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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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legen; ihre Blicke vertieften sich vielmehr in die festen Schriftzüge des größten Alterthumsforschers und Münzkenners seiner Zeit, und dieselben übten auf die Gräfin gleichsam magnetische Anziehungskraft, sie mußte wieder und wieder lesen, was ihr Pein verursachte, wie der Wundarzt wohl bisweilen eine Wunde wiederholt brennen muß, auf daß sie gründlich heile.

Wo ist er, wo ist er, der grausame Brief des strengen Freundes, dem Wahrheit über Alles heilig ist? Ach, jeder seiner Briefe enthält mehr Tadel als Lob -- für was muß er mich halten? Für eine alte Närrin jedenfalls. Und wenn es Narrheit war, was ich trieb und noch treibe, was kostet sie mich nicht? Dann unermeßlich viel, ja mehr, als ich verantworten kann.

Welche Worte auf meine Fragen: "Was ich von den Eroberungen für das Kabinet Ihrer Excellenz halte? Daß unter den Stücken, die nach Hamburg gingen und sich dermalen in so schätzbaren Händen befinden, sehr viele ansehnliche sind, doch müßte ich sie sehen, um über deren Aechtheit zu entscheiden!" -- Eine Pille, doch recht schön vergoldet.

"Wie ich mit der Anordnung des Ennerischen Katalogs zufrieden sei? -- Sehr schlecht -- altväterische Art beibehalten, -- strotzt von unendlichen Fehlern, und zwar von einer Art, die man nicht leicht einem Anfänger vergeben würde. Man muß erstaunen, aus Frankreich, das mit seiner Gelehrsamkeit so groß thut und uns Deutsche so gern heruntersetzt, ein so ärgerliches Zeug erscheinen zu sehen. Ich rede unparteiisch, weil ich den Verfasser nicht kenne."

So Eckhel -- und ich habe diesen Katalog mit Entzücken begrüßt und ihn nach allen Seiten hin empfohlen. Van Damme, den Numismatiker zu Amsterdam, mit dem ich Jahre lang Briefe gewechselt, der große Summen für Münzen mir nach und nach abgelockt, enthüllt Eckhel hier als einen schamlosen Betrüger, und dessen Prachtkatalog mit allen seinen Bildern, den jener so sündentheuer verkauft, sei nichts als Aufwärmung der Platten eines elenden holländischen Werkes von Haverkamp, im Grafenhage erschienen. Und ich kenne dieses alte Werk nicht, und besitze eine Bibliothek von zwanzigtausend Bänden! -- Und endlich, mein Katalog, das Schmerzenskind meiner

legen; ihre Blicke vertieften sich vielmehr in die festen Schriftzüge des größten Alterthumsforschers und Münzkenners seiner Zeit, und dieselben übten auf die Gräfin gleichsam magnetische Anziehungskraft, sie mußte wieder und wieder lesen, was ihr Pein verursachte, wie der Wundarzt wohl bisweilen eine Wunde wiederholt brennen muß, auf daß sie gründlich heile.

Wo ist er, wo ist er, der grausame Brief des strengen Freundes, dem Wahrheit über Alles heilig ist? Ach, jeder seiner Briefe enthält mehr Tadel als Lob — für was muß er mich halten? Für eine alte Närrin jedenfalls. Und wenn es Narrheit war, was ich trieb und noch treibe, was kostet sie mich nicht? Dann unermeßlich viel, ja mehr, als ich verantworten kann.

Welche Worte auf meine Fragen: „Was ich von den Eroberungen für das Kabinet Ihrer Excellenz halte? Daß unter den Stücken, die nach Hamburg gingen und sich dermalen in so schätzbaren Händen befinden, sehr viele ansehnliche sind, doch müßte ich sie sehen, um über deren Aechtheit zu entscheiden!“ — Eine Pille, doch recht schön vergoldet.

„Wie ich mit der Anordnung des Ennerischen Katalogs zufrieden sei? — Sehr schlecht — altväterische Art beibehalten, — strotzt von unendlichen Fehlern, und zwar von einer Art, die man nicht leicht einem Anfänger vergeben würde. Man muß erstaunen, aus Frankreich, das mit seiner Gelehrsamkeit so groß thut und uns Deutsche so gern heruntersetzt, ein so ärgerliches Zeug erscheinen zu sehen. Ich rede unparteiisch, weil ich den Verfasser nicht kenne.“

So Eckhel — und ich habe diesen Katalog mit Entzücken begrüßt und ihn nach allen Seiten hin empfohlen. Van Damme, den Numismatiker zu Amsterdam, mit dem ich Jahre lang Briefe gewechselt, der große Summen für Münzen mir nach und nach abgelockt, enthüllt Eckhel hier als einen schamlosen Betrüger, und dessen Prachtkatalog mit allen seinen Bildern, den jener so sündentheuer verkauft, sei nichts als Aufwärmung der Platten eines elenden holländischen Werkes von Haverkamp, im Grafenhage erschienen. Und ich kenne dieses alte Werk nicht, und besitze eine Bibliothek von zwanzigtausend Bänden! — Und endlich, mein Katalog, das Schmerzenskind meiner

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[24/0028] legen; ihre Blicke vertieften sich vielmehr in die festen Schriftzüge des größten Alterthumsforschers und Münzkenners seiner Zeit, und dieselben übten auf die Gräfin gleichsam magnetische Anziehungskraft, sie mußte wieder und wieder lesen, was ihr Pein verursachte, wie der Wundarzt wohl bisweilen eine Wunde wiederholt brennen muß, auf daß sie gründlich heile. Wo ist er, wo ist er, der grausame Brief des strengen Freundes, dem Wahrheit über Alles heilig ist? Ach, jeder seiner Briefe enthält mehr Tadel als Lob — für was muß er mich halten? Für eine alte Närrin jedenfalls. Und wenn es Narrheit war, was ich trieb und noch treibe, was kostet sie mich nicht? Dann unermeßlich viel, ja mehr, als ich verantworten kann. Welche Worte auf meine Fragen: „Was ich von den Eroberungen für das Kabinet Ihrer Excellenz halte? Daß unter den Stücken, die nach Hamburg gingen und sich dermalen in so schätzbaren Händen befinden, sehr viele ansehnliche sind, doch müßte ich sie sehen, um über deren Aechtheit zu entscheiden!“ — Eine Pille, doch recht schön vergoldet. „Wie ich mit der Anordnung des Ennerischen Katalogs zufrieden sei? — Sehr schlecht — altväterische Art beibehalten, — strotzt von unendlichen Fehlern, und zwar von einer Art, die man nicht leicht einem Anfänger vergeben würde. Man muß erstaunen, aus Frankreich, das mit seiner Gelehrsamkeit so groß thut und uns Deutsche so gern heruntersetzt, ein so ärgerliches Zeug erscheinen zu sehen. Ich rede unparteiisch, weil ich den Verfasser nicht kenne.“ So Eckhel — und ich habe diesen Katalog mit Entzücken begrüßt und ihn nach allen Seiten hin empfohlen. Van Damme, den Numismatiker zu Amsterdam, mit dem ich Jahre lang Briefe gewechselt, der große Summen für Münzen mir nach und nach abgelockt, enthüllt Eckhel hier als einen schamlosen Betrüger, und dessen Prachtkatalog mit allen seinen Bildern, den jener so sündentheuer verkauft, sei nichts als Aufwärmung der Platten eines elenden holländischen Werkes von Haverkamp, im Grafenhage erschienen. Und ich kenne dieses alte Werk nicht, und besitze eine Bibliothek von zwanzigtausend Bänden! — Und endlich, mein Katalog, das Schmerzenskind meiner

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/28>, abgerufen am 30.04.2024.