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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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entspann sich ein außerordentlich zartes, schönes Verhältniß, der Juwel im Kranze meiner Erinnerungen. Ange's Eltern und ihre Brüder würden es gar zu gern gesehen haben, wenn ich ohne weiteres mich Anges gleich verlobt hätte, denn einmal gefiel ich ihnen, wie ich mir schmeicheln durfte, persönlich, und dann mochte ihr kaufmännischer Sinn wohl berechnen, daß der Sohn des Hauses van der Valck in Amsterdam keine ungeeignete Verbindung mit ihrem Hause in Aussicht stelle. Um nicht mißdeutet zu werden und das junge Glück unserer seligen Liebe nicht selbst zu zerstören, vertraute ich dem älteren Bruder des geliebten Mädchens an, daß ich ohne meines Vaters Einwilligung nicht über meine Hand verfügen könne, wenn auch mein Herz noch so sehr dazu drängte; daß aber Geduld und Ausdauer den Lohn treuer Liebe begründen würden. Ich genoß mein Glück und blieb so lange wie möglich in dem schönen Zweibrücken, und als ich endlich scheiden mußte, wurde fleißiger Briefwechsel zwischen Anges und mir verabredet, und die Aufschriften und Bestimmungsorte der Briefe festgestellt.

Froh und zugleich schmerzhaft bewegt schied ich von der Geliebten, und wir schrieben einander zuweilen, freilich nur in großen Zwischenräumen -- weite Reisen, die wohl ein viertel, ein halbes Jahr lang mich der Heimath entführten, oft in weit entlegene Länder, beeinträchtigten sehr den Briefwechsel mit dem sehnsüchtig auf meine Wiederkehr harrenden geliebten Mädchen, dem ich ja nicht einmal Hoffnung geben konnte, denn in meinem Verhältniß daheim änderte sich nichts. Wohl aber änderte sich viel in dem ihrigen. Sie hielt mich halb und halb für treulos -- ein Franzose, Kaufmann wie ich, kam in ihr älterliches Haus, sah Anges und verliebte sich in sie, die er, wie er glaubte, oder wie man ihm glauben gemacht hatte, als eine junge von ihrem Geliebten verlassene Mutter mit der Pflege eines zarten Kindes, eines Mädchens, beschäftigt fand.

Eines Kindes? rief Ludwig lebhaft aus, und es trat ein jungfräuliches Erröthen auf die Wangen des Jünglings.

Eines anvertrauten Kindes, mein Herr, entgegnete Leonardus mit ernstem Blick, der jeden unlautern Verdacht zurückwies: eines Kindes, das ihr viele Sorgen und doch auch unendliche Freude machte und noch immer macht.

entspann sich ein außerordentlich zartes, schönes Verhältniß, der Juwel im Kranze meiner Erinnerungen. Angé’s Eltern und ihre Brüder würden es gar zu gern gesehen haben, wenn ich ohne weiteres mich Angés gleich verlobt hätte, denn einmal gefiel ich ihnen, wie ich mir schmeicheln durfte, persönlich, und dann mochte ihr kaufmännischer Sinn wohl berechnen, daß der Sohn des Hauses van der Valck in Amsterdam keine ungeeignete Verbindung mit ihrem Hause in Aussicht stelle. Um nicht mißdeutet zu werden und das junge Glück unserer seligen Liebe nicht selbst zu zerstören, vertraute ich dem älteren Bruder des geliebten Mädchens an, daß ich ohne meines Vaters Einwilligung nicht über meine Hand verfügen könne, wenn auch mein Herz noch so sehr dazu drängte; daß aber Geduld und Ausdauer den Lohn treuer Liebe begründen würden. Ich genoß mein Glück und blieb so lange wie möglich in dem schönen Zweibrücken, und als ich endlich scheiden mußte, wurde fleißiger Briefwechsel zwischen Angés und mir verabredet, und die Aufschriften und Bestimmungsorte der Briefe festgestellt.

Froh und zugleich schmerzhaft bewegt schied ich von der Geliebten, und wir schrieben einander zuweilen, freilich nur in großen Zwischenräumen — weite Reisen, die wohl ein viertel, ein halbes Jahr lang mich der Heimath entführten, oft in weit entlegene Länder, beeinträchtigten sehr den Briefwechsel mit dem sehnsüchtig auf meine Wiederkehr harrenden geliebten Mädchen, dem ich ja nicht einmal Hoffnung geben konnte, denn in meinem Verhältniß daheim änderte sich nichts. Wohl aber änderte sich viel in dem ihrigen. Sie hielt mich halb und halb für treulos — ein Franzose, Kaufmann wie ich, kam in ihr älterliches Haus, sah Angés und verliebte sich in sie, die er, wie er glaubte, oder wie man ihm glauben gemacht hatte, als eine junge von ihrem Geliebten verlassene Mutter mit der Pflege eines zarten Kindes, eines Mädchens, beschäftigt fand.

Eines Kindes? rief Ludwig lebhaft aus, und es trat ein jungfräuliches Erröthen auf die Wangen des Jünglings.

Eines anvertrauten Kindes, mein Herr, entgegnete Leonardus mit ernstem Blick, der jeden unlautern Verdacht zurückwies: eines Kindes, das ihr viele Sorgen und doch auch unendliche Freude machte und noch immer macht.

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[82/0086] entspann sich ein außerordentlich zartes, schönes Verhältniß, der Juwel im Kranze meiner Erinnerungen. Angé’s Eltern und ihre Brüder würden es gar zu gern gesehen haben, wenn ich ohne weiteres mich Angés gleich verlobt hätte, denn einmal gefiel ich ihnen, wie ich mir schmeicheln durfte, persönlich, und dann mochte ihr kaufmännischer Sinn wohl berechnen, daß der Sohn des Hauses van der Valck in Amsterdam keine ungeeignete Verbindung mit ihrem Hause in Aussicht stelle. Um nicht mißdeutet zu werden und das junge Glück unserer seligen Liebe nicht selbst zu zerstören, vertraute ich dem älteren Bruder des geliebten Mädchens an, daß ich ohne meines Vaters Einwilligung nicht über meine Hand verfügen könne, wenn auch mein Herz noch so sehr dazu drängte; daß aber Geduld und Ausdauer den Lohn treuer Liebe begründen würden. Ich genoß mein Glück und blieb so lange wie möglich in dem schönen Zweibrücken, und als ich endlich scheiden mußte, wurde fleißiger Briefwechsel zwischen Angés und mir verabredet, und die Aufschriften und Bestimmungsorte der Briefe festgestellt. Froh und zugleich schmerzhaft bewegt schied ich von der Geliebten, und wir schrieben einander zuweilen, freilich nur in großen Zwischenräumen — weite Reisen, die wohl ein viertel, ein halbes Jahr lang mich der Heimath entführten, oft in weit entlegene Länder, beeinträchtigten sehr den Briefwechsel mit dem sehnsüchtig auf meine Wiederkehr harrenden geliebten Mädchen, dem ich ja nicht einmal Hoffnung geben konnte, denn in meinem Verhältniß daheim änderte sich nichts. Wohl aber änderte sich viel in dem ihrigen. Sie hielt mich halb und halb für treulos — ein Franzose, Kaufmann wie ich, kam in ihr älterliches Haus, sah Angés und verliebte sich in sie, die er, wie er glaubte, oder wie man ihm glauben gemacht hatte, als eine junge von ihrem Geliebten verlassene Mutter mit der Pflege eines zarten Kindes, eines Mädchens, beschäftigt fand. Eines Kindes? rief Ludwig lebhaft aus, und es trat ein jungfräuliches Erröthen auf die Wangen des Jünglings. Eines anvertrauten Kindes, mein Herr, entgegnete Leonardus mit ernstem Blick, der jeden unlautern Verdacht zurückwies: eines Kindes, das ihr viele Sorgen und doch auch unendliche Freude machte und noch immer macht.

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/86>, abgerufen am 21.11.2024.