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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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freilich ist er äußerst empfindlich und reizbar und ein unbedachtes Wort ist im Stande, sein ganzes Wesen in Aufruhr zu bringen. Wie ich den Herrn Grafen kenne, sind wenige Worte im Stande, ihn zu bewegen, daß er Alles um sich nieder wirft und liegen läßt, es gehe wie es gehe, aber sein Charakter ist und bleibt redlich. Er ist nicht der Mann, welcher Excellenz beraubt, geplündert und von Land und Leuten verdrängt sehen will, im Gegentheil, er theilte mir gerade heraus mit: Will meine Frau Großmutter Varel wieder zu eigen haben, so nehme sie es gerne, wenn es nur ohne weitere Schulden und dereinst meinen Kindern bleibt.

In der That -- sehr gnädig! -- spöttelte die Herrin und machte einen Knix, aber Windt kehrte sich nicht an ihren Spott.

Der redliche Diener fuhr im Tone vollster Ueberzeugung fort: Halten Excellenz es mir zu Gnaden, daß ich so frei heraus meine Meinung sage! Die Hauptsache muß so behandelt werden, daß beide Theile mit Ehren nachgeben, mit Ehren annehmen und mit Ehren ablehnen können. Ich brauche wohl nicht erst an den Wahlspruch im reichsgräflichen Wappen zu erinnern.

Craignez honte! versetzte die Herrin, den Wahlspruch anführend, und fügte hinzu: Bravo, Herr Windt! Ich danke Ihnen für diese Lehre.

Eher würde ich selbst auf Ihrer Excellenz Vortheile verzichten, als im Punkt von Hochderselben Ehre nachgeben, und wenn der Herr Graf Alles anzunehmen verspräche, was Ihre Excellenz von ihm verlangen, so würde ich der Erste sein, der zu ihm sagte: Sie handeln ohne Ueberlegung, ohne Ehre, ohne Zartgefühl, denn Sie können nicht Wort halten. Ihre Excellenz kennen in der That den Herrn Grafen zu wenig, er ist Ihnen entwachsen, er ist noch jung, und bei Gelegenheit wohl spöttisch, sarkastisch oder überreizt -- er ist aber wahrhaftig ein edler Mann, und der Beste von den Seinen, so viel ich deren in Holland kennen lernte. Was ich von seinen Handlungen weiß, ist nur ehrenhaft. Um sein gegebenes Wort zu erfüllen, hat er sich mit seiner Frau Mutter auf eine Art entzweit, daß sie nie wieder einig wurden. Das kam so: In der unglücklichen Revolution hing sein Leben im Haag jeden Augenblick an einem Zwirnsfaden, und gleichwohl zeigte er stets den höchsten Grad von Entschlossenheit. Um

freilich ist er äußerst empfindlich und reizbar und ein unbedachtes Wort ist im Stande, sein ganzes Wesen in Aufruhr zu bringen. Wie ich den Herrn Grafen kenne, sind wenige Worte im Stande, ihn zu bewegen, daß er Alles um sich nieder wirft und liegen läßt, es gehe wie es gehe, aber sein Charakter ist und bleibt redlich. Er ist nicht der Mann, welcher Excellenz beraubt, geplündert und von Land und Leuten verdrängt sehen will, im Gegentheil, er theilte mir gerade heraus mit: Will meine Frau Großmutter Varel wieder zu eigen haben, so nehme sie es gerne, wenn es nur ohne weitere Schulden und dereinst meinen Kindern bleibt.

In der That — sehr gnädig! — spöttelte die Herrin und machte einen Knix, aber Windt kehrte sich nicht an ihren Spott.

Der redliche Diener fuhr im Tone vollster Ueberzeugung fort: Halten Excellenz es mir zu Gnaden, daß ich so frei heraus meine Meinung sage! Die Hauptsache muß so behandelt werden, daß beide Theile mit Ehren nachgeben, mit Ehren annehmen und mit Ehren ablehnen können. Ich brauche wohl nicht erst an den Wahlspruch im reichsgräflichen Wappen zu erinnern.

Craignez honte! versetzte die Herrin, den Wahlspruch anführend, und fügte hinzu: Bravo, Herr Windt! Ich danke Ihnen für diese Lehre.

Eher würde ich selbst auf Ihrer Excellenz Vortheile verzichten, als im Punkt von Hochderselben Ehre nachgeben, und wenn der Herr Graf Alles anzunehmen verspräche, was Ihre Excellenz von ihm verlangen, so würde ich der Erste sein, der zu ihm sagte: Sie handeln ohne Ueberlegung, ohne Ehre, ohne Zartgefühl, denn Sie können nicht Wort halten. Ihre Excellenz kennen in der That den Herrn Grafen zu wenig, er ist Ihnen entwachsen, er ist noch jung, und bei Gelegenheit wohl spöttisch, sarkastisch oder überreizt — er ist aber wahrhaftig ein edler Mann, und der Beste von den Seinen, so viel ich deren in Holland kennen lernte. Was ich von seinen Handlungen weiß, ist nur ehrenhaft. Um sein gegebenes Wort zu erfüllen, hat er sich mit seiner Frau Mutter auf eine Art entzweit, daß sie nie wieder einig wurden. Das kam so: In der unglücklichen Revolution hing sein Leben im Haag jeden Augenblick an einem Zwirnsfaden, und gleichwohl zeigte er stets den höchsten Grad von Entschlossenheit. Um

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[31/0035] freilich ist er äußerst empfindlich und reizbar und ein unbedachtes Wort ist im Stande, sein ganzes Wesen in Aufruhr zu bringen. Wie ich den Herrn Grafen kenne, sind wenige Worte im Stande, ihn zu bewegen, daß er Alles um sich nieder wirft und liegen läßt, es gehe wie es gehe, aber sein Charakter ist und bleibt redlich. Er ist nicht der Mann, welcher Excellenz beraubt, geplündert und von Land und Leuten verdrängt sehen will, im Gegentheil, er theilte mir gerade heraus mit: Will meine Frau Großmutter Varel wieder zu eigen haben, so nehme sie es gerne, wenn es nur ohne weitere Schulden und dereinst meinen Kindern bleibt. In der That — sehr gnädig! — spöttelte die Herrin und machte einen Knix, aber Windt kehrte sich nicht an ihren Spott. Der redliche Diener fuhr im Tone vollster Ueberzeugung fort: Halten Excellenz es mir zu Gnaden, daß ich so frei heraus meine Meinung sage! Die Hauptsache muß so behandelt werden, daß beide Theile mit Ehren nachgeben, mit Ehren annehmen und mit Ehren ablehnen können. Ich brauche wohl nicht erst an den Wahlspruch im reichsgräflichen Wappen zu erinnern. Craignez honte! versetzte die Herrin, den Wahlspruch anführend, und fügte hinzu: Bravo, Herr Windt! Ich danke Ihnen für diese Lehre. Eher würde ich selbst auf Ihrer Excellenz Vortheile verzichten, als im Punkt von Hochderselben Ehre nachgeben, und wenn der Herr Graf Alles anzunehmen verspräche, was Ihre Excellenz von ihm verlangen, so würde ich der Erste sein, der zu ihm sagte: Sie handeln ohne Ueberlegung, ohne Ehre, ohne Zartgefühl, denn Sie können nicht Wort halten. Ihre Excellenz kennen in der That den Herrn Grafen zu wenig, er ist Ihnen entwachsen, er ist noch jung, und bei Gelegenheit wohl spöttisch, sarkastisch oder überreizt — er ist aber wahrhaftig ein edler Mann, und der Beste von den Seinen, so viel ich deren in Holland kennen lernte. Was ich von seinen Handlungen weiß, ist nur ehrenhaft. Um sein gegebenes Wort zu erfüllen, hat er sich mit seiner Frau Mutter auf eine Art entzweit, daß sie nie wieder einig wurden. Das kam so: In der unglücklichen Revolution hing sein Leben im Haag jeden Augenblick an einem Zwirnsfaden, und gleichwohl zeigte er stets den höchsten Grad von Entschlossenheit. Um

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/35>, abgerufen am 21.11.2024.