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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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Mein Leben, begann jetzt bei frischgefülltem dampfenden Punschnapf Leonardus seine Erzählung: hat mich von früher Jugend an vielfach zu Wasser und zu Lande umhergetrieben. Ich machte als Knabe meine Schulen leidlich durch, und widmete mich dann der Kaufmannschaft mit angeborener Vorliebe, um so mehr, da sie mir jede Annehmlichkeit des Lebens, und durch meines Vaters günstige Verhältnisse eine glückliche und sorgenfreie Zukunft bot und noch bietet. Ich bin mit Wallfischfahrern in Island gewesen, und habe die eisumstarrten Küsten Grönlands und Spitzbergens gesehen; ich war in Stockholm und in Sanct Petersburg, und ebenso in London, Paris, Madrid und Lissabon; bald hatte ich in Geschäftsaufträgen unsers Hauses dieses, bald jenes unserer Schiffe zu begleiten, denn mein Vater wollte, ich solle recht viel erfahren, alle Handelsgeschäfte wie alle Waaren der verschiedenen handeltreibenden Nationen an ihren Stapelplätzen kennen lernen, und ich habe diesen Wunsch erfüllt, so weit es mir möglich war; ich bin auch in Konstantinopel und in der Levante, in Smyrna und in Tiflis gewesen. Mein Vater gibt mir selbst das Zeugniß, daß ich ein tüchtiger Kaufmann geworden sei. Ganz anders aber und ungleich mißlicher steht es um die Erfüllung eines zweiten Wunsches oder sogar Befehles meines verehrten Herrn Vaters. Derselbe sagte zu mir: Versprich mir, mein Sohn, über dein Herz zu wachen, keine Verbindung anzuknüpfen, die meine Pläne mit dir kreuzt, sonst betrübst du mich und gräbst dir die Grube deines Unglücks. Denn wisse, mein guter Sohn, daß ich für dich bereits gewählt habe, und zwar ein sehr liebes Kind, jetzt freilich noch im zarten Alter, das aber zur lieblichen Jungfrau heranblühen wird. Es ist die Tochter meines besten Freundes, du kennst ihn, kennst sie, sie ist die einzige Erbin, und deine Verbindung mit ihr wird der glücklichste der Tage sein, welche ich noch zu erleben hoffe.

So sprach mein Vater, und ich, damals im neunzehnten Jahre stehend, kannte ja nicht die Zaubermacht der Liebe, und leistete unbedacht und unbedenklich das schwere Versprechen. Meine Braut zählte damals erst zehn Jahre und war in der That ein liebreizendes Kind, jetzt aber zählt sie zwanzig Jahre, und harrt vielleicht mit Trauer oder mit Ungeduld auf den die Welt durchschwimmenden Verlobten, und dieser -- --

Mein Leben, begann jetzt bei frischgefülltem dampfenden Punschnapf Leonardus seine Erzählung: hat mich von früher Jugend an vielfach zu Wasser und zu Lande umhergetrieben. Ich machte als Knabe meine Schulen leidlich durch, und widmete mich dann der Kaufmannschaft mit angeborener Vorliebe, um so mehr, da sie mir jede Annehmlichkeit des Lebens, und durch meines Vaters günstige Verhältnisse eine glückliche und sorgenfreie Zukunft bot und noch bietet. Ich bin mit Wallfischfahrern in Island gewesen, und habe die eisumstarrten Küsten Grönlands und Spitzbergens gesehen; ich war in Stockholm und in Sanct Petersburg, und ebenso in London, Paris, Madrid und Lissabon; bald hatte ich in Geschäftsaufträgen unsers Hauses dieses, bald jenes unserer Schiffe zu begleiten, denn mein Vater wollte, ich solle recht viel erfahren, alle Handelsgeschäfte wie alle Waaren der verschiedenen handeltreibenden Nationen an ihren Stapelplätzen kennen lernen, und ich habe diesen Wunsch erfüllt, so weit es mir möglich war; ich bin auch in Konstantinopel und in der Levante, in Smyrna und in Tiflis gewesen. Mein Vater gibt mir selbst das Zeugniß, daß ich ein tüchtiger Kaufmann geworden sei. Ganz anders aber und ungleich mißlicher steht es um die Erfüllung eines zweiten Wunsches oder sogar Befehles meines verehrten Herrn Vaters. Derselbe sagte zu mir: Versprich mir, mein Sohn, über dein Herz zu wachen, keine Verbindung anzuknüpfen, die meine Pläne mit dir kreuzt, sonst betrübst du mich und gräbst dir die Grube deines Unglücks. Denn wisse, mein guter Sohn, daß ich für dich bereits gewählt habe, und zwar ein sehr liebes Kind, jetzt freilich noch im zarten Alter, das aber zur lieblichen Jungfrau heranblühen wird. Es ist die Tochter meines besten Freundes, du kennst ihn, kennst sie, sie ist die einzige Erbin, und deine Verbindung mit ihr wird der glücklichste der Tage sein, welche ich noch zu erleben hoffe.

So sprach mein Vater, und ich, damals im neunzehnten Jahre stehend, kannte ja nicht die Zaubermacht der Liebe, und leistete unbedacht und unbedenklich das schwere Versprechen. Meine Braut zählte damals erst zehn Jahre und war in der That ein liebreizendes Kind, jetzt aber zählt sie zwanzig Jahre, und harrt vielleicht mit Trauer oder mit Ungeduld auf den die Welt durchschwimmenden Verlobten, und dieser — —

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[78/0082] Mein Leben, begann jetzt bei frischgefülltem dampfenden Punschnapf Leonardus seine Erzählung: hat mich von früher Jugend an vielfach zu Wasser und zu Lande umhergetrieben. Ich machte als Knabe meine Schulen leidlich durch, und widmete mich dann der Kaufmannschaft mit angeborener Vorliebe, um so mehr, da sie mir jede Annehmlichkeit des Lebens, und durch meines Vaters günstige Verhältnisse eine glückliche und sorgenfreie Zukunft bot und noch bietet. Ich bin mit Wallfischfahrern in Island gewesen, und habe die eisumstarrten Küsten Grönlands und Spitzbergens gesehen; ich war in Stockholm und in Sanct Petersburg, und ebenso in London, Paris, Madrid und Lissabon; bald hatte ich in Geschäftsaufträgen unsers Hauses dieses, bald jenes unserer Schiffe zu begleiten, denn mein Vater wollte, ich solle recht viel erfahren, alle Handelsgeschäfte wie alle Waaren der verschiedenen handeltreibenden Nationen an ihren Stapelplätzen kennen lernen, und ich habe diesen Wunsch erfüllt, so weit es mir möglich war; ich bin auch in Konstantinopel und in der Levante, in Smyrna und in Tiflis gewesen. Mein Vater gibt mir selbst das Zeugniß, daß ich ein tüchtiger Kaufmann geworden sei. Ganz anders aber und ungleich mißlicher steht es um die Erfüllung eines zweiten Wunsches oder sogar Befehles meines verehrten Herrn Vaters. Derselbe sagte zu mir: Versprich mir, mein Sohn, über dein Herz zu wachen, keine Verbindung anzuknüpfen, die meine Pläne mit dir kreuzt, sonst betrübst du mich und gräbst dir die Grube deines Unglücks. Denn wisse, mein guter Sohn, daß ich für dich bereits gewählt habe, und zwar ein sehr liebes Kind, jetzt freilich noch im zarten Alter, das aber zur lieblichen Jungfrau heranblühen wird. Es ist die Tochter meines besten Freundes, du kennst ihn, kennst sie, sie ist die einzige Erbin, und deine Verbindung mit ihr wird der glücklichste der Tage sein, welche ich noch zu erleben hoffe. So sprach mein Vater, und ich, damals im neunzehnten Jahre stehend, kannte ja nicht die Zaubermacht der Liebe, und leistete unbedacht und unbedenklich das schwere Versprechen. Meine Braut zählte damals erst zehn Jahre und war in der That ein liebreizendes Kind, jetzt aber zählt sie zwanzig Jahre, und harrt vielleicht mit Trauer oder mit Ungeduld auf den die Welt durchschwimmenden Verlobten, und dieser — —

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/82>, abgerufen am 24.11.2024.