Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

Name dieses Ortes niemals gegen einen Dritten über Ihre Lippen gehen soll, dann nenne ich Ihnen meiner Tochter Aufenthalt.

Ich schwur, und erfuhr den Namen des Ortes am Fuße des Schwarzwalds.

Am nächsten Tage reiste ich mit Courierpferden über Bitsche und Hagenau nach Straßburg, ging bei Kehl über den Rhein, und fuhr über Lahr und Mahlberg nach einem nahen Städtchen, das ich in der Nacht erreichte und wo ich mich bald zur Ruhe begab. Das Gasthaus, das mich aufgenommen hatte, war ein sehr gewöhnliches. Mein Bett stand an einer Bretterwand, und ich war noch nicht eingeschlafen, als ich an Schritten im anstoßenden Zimmer merkte, daß ich männliche Nachbarschaft habe. Zwei Männer unterhielten sich bald darauf lebhaft mit einander in französischer Sprache, und wunderbar, mir kamen beide Stimmen bekannt vor; ich verhielt mich mäuschenstill und suchte den Inhalt ihres Gespräches zu erlauschen, ohne noch zu ahnen, wie nahe derselbe mich selbst berühren würde. Je mehr Worte ich hörte, desto schrecklicher tagte es in mir, diese eine Stimme, nur einmal in meinem Leben hatte ich ihren rauhen Klang gehört, und doch hatte er sich tief in meine Erinnerung eingeprägt. O ich beklagenswerther Mann, die geliebte Anges suchte ich -- war ihr schon nahe -- und fand -- Berthelmy -- und Berthelmy war es, der nahe bei mir gegen seinen Gefährten zornvoll und erbittert über Anges sprach.

Ausgemittelt hab' ich's endlich, sagte er: das Nest der Schlange, der falschen, treulosen Schlange, und bin nun da, die Natter zu zertreten, wenn sie sich nicht reuig mir in die Arme wirft und mir dann die Hand bietet, das Netz des Verderbens um die niederträchtigen Vaterlandsfeinde, die sich hier auf deutschem Boden verborgen halten, zu schlingen, und denen sie sich dienstbar gemacht hat noch obendrein!

Uebereile nichts, Berthelmy! sprach der Andere: verdirb nicht um deiner eigenen Angelegenheit willen unser Spiel. Wir dürfen nie offen hervortreten, müssen alles vermeiden, was irgend einen Verdacht auf uns lenken kann; du kennst noch nicht den Dienst, Etienne, bist mein Schüler, mußt mir gehorchen.

Zum Donner! murrte Berthelmy: seit ich bei der Insel Noirmoutier in die Gewalt der Republikaner fiel, seit mein rachedürstendes Herz alle Parteiung und alle menschliche Rücksicht abschwur, ist mir

Name dieses Ortes niemals gegen einen Dritten über Ihre Lippen gehen soll, dann nenne ich Ihnen meiner Tochter Aufenthalt.

Ich schwur, und erfuhr den Namen des Ortes am Fuße des Schwarzwalds.

Am nächsten Tage reiste ich mit Courierpferden über Bitsche und Hagenau nach Straßburg, ging bei Kehl über den Rhein, und fuhr über Lahr und Mahlberg nach einem nahen Städtchen, das ich in der Nacht erreichte und wo ich mich bald zur Ruhe begab. Das Gasthaus, das mich aufgenommen hatte, war ein sehr gewöhnliches. Mein Bett stand an einer Bretterwand, und ich war noch nicht eingeschlafen, als ich an Schritten im anstoßenden Zimmer merkte, daß ich männliche Nachbarschaft habe. Zwei Männer unterhielten sich bald darauf lebhaft mit einander in französischer Sprache, und wunderbar, mir kamen beide Stimmen bekannt vor; ich verhielt mich mäuschenstill und suchte den Inhalt ihres Gespräches zu erlauschen, ohne noch zu ahnen, wie nahe derselbe mich selbst berühren würde. Je mehr Worte ich hörte, desto schrecklicher tagte es in mir, diese eine Stimme, nur einmal in meinem Leben hatte ich ihren rauhen Klang gehört, und doch hatte er sich tief in meine Erinnerung eingeprägt. O ich beklagenswerther Mann, die geliebte Angés suchte ich — war ihr schon nahe — und fand — Berthelmy — und Berthelmy war es, der nahe bei mir gegen seinen Gefährten zornvoll und erbittert über Angés sprach.

Ausgemittelt hab’ ich’s endlich, sagte er: das Nest der Schlange, der falschen, treulosen Schlange, und bin nun da, die Natter zu zertreten, wenn sie sich nicht reuig mir in die Arme wirft und mir dann die Hand bietet, das Netz des Verderbens um die niederträchtigen Vaterlandsfeinde, die sich hier auf deutschem Boden verborgen halten, zu schlingen, und denen sie sich dienstbar gemacht hat noch obendrein!

Uebereile nichts, Berthelmy! sprach der Andere: verdirb nicht um deiner eigenen Angelegenheit willen unser Spiel. Wir dürfen nie offen hervortreten, müssen alles vermeiden, was irgend einen Verdacht auf uns lenken kann; du kennst noch nicht den Dienst, Etienne, bist mein Schüler, mußt mir gehorchen.

Zum Donner! murrte Berthelmy: seit ich bei der Insel Noirmoutier in die Gewalt der Republikaner fiel, seit mein rachedürstendes Herz alle Parteiung und alle menschliche Rücksicht abschwur, ist mir

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0290" n="286"/>
Name dieses Ortes niemals gegen einen Dritten über Ihre Lippen gehen soll, dann nenne ich Ihnen meiner Tochter Aufenthalt.</p>
          <p>Ich schwur, und erfuhr den Namen des Ortes am Fuße des Schwarzwalds.</p>
          <p>Am nächsten Tage reiste ich mit Courierpferden über Bitsche und Hagenau nach Straßburg, ging bei Kehl über den Rhein, und fuhr über Lahr und Mahlberg nach einem nahen Städtchen, das ich in der Nacht erreichte und wo ich mich bald zur Ruhe begab. Das Gasthaus, das mich aufgenommen hatte, war ein sehr gewöhnliches. Mein Bett stand an einer Bretterwand, und ich war noch nicht eingeschlafen, als ich an Schritten im anstoßenden Zimmer merkte, daß ich männliche Nachbarschaft habe. Zwei Männer unterhielten sich bald darauf lebhaft mit einander in französischer Sprache, und wunderbar, mir kamen beide Stimmen bekannt vor; ich verhielt mich mäuschenstill und suchte den Inhalt ihres Gespräches zu erlauschen, ohne noch zu ahnen, wie nahe derselbe mich selbst berühren würde. Je mehr Worte ich hörte, desto schrecklicher tagte es in mir, diese eine Stimme, nur einmal in meinem Leben hatte ich ihren rauhen Klang gehört, und doch hatte er sich tief in meine Erinnerung eingeprägt. O ich beklagenswerther Mann, die geliebte Angés suchte ich &#x2014; war ihr schon nahe &#x2014; und fand &#x2014; Berthelmy &#x2014; und Berthelmy war es, der nahe bei mir gegen seinen Gefährten zornvoll und erbittert über Angés sprach.</p>
          <p>Ausgemittelt hab&#x2019; ich&#x2019;s endlich, sagte er: das Nest der Schlange, der falschen, treulosen Schlange, und bin nun da, die Natter zu zertreten, wenn sie sich nicht reuig mir in die Arme wirft und mir dann die Hand bietet, das Netz des Verderbens um die niederträchtigen Vaterlandsfeinde, die sich hier auf deutschem Boden verborgen halten, zu schlingen, und denen sie sich dienstbar gemacht hat noch obendrein!</p>
          <p>Uebereile nichts, Berthelmy! sprach der Andere: verdirb nicht um deiner eigenen Angelegenheit willen unser Spiel. Wir dürfen nie offen hervortreten, müssen alles vermeiden, was irgend einen Verdacht auf uns lenken kann; du kennst noch nicht den Dienst, Etienne, bist mein Schüler, mußt mir gehorchen.</p>
          <p>Zum Donner! murrte Berthelmy: seit ich bei der Insel Noirmoutier in die Gewalt der Republikaner fiel, seit mein rachedürstendes Herz alle Parteiung und alle menschliche Rücksicht abschwur, ist mir
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[286/0290] Name dieses Ortes niemals gegen einen Dritten über Ihre Lippen gehen soll, dann nenne ich Ihnen meiner Tochter Aufenthalt. Ich schwur, und erfuhr den Namen des Ortes am Fuße des Schwarzwalds. Am nächsten Tage reiste ich mit Courierpferden über Bitsche und Hagenau nach Straßburg, ging bei Kehl über den Rhein, und fuhr über Lahr und Mahlberg nach einem nahen Städtchen, das ich in der Nacht erreichte und wo ich mich bald zur Ruhe begab. Das Gasthaus, das mich aufgenommen hatte, war ein sehr gewöhnliches. Mein Bett stand an einer Bretterwand, und ich war noch nicht eingeschlafen, als ich an Schritten im anstoßenden Zimmer merkte, daß ich männliche Nachbarschaft habe. Zwei Männer unterhielten sich bald darauf lebhaft mit einander in französischer Sprache, und wunderbar, mir kamen beide Stimmen bekannt vor; ich verhielt mich mäuschenstill und suchte den Inhalt ihres Gespräches zu erlauschen, ohne noch zu ahnen, wie nahe derselbe mich selbst berühren würde. Je mehr Worte ich hörte, desto schrecklicher tagte es in mir, diese eine Stimme, nur einmal in meinem Leben hatte ich ihren rauhen Klang gehört, und doch hatte er sich tief in meine Erinnerung eingeprägt. O ich beklagenswerther Mann, die geliebte Angés suchte ich — war ihr schon nahe — und fand — Berthelmy — und Berthelmy war es, der nahe bei mir gegen seinen Gefährten zornvoll und erbittert über Angés sprach. Ausgemittelt hab’ ich’s endlich, sagte er: das Nest der Schlange, der falschen, treulosen Schlange, und bin nun da, die Natter zu zertreten, wenn sie sich nicht reuig mir in die Arme wirft und mir dann die Hand bietet, das Netz des Verderbens um die niederträchtigen Vaterlandsfeinde, die sich hier auf deutschem Boden verborgen halten, zu schlingen, und denen sie sich dienstbar gemacht hat noch obendrein! Uebereile nichts, Berthelmy! sprach der Andere: verdirb nicht um deiner eigenen Angelegenheit willen unser Spiel. Wir dürfen nie offen hervortreten, müssen alles vermeiden, was irgend einen Verdacht auf uns lenken kann; du kennst noch nicht den Dienst, Etienne, bist mein Schüler, mußt mir gehorchen. Zum Donner! murrte Berthelmy: seit ich bei der Insel Noirmoutier in die Gewalt der Republikaner fiel, seit mein rachedürstendes Herz alle Parteiung und alle menschliche Rücksicht abschwur, ist mir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML. (2013-01-22T14:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
austrian literature online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-22T14:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-22T14:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/290
Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/290>, abgerufen am 24.11.2024.