Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.O mein lieber, lieber Freund! Es ging ja nicht anders; ich konnte nicht anders, ich mußte so handeln! Sprich Freund, -- wo ist er? Siehst du ihn wieder? Erzählte er dir von mir? Gewiß, das that er, sonst könntest du mich nicht so fragen! Ludwig schwieg betreten -- er fand nicht alsbald die Antwort; erst nach einer Pause erwiderte er: Anges, ich muß dich ruhiger sprechen. Ich kann unmöglich so mich mittheilen. Wird die Herrschaft nicht Rast machen? Nur so lange, als auf der nächsten Station umgespannt wird, war ihre Antwort. Philipp kam jetzt nachgaloppirt, Anges erschrak, sie wähnte, es sei ein Verfolger. Ludwig beruhigte sie, gebot seinem Diener zurückzureiten und dem Beamten zu sagen, er möge mit der Schutzmannschaft nachkommen. Ludwig war nicht geneigt, den Wagen, in welchem Anges saß, aus den Augen zu verlieren, aber welche mächtige Gefühle durchwogten kämpfend seine Seele. Sie glaubte Leonardus noch lebend, sie verließ wahrscheinlich Deutschland, weshalb that sie das? O, sie liebt nicht heiß, nicht wahrhaft! sagte Ludwig sich selbst. Was kann sie zwingen, ihre Freiheit hinzuopfern? Wie in aller Welt vermag sie das über sich? Ach, und wie schön ist sie noch! Wie himmlisch, wie rührend schön! Ich reise in Deutschland, erzählte Ludwig flüchtig im Nebenherreiten, -- komme über jene Höhen da droben, war bei der Armee -- o Anges, ich hatte mir vorgenommen, demnächst nach Süddeutschland zu gehen und unablässig nach dir zu suchen. Anges erglühte, ihre Lage war peinlich, sie konnte nicht frei ihrem Gefühle Ausdruck verleihen, der alte Jacques, den die angestrengte rastlose Reise sehr angriff, machte ein grämliches Gesicht, sie ließ also Ludwig sprechen und antwortete fast nur durch Zeichen und Lächeln. -- Vor dem Gasthause in Eishausen wurde es immer voller und lauter, aus einer Thalenge vom nahen Thüringerwaldgebirge herunter hatte sich auf einsamen Feldwegen eine Zigeunerbande herabgeschlichen, die unter der Leitung einer hexenhaft aussehenden Altmutter stand, und sich bald genug durch das Dorf verbreitete, ihre bekannten Künste, Wahrsagen, Betteln und am Liebsten Stehlen zu üben. Das ganze Leben und Treiben der verschiedenen Volksgruppen vor dem Wirthshaus O mein lieber, lieber Freund! Es ging ja nicht anders; ich konnte nicht anders, ich mußte so handeln! Sprich Freund, — wo ist er? Siehst du ihn wieder? Erzählte er dir von mir? Gewiß, das that er, sonst könntest du mich nicht so fragen! Ludwig schwieg betreten — er fand nicht alsbald die Antwort; erst nach einer Pause erwiderte er: Angés, ich muß dich ruhiger sprechen. Ich kann unmöglich so mich mittheilen. Wird die Herrschaft nicht Rast machen? Nur so lange, als auf der nächsten Station umgespannt wird, war ihre Antwort. Philipp kam jetzt nachgaloppirt, Angés erschrak, sie wähnte, es sei ein Verfolger. Ludwig beruhigte sie, gebot seinem Diener zurückzureiten und dem Beamten zu sagen, er möge mit der Schutzmannschaft nachkommen. Ludwig war nicht geneigt, den Wagen, in welchem Angés saß, aus den Augen zu verlieren, aber welche mächtige Gefühle durchwogten kämpfend seine Seele. Sie glaubte Leonardus noch lebend, sie verließ wahrscheinlich Deutschland, weshalb that sie das? O, sie liebt nicht heiß, nicht wahrhaft! sagte Ludwig sich selbst. Was kann sie zwingen, ihre Freiheit hinzuopfern? Wie in aller Welt vermag sie das über sich? Ach, und wie schön ist sie noch! Wie himmlisch, wie rührend schön! Ich reise in Deutschland, erzählte Ludwig flüchtig im Nebenherreiten, — komme über jene Höhen da droben, war bei der Armee — o Angés, ich hatte mir vorgenommen, demnächst nach Süddeutschland zu gehen und unablässig nach dir zu suchen. Angés erglühte, ihre Lage war peinlich, sie konnte nicht frei ihrem Gefühle Ausdruck verleihen, der alte Jacques, den die angestrengte rastlose Reise sehr angriff, machte ein grämliches Gesicht, sie ließ also Ludwig sprechen und antwortete fast nur durch Zeichen und Lächeln. — Vor dem Gasthause in Eishausen wurde es immer voller und lauter, aus einer Thalenge vom nahen Thüringerwaldgebirge herunter hatte sich auf einsamen Feldwegen eine Zigeunerbande herabgeschlichen, die unter der Leitung einer hexenhaft aussehenden Altmutter stand, und sich bald genug durch das Dorf verbreitete, ihre bekannten Künste, Wahrsagen, Betteln und am Liebsten Stehlen zu üben. 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Ludwig war nicht geneigt, den Wagen, in welchem Angés saß, aus den Augen zu verlieren, aber welche mächtige Gefühle durchwogten kämpfend seine Seele. Sie glaubte Leonardus noch lebend, sie verließ wahrscheinlich Deutschland, weshalb that sie das? O, sie liebt nicht heiß, nicht wahrhaft! sagte Ludwig sich selbst. Was kann sie zwingen, ihre Freiheit hinzuopfern? Wie in aller Welt vermag sie das über sich? Ach, und wie schön ist sie noch! Wie himmlisch, wie rührend schön!</p> <p>Ich reise in Deutschland, erzählte Ludwig flüchtig im Nebenherreiten, — komme über jene Höhen da droben, war bei der Armee — o Angés, ich hatte mir vorgenommen, demnächst nach Süddeutschland zu gehen und unablässig nach dir zu suchen.</p> <p>Angés erglühte, ihre Lage war peinlich, sie konnte nicht frei ihrem Gefühle Ausdruck verleihen, der alte Jacques, den die angestrengte rastlose Reise sehr angriff, machte ein grämliches Gesicht, sie ließ also Ludwig sprechen und antwortete fast nur durch Zeichen und Lächeln. —</p> <p>Vor dem Gasthause in Eishausen wurde es immer voller und lauter, aus einer Thalenge vom nahen Thüringerwaldgebirge herunter hatte sich auf einsamen Feldwegen eine Zigeunerbande herabgeschlichen, die unter der Leitung einer hexenhaft aussehenden Altmutter stand, und sich bald genug durch das Dorf verbreitete, ihre bekannten Künste, Wahrsagen, Betteln und am Liebsten Stehlen zu üben. Das ganze Leben und Treiben der verschiedenen Volksgruppen vor dem Wirthshaus </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [327/0331]
O mein lieber, lieber Freund! Es ging ja nicht anders; ich konnte nicht anders, ich mußte so handeln! Sprich Freund, — wo ist er? Siehst du ihn wieder? Erzählte er dir von mir? Gewiß, das that er, sonst könntest du mich nicht so fragen!
Ludwig schwieg betreten — er fand nicht alsbald die Antwort; erst nach einer Pause erwiderte er: Angés, ich muß dich ruhiger sprechen. Ich kann unmöglich so mich mittheilen. Wird die Herrschaft nicht Rast machen?
Nur so lange, als auf der nächsten Station umgespannt wird, war ihre Antwort.
Philipp kam jetzt nachgaloppirt, Angés erschrak, sie wähnte, es sei ein Verfolger. Ludwig beruhigte sie, gebot seinem Diener zurückzureiten und dem Beamten zu sagen, er möge mit der Schutzmannschaft nachkommen. Ludwig war nicht geneigt, den Wagen, in welchem Angés saß, aus den Augen zu verlieren, aber welche mächtige Gefühle durchwogten kämpfend seine Seele. Sie glaubte Leonardus noch lebend, sie verließ wahrscheinlich Deutschland, weshalb that sie das? O, sie liebt nicht heiß, nicht wahrhaft! sagte Ludwig sich selbst. Was kann sie zwingen, ihre Freiheit hinzuopfern? Wie in aller Welt vermag sie das über sich? Ach, und wie schön ist sie noch! Wie himmlisch, wie rührend schön!
Ich reise in Deutschland, erzählte Ludwig flüchtig im Nebenherreiten, — komme über jene Höhen da droben, war bei der Armee — o Angés, ich hatte mir vorgenommen, demnächst nach Süddeutschland zu gehen und unablässig nach dir zu suchen.
Angés erglühte, ihre Lage war peinlich, sie konnte nicht frei ihrem Gefühle Ausdruck verleihen, der alte Jacques, den die angestrengte rastlose Reise sehr angriff, machte ein grämliches Gesicht, sie ließ also Ludwig sprechen und antwortete fast nur durch Zeichen und Lächeln. —
Vor dem Gasthause in Eishausen wurde es immer voller und lauter, aus einer Thalenge vom nahen Thüringerwaldgebirge herunter hatte sich auf einsamen Feldwegen eine Zigeunerbande herabgeschlichen, die unter der Leitung einer hexenhaft aussehenden Altmutter stand, und sich bald genug durch das Dorf verbreitete, ihre bekannten Künste, Wahrsagen, Betteln und am Liebsten Stehlen zu üben. Das ganze Leben und Treiben der verschiedenen Volksgruppen vor dem Wirthshaus
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