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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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Der Graf eilte in raschen Sätzen die Treppe hinauf und gebot Philipp, ihm sogleich zu folgen. Sophie öffnete die Thüre des Zimmers, in welches sie abgetreten war, Graf Ludwig winkte ihr stumm, zog den Diener in sein Zimmer und stammelte: Sprich! Sprich! Was ist's mit Anges? Wo habt ihr sie gelassen?

Ach, erschrecken Sie nur nicht allzusehr, gnädiger Herr! stammelte Philipp. Ach, der liebe gute Engel!

Anges! schrie der Graf: was ist's mit ihr?

Sie ist nicht mehr -- sie ist todt -- schändlich ermordet!

Todt? Ermordet, sagst du?

Wie ich Ihnen sage, schluchzte Philipp.

Jetzt kam auch die Kammerzofe herauf, überlaut weinend, und da die Prinzessin diese hörte, öffnete sie wieder die Thüre und ließ sie zu sich eintreten; bald wurde auch das junge Herz Sophiens von einer Nachricht erschüttert, die ihr das Blut erstarren machte.

Es dauerte eine ziemliche Weile, bis es zu einer zusammenhängenden Erzählung des Ereignisses von Seiten Philipp's kam.

Wir waren eben im Einsteigen begriffen, berichtete dieser: als der Wagen des Herrn Grafen wegfuhr. Die Jungfer saß bereits auf dem Rücksitze, Anges wollte gleichfalls einsteigen, ich und Jacques hatten nur noch einen Koffer aus dem Hause zu schaffen, den ich vor mich auf den Kutschersitz nehmen wollte, und im Augenblicke, wo ich zuerst meinen Fuß auf die Stufe vor der Schwelle des Hauses setze, höre ich einen entsetzlichen Schrei, sehe Anges sinken, während eine Gestalt wie ein Schatten um die Ecke des Hauses huscht. Ich lasse gleich den Koffer fallen, schreie Jacques zu: Helft dort! und stürze dem Schatten nach, dort prasselt ein aufgestellter Haufen Holz zusammen, Scheiter fallen auf mich -- aber mich hält nichts zurück, jetzt hart an der Ferse bin ich ihm -- es war eine dunkle Gestalt -- sie will über einen Zaun -- verfängt sich in der Kutte, wendet sich -- ratz! reißt die Kutte in Fetzen, und auf mich stürzt's und ich hab' einen wüthenden Stich in der linken Schulter. Da pack' ich die Hand und breche sie am Gelenke ab, -- sie kracht, aber fest bleiben die Teufelsfinger um den Dolch gekrallt. -- Ich trete den Kerl zusammen, fasse ihn an der Gurgel und stoße ihn gegen eine Mauerwand,

Der Graf eilte in raschen Sätzen die Treppe hinauf und gebot Philipp, ihm sogleich zu folgen. Sophie öffnete die Thüre des Zimmers, in welches sie abgetreten war, Graf Ludwig winkte ihr stumm, zog den Diener in sein Zimmer und stammelte: Sprich! Sprich! Was ist’s mit Angés? Wo habt ihr sie gelassen?

Ach, erschrecken Sie nur nicht allzusehr, gnädiger Herr! stammelte Philipp. Ach, der liebe gute Engel!

Angés! schrie der Graf: was ist’s mit ihr?

Sie ist nicht mehr — sie ist todt — schändlich ermordet!

Todt? Ermordet, sagst du?

Wie ich Ihnen sage, schluchzte Philipp.

Jetzt kam auch die Kammerzofe herauf, überlaut weinend, und da die Prinzessin diese hörte, öffnete sie wieder die Thüre und ließ sie zu sich eintreten; bald wurde auch das junge Herz Sophiens von einer Nachricht erschüttert, die ihr das Blut erstarren machte.

Es dauerte eine ziemliche Weile, bis es zu einer zusammenhängenden Erzählung des Ereignisses von Seiten Philipp’s kam.

Wir waren eben im Einsteigen begriffen, berichtete dieser: als der Wagen des Herrn Grafen wegfuhr. Die Jungfer saß bereits auf dem Rücksitze, Angés wollte gleichfalls einsteigen, ich und Jacques hatten nur noch einen Koffer aus dem Hause zu schaffen, den ich vor mich auf den Kutschersitz nehmen wollte, und im Augenblicke, wo ich zuerst meinen Fuß auf die Stufe vor der Schwelle des Hauses setze, höre ich einen entsetzlichen Schrei, sehe Angés sinken, während eine Gestalt wie ein Schatten um die Ecke des Hauses huscht. Ich lasse gleich den Koffer fallen, schreie Jacques zu: Helft dort! und stürze dem Schatten nach, dort prasselt ein aufgestellter Haufen Holz zusammen, Scheiter fallen auf mich — aber mich hält nichts zurück, jetzt hart an der Ferse bin ich ihm — es war eine dunkle Gestalt — sie will über einen Zaun — verfängt sich in der Kutte, wendet sich — ratz! reißt die Kutte in Fetzen, und auf mich stürzt’s und ich hab’ einen wüthenden Stich in der linken Schulter. Da pack’ ich die Hand und breche sie am Gelenke ab, — sie kracht, aber fest bleiben die Teufelsfinger um den Dolch gekrallt. — Ich trete den Kerl zusammen, fasse ihn an der Gurgel und stoße ihn gegen eine Mauerwand,

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[376/0380] Der Graf eilte in raschen Sätzen die Treppe hinauf und gebot Philipp, ihm sogleich zu folgen. Sophie öffnete die Thüre des Zimmers, in welches sie abgetreten war, Graf Ludwig winkte ihr stumm, zog den Diener in sein Zimmer und stammelte: Sprich! Sprich! Was ist’s mit Angés? Wo habt ihr sie gelassen? Ach, erschrecken Sie nur nicht allzusehr, gnädiger Herr! stammelte Philipp. Ach, der liebe gute Engel! Angés! schrie der Graf: was ist’s mit ihr? Sie ist nicht mehr — sie ist todt — schändlich ermordet! Todt? Ermordet, sagst du? Wie ich Ihnen sage, schluchzte Philipp. Jetzt kam auch die Kammerzofe herauf, überlaut weinend, und da die Prinzessin diese hörte, öffnete sie wieder die Thüre und ließ sie zu sich eintreten; bald wurde auch das junge Herz Sophiens von einer Nachricht erschüttert, die ihr das Blut erstarren machte. Es dauerte eine ziemliche Weile, bis es zu einer zusammenhängenden Erzählung des Ereignisses von Seiten Philipp’s kam. Wir waren eben im Einsteigen begriffen, berichtete dieser: als der Wagen des Herrn Grafen wegfuhr. Die Jungfer saß bereits auf dem Rücksitze, Angés wollte gleichfalls einsteigen, ich und Jacques hatten nur noch einen Koffer aus dem Hause zu schaffen, den ich vor mich auf den Kutschersitz nehmen wollte, und im Augenblicke, wo ich zuerst meinen Fuß auf die Stufe vor der Schwelle des Hauses setze, höre ich einen entsetzlichen Schrei, sehe Angés sinken, während eine Gestalt wie ein Schatten um die Ecke des Hauses huscht. Ich lasse gleich den Koffer fallen, schreie Jacques zu: Helft dort! und stürze dem Schatten nach, dort prasselt ein aufgestellter Haufen Holz zusammen, Scheiter fallen auf mich — aber mich hält nichts zurück, jetzt hart an der Ferse bin ich ihm — es war eine dunkle Gestalt — sie will über einen Zaun — verfängt sich in der Kutte, wendet sich — ratz! reißt die Kutte in Fetzen, und auf mich stürzt’s und ich hab’ einen wüthenden Stich in der linken Schulter. Da pack’ ich die Hand und breche sie am Gelenke ab, — sie kracht, aber fest bleiben die Teufelsfinger um den Dolch gekrallt. — Ich trete den Kerl zusammen, fasse ihn an der Gurgel und stoße ihn gegen eine Mauerwand,

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/380>, abgerufen am 22.11.2024.