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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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äußerst flüchtig gesiegelt war. Er war von der Prinzessin, und diese schrieb ihm: "Fliehen Sie, Graf, fliehen Sie mit Sophie, weit, so weit als Ihnen möglich ist! Retten Sie die Tochter, da der Vater unrettbar verloren ist. In Verzweiflung schreibe ich diese Zeilen. Der Herzog war gewarnt, treu gewarnt, es war verabredet, daß wir morgen oder übermorgen nach Ihrem Aufenthaltsort eilen wollten, vorher aber sollte eine feierliche Erklärung unserer Verbindung auch vor dem Auge der Welt Geltung verschaffen. Es war bereits ein offenkundiges Geheimniß, daß von Seiten Frankreichs dem Herzog nachgestellt und aufgelauert werde, Schaaren von Spionen trieben sich in dem Städtchen herum, Alles war schon ausgekundschaftet, aber keine Warnung fruchtete und statt zu fliehen, ging der Herzog unbesorgt auf die Jagd; den nächsten Tag erst wollte er die Rathschläge seiner Treuen befolgen. Wie Alles so entsetzlich schnell gegangen, weiß ich selbst noch nicht, ich begreife überhaupt Nichts, als daß wir Alle unaussprechlich elend sind! Es wurde Lärm in der Nacht, die ganze Bürgerschaft rannte auf die Straßen, der scheuslichste Verrath ward geübt worden, der Herzog wurde in seiner Wohnung überfallen und gefangen genommen; der Kirchthurm war von Bewaffneten besetzt, damit Niemand Sturm läute, unter meinen Fenstern sah ich meinen geliebten Gemahl im Morgengrauen auf einem Karren vorüberfahren, von Wachen mit Gewehren und blitzenden Bajonetten umgeben -- ach, mir ahnet, ich sah ihn zum Letztenmale! Es mußte ein ganzes Bataillon französischer Soldaten vom Rhein herübergekommen sein, um diesen Landfriedensbruch und gewaltsamen Menschenraub zu verüben. Die Umgebung meines theueren Gemahls war mit verhaftet, -- ach, noch einige Tage vielleicht, und unsere Sophie hat keinen Vater mehr! -- Ich warf mich in einen Wagen, folgte dem Gefangenen bis nach Straßburg, ich flehte meinen Gemahl sprechen zu dürfen, vergebens, ich sah -- ich sprach ihn nicht! Wo sie Henri hinschleppen, weiß ich nicht -- nach Paris ohne Zweifel -- der Löwe verlangt nach dem Blute des letzten Bourbons! -- Gott mit Ihnen -- mit Sophie -- ich kann nicht mehr -- ich bin vernichtet!

Ch."

Der Graf starrte wie betäubt auf den Unglücksbrief! -- So fällt auf mich ein Schlag nach dem andern, sprach er dumpf vor sich hin,

äußerst flüchtig gesiegelt war. Er war von der Prinzessin, und diese schrieb ihm: „Fliehen Sie, Graf, fliehen Sie mit Sophie, weit, so weit als Ihnen möglich ist! Retten Sie die Tochter, da der Vater unrettbar verloren ist. In Verzweiflung schreibe ich diese Zeilen. Der Herzog war gewarnt, treu gewarnt, es war verabredet, daß wir morgen oder übermorgen nach Ihrem Aufenthaltsort eilen wollten, vorher aber sollte eine feierliche Erklärung unserer Verbindung auch vor dem Auge der Welt Geltung verschaffen. Es war bereits ein offenkundiges Geheimniß, daß von Seiten Frankreichs dem Herzog nachgestellt und aufgelauert werde, Schaaren von Spionen trieben sich in dem Städtchen herum, Alles war schon ausgekundschaftet, aber keine Warnung fruchtete und statt zu fliehen, ging der Herzog unbesorgt auf die Jagd; den nächsten Tag erst wollte er die Rathschläge seiner Treuen befolgen. Wie Alles so entsetzlich schnell gegangen, weiß ich selbst noch nicht, ich begreife überhaupt Nichts, als daß wir Alle unaussprechlich elend sind! Es wurde Lärm in der Nacht, die ganze Bürgerschaft rannte auf die Straßen, der scheuslichste Verrath ward geübt worden, der Herzog wurde in seiner Wohnung überfallen und gefangen genommen; der Kirchthurm war von Bewaffneten besetzt, damit Niemand Sturm läute, unter meinen Fenstern sah ich meinen geliebten Gemahl im Morgengrauen auf einem Karren vorüberfahren, von Wachen mit Gewehren und blitzenden Bajonetten umgeben — ach, mir ahnet, ich sah ihn zum Letztenmale! Es mußte ein ganzes Bataillon französischer Soldaten vom Rhein herübergekommen sein, um diesen Landfriedensbruch und gewaltsamen Menschenraub zu verüben. Die Umgebung meines theueren Gemahls war mit verhaftet, — ach, noch einige Tage vielleicht, und unsere Sophie hat keinen Vater mehr! — Ich warf mich in einen Wagen, folgte dem Gefangenen bis nach Straßburg, ich flehte meinen Gemahl sprechen zu dürfen, vergebens, ich sah — ich sprach ihn nicht! Wo sie Henri hinschleppen, weiß ich nicht — nach Paris ohne Zweifel — der Löwe verlangt nach dem Blute des letzten Bourbons! — Gott mit Ihnen — mit Sophie — ich kann nicht mehr — ich bin vernichtet!

Ch.“

Der Graf starrte wie betäubt auf den Unglücksbrief! — So fällt auf mich ein Schlag nach dem andern, sprach er dumpf vor sich hin,

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[385/0389] äußerst flüchtig gesiegelt war. Er war von der Prinzessin, und diese schrieb ihm: „Fliehen Sie, Graf, fliehen Sie mit Sophie, weit, so weit als Ihnen möglich ist! Retten Sie die Tochter, da der Vater unrettbar verloren ist. In Verzweiflung schreibe ich diese Zeilen. Der Herzog war gewarnt, treu gewarnt, es war verabredet, daß wir morgen oder übermorgen nach Ihrem Aufenthaltsort eilen wollten, vorher aber sollte eine feierliche Erklärung unserer Verbindung auch vor dem Auge der Welt Geltung verschaffen. Es war bereits ein offenkundiges Geheimniß, daß von Seiten Frankreichs dem Herzog nachgestellt und aufgelauert werde, Schaaren von Spionen trieben sich in dem Städtchen herum, Alles war schon ausgekundschaftet, aber keine Warnung fruchtete und statt zu fliehen, ging der Herzog unbesorgt auf die Jagd; den nächsten Tag erst wollte er die Rathschläge seiner Treuen befolgen. Wie Alles so entsetzlich schnell gegangen, weiß ich selbst noch nicht, ich begreife überhaupt Nichts, als daß wir Alle unaussprechlich elend sind! Es wurde Lärm in der Nacht, die ganze Bürgerschaft rannte auf die Straßen, der scheuslichste Verrath ward geübt worden, der Herzog wurde in seiner Wohnung überfallen und gefangen genommen; der Kirchthurm war von Bewaffneten besetzt, damit Niemand Sturm läute, unter meinen Fenstern sah ich meinen geliebten Gemahl im Morgengrauen auf einem Karren vorüberfahren, von Wachen mit Gewehren und blitzenden Bajonetten umgeben — ach, mir ahnet, ich sah ihn zum Letztenmale! Es mußte ein ganzes Bataillon französischer Soldaten vom Rhein herübergekommen sein, um diesen Landfriedensbruch und gewaltsamen Menschenraub zu verüben. Die Umgebung meines theueren Gemahls war mit verhaftet, — ach, noch einige Tage vielleicht, und unsere Sophie hat keinen Vater mehr! — Ich warf mich in einen Wagen, folgte dem Gefangenen bis nach Straßburg, ich flehte meinen Gemahl sprechen zu dürfen, vergebens, ich sah — ich sprach ihn nicht! Wo sie Henri hinschleppen, weiß ich nicht — nach Paris ohne Zweifel — der Löwe verlangt nach dem Blute des letzten Bourbons! — Gott mit Ihnen — mit Sophie — ich kann nicht mehr — ich bin vernichtet! Ch.“ Der Graf starrte wie betäubt auf den Unglücksbrief! — So fällt auf mich ein Schlag nach dem andern, sprach er dumpf vor sich hin,

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/389>, abgerufen am 22.11.2024.