes ganze große Kapital sammt allen Zinsen unwiederbringlich verloren

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[272/0276] Zuletzt sagte die schöne Herzogin zu Ludwig: Ich bin dir eine Entschädigung schuldig, mein Sohn, dafür, daß du die Mutter in der schönsten Zeit entbehren mußtest, in der dem Kinde der Besitz einer geliebten Mutter ja Alles ist, und das ist eine Schuld, die ich niemals ganz abtragen kann; aber Etwas mußte ich doch für dich thun, es war meine heilige Pflicht. Deine Großmutter liebt dich innigst, und gewiß, ihr lebhaftester Wunsch ist, dich einst reich und glücklich zu wissen; wohl möchte sie dir Etwas von deines Vaters Erbe zuwenden, aber sie kann und darf es nicht, wenn sie nicht durch offenes Aussprechen unseres Geheimnisses mich blosstellen und dich dem Hasse deiner Verwandten offen Preis geben will. Dein Bruder, der Vice-Admiral, der es nie erfahren möge, daß du sein Bruder bist, ist ein braver Mann, aber nicht frei von Eigennutz, auch hat er zunächst Verpflichtungen gegen die Seinigen; er würde dir bitter zürnen, wolltest du Ansprüche an ihn erheben, zu denen dir kaum ein Recht zusteht, da es das Unglück so gefügt hat, daß dein theurer Vater vor unserer Vermählung mit Tode abging. Du wirst William noch näher kennen lernen, er ist minder edel, als der Erbherr. Des Kaufes von Doorwerth entschlage dich und warne deinen Freund, nicht die Halmen seines Vermögens in das Schuldenmeer deines Vetters zu schleudern, die den Sinkenden doch nicht oben schwimmend erhalten können; übernimm nicht die schwere Bürde der Bürgschaft für Andere gegenüber deinem redlichen Freund, damit du es nicht bist, der ihn um das Seine bringt, damit nicht aus Freundschaft Feindschaft entstehe. Was die Großmutter noch für dich thun kann, wird sie thun, ich aber bezweifle, daß es Viel sein wird, sie hat schon gar zu viele Schenkungen gemacht, welche ihre dereinstige Hinterlassenschaft bedeutend schmälern und wegen deren es an langwierigen Processen nicht fehlen wird, die sich über ihrem Grabe so endlos ausdehnen und kreuzen werden, wie die Gewebe der Herbstspinnen auf einem Stoppelfelde. Dich glaubte sie recht glücklich zu machen, sie dachte dir die Nutznießung der Tremouille’schen Renten zu. Die gute Großmutter! — Sie konnte die Revolution nicht ahnen, sträubte sie sich doch mit aller Starrheit, an dieselbe nur zu glauben, wie sie schon da war, sonst hätte sie wohl früher einsehen lernen können, daß jenes ganze große Kapital sammt allen Zinsen unwiederbringlich verloren

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/276>, abgerufen am 14.06.2024.