Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

Frankfurt verschrieben und es erfolgten nun bisweilen heitre Spazierfahrten Sophiens und Ludwig's mit vier Postpferden, welche jedesmal erst von Hildburghausen nach Eishausen gebracht werden mußten. Bei diesen Fahrten wurde nie die Stadt berührt, indem sich ein Weg, die Mareistraße genannt, in ziemlicher Entfernung um dieselbe herumzog, unmittelbar in die von Coburg über Rodach kommende und nach der Meiningen oder nach Römhild führende Straße einmündete, und zwar ganz in der Nähe des Dörfchens Walrabs, das sich in geringer Entfernung von dieser Straße an eine bewaldete Thalrinne anlehnt. Auch in diesem Dorfe erwarb der Graf ein Haus, und da sich beim Heimfahren nahe dem Stadtberge oder eigentlich an demselben ein umbuschter Berggarten mit Häuschen häufig in einem besonders malerischen Lichte zeigte, so wurde auch dieses käuflich erworben, um zu schöner Jahreszeit einen Ruheplatz daselbst zu haben. Dieser Berggarten bot neben einer der schönsten Aussichten auf die freundliche und wohlgebaute Stadt mit ihrem stattlichen ehemaligen Residenzschloß und Hofgarten, auf die nahe vorbeiziehenden Straßen und auf die ganze friedliche Landschaft, zugleich mancherlei Schattenstellen unter vielen gemischten Holzarten, auch eine zwar nicht lange, doch tief schattende Allee niedriger aber stockstämmiger Kastanienbäume, welche Ludwig ganz eigenthümlich ansprach, indem es ihm war, als habe er schon einmal in dieser Allee gewandelt, aber er konnte sich durchaus nicht besinnen, wann und wo er eine ähnliche Oertlichkeit früher gesehen habe.

Obschon der Graf der Außenwelt stets rege Theilnahme widmete, so mußte er doch mehr und mehr wahrnehmen, wie Nichts Dauer hat auf Erden. Ohne der früheren Freunde zu gedenken, die der Tod ihm in so rascher Folge entrissen, hatte er auch im Laufe der Jahre einen Verlust nach dem andern zu beklagen, deren jeder in seiner Weise unersetzlich für ihn war. In des treuen Philipp's Fußtapfen vermochte schon kein neuer Diener einzutreten. Der Graf wurde daher immer ernster, und es traten ihm nun zuweilen auch die Gedanken an das eigene Scheiden nah, als bald nach einander der redliche Geschäftsführer und der so äußerst gefällige hochgebildete Freund, der Geistliche des Dorfes starb. Als zu ungewöhnlicher Frühstunde die Glocken der Dorfkirche erklangen und den Tod des wackeren Predigers verkündeten, stimmte ihn dieses Geläute zur tiefsten Wehmuth.

Frankfurt verschrieben und es erfolgten nun bisweilen heitre Spazierfahrten Sophiens und Ludwig’s mit vier Postpferden, welche jedesmal erst von Hildburghausen nach Eishausen gebracht werden mußten. Bei diesen Fahrten wurde nie die Stadt berührt, indem sich ein Weg, die Mareistraße genannt, in ziemlicher Entfernung um dieselbe herumzog, unmittelbar in die von Coburg über Rodach kommende und nach der Meiningen oder nach Römhild führende Straße einmündete, und zwar ganz in der Nähe des Dörfchens Walrabs, das sich in geringer Entfernung von dieser Straße an eine bewaldete Thalrinne anlehnt. Auch in diesem Dorfe erwarb der Graf ein Haus, und da sich beim Heimfahren nahe dem Stadtberge oder eigentlich an demselben ein umbuschter Berggarten mit Häuschen häufig in einem besonders malerischen Lichte zeigte, so wurde auch dieses käuflich erworben, um zu schöner Jahreszeit einen Ruheplatz daselbst zu haben. Dieser Berggarten bot neben einer der schönsten Aussichten auf die freundliche und wohlgebaute Stadt mit ihrem stattlichen ehemaligen Residenzschloß und Hofgarten, auf die nahe vorbeiziehenden Straßen und auf die ganze friedliche Landschaft, zugleich mancherlei Schattenstellen unter vielen gemischten Holzarten, auch eine zwar nicht lange, doch tief schattende Allee niedriger aber stockstämmiger Kastanienbäume, welche Ludwig ganz eigenthümlich ansprach, indem es ihm war, als habe er schon einmal in dieser Allee gewandelt, aber er konnte sich durchaus nicht besinnen, wann und wo er eine ähnliche Oertlichkeit früher gesehen habe.

Obschon der Graf der Außenwelt stets rege Theilnahme widmete, so mußte er doch mehr und mehr wahrnehmen, wie Nichts Dauer hat auf Erden. Ohne der früheren Freunde zu gedenken, die der Tod ihm in so rascher Folge entrissen, hatte er auch im Laufe der Jahre einen Verlust nach dem andern zu beklagen, deren jeder in seiner Weise unersetzlich für ihn war. In des treuen Philipp’s Fußtapfen vermochte schon kein neuer Diener einzutreten. Der Graf wurde daher immer ernster, und es traten ihm nun zuweilen auch die Gedanken an das eigene Scheiden nah, als bald nach einander der redliche Geschäftsführer und der so äußerst gefällige hochgebildete Freund, der Geistliche des Dorfes starb. Als zu ungewöhnlicher Frühstunde die Glocken der Dorfkirche erklangen und den Tod des wackeren Predigers verkündeten, stimmte ihn dieses Geläute zur tiefsten Wehmuth.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0451" n="447"/>
Frankfurt verschrieben und es erfolgten nun bisweilen heitre Spazierfahrten Sophiens und Ludwig&#x2019;s mit vier Postpferden, welche jedesmal erst von Hildburghausen nach Eishausen gebracht werden mußten. Bei diesen Fahrten wurde nie die Stadt berührt, indem sich ein Weg, die Mareistraße genannt, in ziemlicher Entfernung um dieselbe herumzog, unmittelbar in die von Coburg über Rodach kommende und nach der Meiningen oder nach Römhild führende Straße einmündete, und zwar ganz in der Nähe des Dörfchens Walrabs, das sich in geringer Entfernung von dieser Straße an eine bewaldete Thalrinne anlehnt. Auch in diesem Dorfe erwarb der Graf ein Haus, und da sich beim Heimfahren nahe dem Stadtberge oder eigentlich an demselben ein umbuschter Berggarten mit Häuschen häufig in einem besonders malerischen Lichte zeigte, so wurde auch dieses käuflich erworben, um zu schöner Jahreszeit einen Ruheplatz daselbst zu haben. Dieser Berggarten bot neben einer der schönsten Aussichten auf die freundliche und wohlgebaute Stadt mit ihrem stattlichen ehemaligen Residenzschloß und Hofgarten, auf die nahe vorbeiziehenden Straßen und auf die ganze friedliche Landschaft, zugleich mancherlei Schattenstellen unter vielen gemischten Holzarten, auch eine zwar nicht lange, doch tief schattende Allee niedriger aber stockstämmiger Kastanienbäume, welche Ludwig ganz eigenthümlich ansprach, indem es ihm war, als habe er schon einmal in dieser Allee gewandelt, aber er konnte sich durchaus nicht besinnen, wann und wo er eine ähnliche Oertlichkeit früher gesehen habe.</p>
          <p>Obschon der Graf der Außenwelt stets rege Theilnahme widmete, so mußte er doch mehr und mehr wahrnehmen, wie Nichts Dauer hat auf Erden. Ohne der früheren Freunde zu gedenken, die der Tod ihm in so rascher Folge entrissen, hatte er auch im Laufe der Jahre einen Verlust nach dem andern zu beklagen, deren jeder in seiner Weise unersetzlich für ihn war. In des treuen Philipp&#x2019;s Fußtapfen vermochte schon kein neuer Diener einzutreten. Der Graf wurde daher immer ernster, und es traten ihm nun zuweilen auch die Gedanken an das eigene Scheiden nah, als bald nach einander der redliche Geschäftsführer und der so äußerst gefällige hochgebildete Freund, der Geistliche des Dorfes starb. Als zu ungewöhnlicher Frühstunde die Glocken der Dorfkirche erklangen und den Tod des wackeren Predigers verkündeten, stimmte ihn dieses Geläute zur tiefsten Wehmuth.
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[447/0451] Frankfurt verschrieben und es erfolgten nun bisweilen heitre Spazierfahrten Sophiens und Ludwig’s mit vier Postpferden, welche jedesmal erst von Hildburghausen nach Eishausen gebracht werden mußten. Bei diesen Fahrten wurde nie die Stadt berührt, indem sich ein Weg, die Mareistraße genannt, in ziemlicher Entfernung um dieselbe herumzog, unmittelbar in die von Coburg über Rodach kommende und nach der Meiningen oder nach Römhild führende Straße einmündete, und zwar ganz in der Nähe des Dörfchens Walrabs, das sich in geringer Entfernung von dieser Straße an eine bewaldete Thalrinne anlehnt. Auch in diesem Dorfe erwarb der Graf ein Haus, und da sich beim Heimfahren nahe dem Stadtberge oder eigentlich an demselben ein umbuschter Berggarten mit Häuschen häufig in einem besonders malerischen Lichte zeigte, so wurde auch dieses käuflich erworben, um zu schöner Jahreszeit einen Ruheplatz daselbst zu haben. Dieser Berggarten bot neben einer der schönsten Aussichten auf die freundliche und wohlgebaute Stadt mit ihrem stattlichen ehemaligen Residenzschloß und Hofgarten, auf die nahe vorbeiziehenden Straßen und auf die ganze friedliche Landschaft, zugleich mancherlei Schattenstellen unter vielen gemischten Holzarten, auch eine zwar nicht lange, doch tief schattende Allee niedriger aber stockstämmiger Kastanienbäume, welche Ludwig ganz eigenthümlich ansprach, indem es ihm war, als habe er schon einmal in dieser Allee gewandelt, aber er konnte sich durchaus nicht besinnen, wann und wo er eine ähnliche Oertlichkeit früher gesehen habe. Obschon der Graf der Außenwelt stets rege Theilnahme widmete, so mußte er doch mehr und mehr wahrnehmen, wie Nichts Dauer hat auf Erden. Ohne der früheren Freunde zu gedenken, die der Tod ihm in so rascher Folge entrissen, hatte er auch im Laufe der Jahre einen Verlust nach dem andern zu beklagen, deren jeder in seiner Weise unersetzlich für ihn war. In des treuen Philipp’s Fußtapfen vermochte schon kein neuer Diener einzutreten. Der Graf wurde daher immer ernster, und es traten ihm nun zuweilen auch die Gedanken an das eigene Scheiden nah, als bald nach einander der redliche Geschäftsführer und der so äußerst gefällige hochgebildete Freund, der Geistliche des Dorfes starb. Als zu ungewöhnlicher Frühstunde die Glocken der Dorfkirche erklangen und den Tod des wackeren Predigers verkündeten, stimmte ihn dieses Geläute zur tiefsten Wehmuth.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML. (2013-01-22T14:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
austrian literature online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-22T14:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-22T14:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/451
Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/451>, abgerufen am 21.05.2024.