Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.angestammten Wappen siegeln! Nun, er hat wahrlich Recht, das Sprichwort Hamlets, das Ihr Bruder so gern im Munde führte: die Welt ist aus ihren Fugen! erfüllt sich. Ich soll mich über die närrische Aufschrift nicht wundern? Das ist doch mindestens ein vernünftiges Wort, aber nicht närrisch ist diese Aufschrift -- sie ist verrückt! Was die Herren französischen Generale über meine gräfliche Würde urtheilen, das gilt mir ganz gleich. In Frankreich kann jeder Schuhputzer jetzt General werden, solchen Leuten gestehe ich kein Urtheil über meine Person zu. Was den Respect vor deutschen Fürsten, Grafen und Herren betrifft, so wird schon eine Zeit kommen, wo sie den Respect wieder lernen, wo er ihnen hinlänglich fühlbar gemacht werden wird, diese -- doch was ärgere ich mich? Immer hält Ihr Bruder sich Lobreden! Das ist albern -- und was er mir über die Paduanischen nachgemachten Münzen unter die Nase reibt, das ist infam! Schweigen Sie -- ich will nichts mehr hören -- ich ärgere mich zu sehr -- nur unter den Bajonetten der Republikaner kann ein Untergebener sich solche Aeußerungen gegen seine Herrschaft erlauben! Er soll aber meinen Zorn dafür schon gewahr werden. Legen Sie die Briefe hin, gehen Sie! Die Kammerfrau verließ schweigend das Zimmer. Eine lange Weile blieb die Reichsgräfin in ihrem Armsessel sitzen, starr und steif, regungslos wie ein Steinbild. Von Zeit zu Zeit schüttelte sie blos heftig den Kopf, wie von einem Krampfe befallen, dann griff sie selbst nach Windt's Briefen und murmelte: Es mag ihm freilich wohl bisweilen schlimm und schlecht ergangen sein, ich will nur sehen, welche Kostenrechnungen über alle diese Kriegslasten eingehen. Ich begreife nicht, wovon er sie bestreitet, da in der dortigen Rentnerei kein Geld ist. Er bittet für sich um eine Versorgung, wohl, verdient hat er sie, muß aber nicht so ungewaschenes Zeug in seine Briefe setzen. Was ist das, mit den Freiheitsbäumen? Hat noch keinen setzen lassen? So hätte ich ihm zuletzt doch Unrecht gethan? Denn hier spricht er wie Salomo der Weise. -- Durch diesen Gedanken versöhnlicher gestimmt, griff die Reichsgräfin nach dem zweiten Briefe ihres treuen und nur zu offenherzigen Intendanten. Der Inhalt desselben bildete die kurze Schilderung der Reise, gab Nachricht über das Befinden des Erbherrn und Graf Ludwig's, wie der Frau Gräfin angestammten Wappen siegeln! Nun, er hat wahrlich Recht, das Sprichwort Hamlets, das Ihr Bruder so gern im Munde führte: die Welt ist aus ihren Fugen! erfüllt sich. Ich soll mich über die närrische Aufschrift nicht wundern? Das ist doch mindestens ein vernünftiges Wort, aber nicht närrisch ist diese Aufschrift — sie ist verrückt! Was die Herren französischen Generale über meine gräfliche Würde urtheilen, das gilt mir ganz gleich. In Frankreich kann jeder Schuhputzer jetzt General werden, solchen Leuten gestehe ich kein Urtheil über meine Person zu. Was den Respect vor deutschen Fürsten, Grafen und Herren betrifft, so wird schon eine Zeit kommen, wo sie den Respect wieder lernen, wo er ihnen hinlänglich fühlbar gemacht werden wird, diese — doch was ärgere ich mich? Immer hält Ihr Bruder sich Lobreden! Das ist albern — und was er mir über die Paduanischen nachgemachten Münzen unter die Nase reibt, das ist infam! Schweigen Sie — ich will nichts mehr hören — ich ärgere mich zu sehr — nur unter den Bajonetten der Republikaner kann ein Untergebener sich solche Aeußerungen gegen seine Herrschaft erlauben! Er soll aber meinen Zorn dafür schon gewahr werden. Legen Sie die Briefe hin, gehen Sie! Die Kammerfrau verließ schweigend das Zimmer. Eine lange Weile blieb die Reichsgräfin in ihrem Armsessel sitzen, starr und steif, regungslos wie ein Steinbild. Von Zeit zu Zeit schüttelte sie blos heftig den Kopf, wie von einem Krampfe befallen, dann griff sie selbst nach Windt’s Briefen und murmelte: Es mag ihm freilich wohl bisweilen schlimm und schlecht ergangen sein, ich will nur sehen, welche Kostenrechnungen über alle diese Kriegslasten eingehen. Ich begreife nicht, wovon er sie bestreitet, da in der dortigen Rentnerei kein Geld ist. Er bittet für sich um eine Versorgung, wohl, verdient hat er sie, muß aber nicht so ungewaschenes Zeug in seine Briefe setzen. Was ist das, mit den Freiheitsbäumen? Hat noch keinen setzen lassen? So hätte ich ihm zuletzt doch Unrecht gethan? Denn hier spricht er wie Salomo der Weise. — Durch diesen Gedanken versöhnlicher gestimmt, griff die Reichsgräfin nach dem zweiten Briefe ihres treuen und nur zu offenherzigen Intendanten. Der Inhalt desselben bildete die kurze Schilderung der Reise, gab Nachricht über das Befinden des Erbherrn und Graf Ludwig’s, wie der Frau Gräfin <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0301" n="297"/> angestammten Wappen siegeln! Nun, er hat wahrlich Recht, das Sprichwort Hamlets, das Ihr Bruder so gern im Munde führte: die Welt ist aus ihren Fugen! erfüllt sich. Ich soll mich über die närrische Aufschrift nicht wundern? Das ist doch mindestens ein vernünftiges Wort, aber nicht närrisch ist diese Aufschrift — sie ist verrückt! Was die Herren französischen Generale über meine gräfliche Würde urtheilen, das gilt mir ganz gleich. In Frankreich kann jeder Schuhputzer jetzt General werden, solchen Leuten gestehe ich kein Urtheil über meine Person zu. Was den Respect vor deutschen Fürsten, Grafen und Herren betrifft, so wird schon eine Zeit kommen, wo sie den Respect wieder lernen, wo er ihnen hinlänglich fühlbar gemacht werden wird, diese — doch was ärgere ich mich? Immer hält Ihr Bruder sich Lobreden! Das ist albern — und was er mir über die Paduanischen nachgemachten Münzen unter die Nase reibt, das ist infam! Schweigen Sie — ich will nichts mehr hören — ich ärgere mich zu sehr — nur unter den Bajonetten der Republikaner kann ein Untergebener sich solche Aeußerungen gegen seine Herrschaft erlauben! Er soll aber meinen Zorn dafür schon gewahr werden. Legen Sie die Briefe hin, gehen Sie!</p> <p>Die Kammerfrau verließ schweigend das Zimmer. Eine lange Weile blieb die Reichsgräfin in ihrem Armsessel sitzen, starr und steif, regungslos wie ein Steinbild. Von Zeit zu Zeit schüttelte sie blos heftig den Kopf, wie von einem Krampfe befallen, dann griff sie selbst nach Windt’s Briefen und murmelte: Es mag ihm freilich wohl bisweilen schlimm und schlecht ergangen sein, ich will nur sehen, welche Kostenrechnungen über alle diese Kriegslasten eingehen. Ich begreife nicht, wovon er sie bestreitet, da in der dortigen Rentnerei kein Geld ist. Er bittet für sich um eine Versorgung, wohl, verdient hat er sie, muß aber nicht so ungewaschenes Zeug in seine Briefe setzen. Was ist das, mit den Freiheitsbäumen? Hat noch keinen setzen lassen? So hätte ich ihm zuletzt doch Unrecht gethan? Denn hier spricht er wie Salomo der Weise. — Durch diesen Gedanken versöhnlicher gestimmt, griff die Reichsgräfin nach dem zweiten Briefe ihres treuen und nur zu offenherzigen Intendanten. Der Inhalt desselben bildete die kurze Schilderung der Reise, gab Nachricht über das Befinden des Erbherrn und Graf Ludwig’s, wie der Frau Gräfin </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [297/0301]
angestammten Wappen siegeln! Nun, er hat wahrlich Recht, das Sprichwort Hamlets, das Ihr Bruder so gern im Munde führte: die Welt ist aus ihren Fugen! erfüllt sich. Ich soll mich über die närrische Aufschrift nicht wundern? Das ist doch mindestens ein vernünftiges Wort, aber nicht närrisch ist diese Aufschrift — sie ist verrückt! Was die Herren französischen Generale über meine gräfliche Würde urtheilen, das gilt mir ganz gleich. In Frankreich kann jeder Schuhputzer jetzt General werden, solchen Leuten gestehe ich kein Urtheil über meine Person zu. Was den Respect vor deutschen Fürsten, Grafen und Herren betrifft, so wird schon eine Zeit kommen, wo sie den Respect wieder lernen, wo er ihnen hinlänglich fühlbar gemacht werden wird, diese — doch was ärgere ich mich? Immer hält Ihr Bruder sich Lobreden! Das ist albern — und was er mir über die Paduanischen nachgemachten Münzen unter die Nase reibt, das ist infam! Schweigen Sie — ich will nichts mehr hören — ich ärgere mich zu sehr — nur unter den Bajonetten der Republikaner kann ein Untergebener sich solche Aeußerungen gegen seine Herrschaft erlauben! Er soll aber meinen Zorn dafür schon gewahr werden. Legen Sie die Briefe hin, gehen Sie!
Die Kammerfrau verließ schweigend das Zimmer. Eine lange Weile blieb die Reichsgräfin in ihrem Armsessel sitzen, starr und steif, regungslos wie ein Steinbild. Von Zeit zu Zeit schüttelte sie blos heftig den Kopf, wie von einem Krampfe befallen, dann griff sie selbst nach Windt’s Briefen und murmelte: Es mag ihm freilich wohl bisweilen schlimm und schlecht ergangen sein, ich will nur sehen, welche Kostenrechnungen über alle diese Kriegslasten eingehen. Ich begreife nicht, wovon er sie bestreitet, da in der dortigen Rentnerei kein Geld ist. Er bittet für sich um eine Versorgung, wohl, verdient hat er sie, muß aber nicht so ungewaschenes Zeug in seine Briefe setzen. Was ist das, mit den Freiheitsbäumen? Hat noch keinen setzen lassen? So hätte ich ihm zuletzt doch Unrecht gethan? Denn hier spricht er wie Salomo der Weise. — Durch diesen Gedanken versöhnlicher gestimmt, griff die Reichsgräfin nach dem zweiten Briefe ihres treuen und nur zu offenherzigen Intendanten. Der Inhalt desselben bildete die kurze Schilderung der Reise, gab Nachricht über das Befinden des Erbherrn und Graf Ludwig’s, wie der Frau Gräfin
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Zitationshilfe: | Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/301>, abgerufen am 15.06.2024. |