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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Leonardo da Vinci.
seinen Zeitgenossen einstimmig für das grossartigste und bewunde-
rungswürdigste Bildwerk seiner Zeit erklärt wurde, wir wollen nicht
von dem Kunsttheoretiker sprechen, dessen Schriften über Per-
spektive, über Licht und Schatten noch heute als Quellen der Beleh-
rung dienen; uns interessiert Leonardo als der grosse Mechaniker,
welcher grossartige Bauten ausgeführt und veranlasst hat und als
Theoretiker der erste seiner Zeit war. Es würde zu weit führen, den
reichen Schatz seiner physikalischen Kenntnisse und Betrachtungen,
die er in zahlreichen Handschriften illustriert hat, in ihrem ganzen
Umfange zu verfolgen. Seine Erläuterungen über Schwere, Bewegung,
Kraft, über den Hebel, die schiefe Ebene, den freien Fall, die Reibung
[Abbildung] Fig. 304.
[Abbildung] Fig. 305.
und Festigkeit zeigen uns seine klare Auffassung der mechanischen
Grundgesetze. Noch bedeutender war er als Hydrotechniker, nicht
bloss in der Theorie, sondern auch in der Praxis. Er war der be-
rühmteste Wasserbaumeister seiner Zeit. Der grosse Kanal der Marti-
sana in der Lombardei wurde nicht nur von ihm erdacht und ent-
worfen, sondern er leitete zum grossen Teil selbst die technische Aus-
führung. Dass er hierbei durch seine erstaunliche Beobachtungsgabe
und seinem Geschick im Experimentieren zu zahlreichen hydrostatischen
Erfahrungen und Gesetzen geführt wurde, ist natürlich. Eine vor-
treffliche Schrift unter anderen ist seine "Theorie der Wellenbewegung
des Meeres", welche über die Grenzen des Gegenstandes hinaus die
Undulationstheorie -- längst vor Newton -- behandelt. Aber auch
die Praxis auf diesem Gebiete bereicherte Leonardo nach allen
Seiten hin. Er entwickelte die Idee der arthesischen Brunnen und

Leonardo da Vinci.
seinen Zeitgenossen einstimmig für das groſsartigste und bewunde-
rungswürdigste Bildwerk seiner Zeit erklärt wurde, wir wollen nicht
von dem Kunsttheoretiker sprechen, dessen Schriften über Per-
spektive, über Licht und Schatten noch heute als Quellen der Beleh-
rung dienen; uns interessiert Leonardo als der groſse Mechaniker,
welcher groſsartige Bauten ausgeführt und veranlaſst hat und als
Theoretiker der erste seiner Zeit war. Es würde zu weit führen, den
reichen Schatz seiner physikalischen Kenntnisse und Betrachtungen,
die er in zahlreichen Handschriften illustriert hat, in ihrem ganzen
Umfange zu verfolgen. Seine Erläuterungen über Schwere, Bewegung,
Kraft, über den Hebel, die schiefe Ebene, den freien Fall, die Reibung
[Abbildung] Fig. 304.
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und Festigkeit zeigen uns seine klare Auffassung der mechanischen
Grundgesetze. Noch bedeutender war er als Hydrotechniker, nicht
bloſs in der Theorie, sondern auch in der Praxis. Er war der be-
rühmteste Wasserbaumeister seiner Zeit. Der groſse Kanal der Marti-
sana in der Lombardei wurde nicht nur von ihm erdacht und ent-
worfen, sondern er leitete zum groſsen Teil selbst die technische Aus-
führung. Daſs er hierbei durch seine erstaunliche Beobachtungsgabe
und seinem Geschick im Experimentieren zu zahlreichen hydrostatischen
Erfahrungen und Gesetzen geführt wurde, ist natürlich. Eine vor-
treffliche Schrift unter anderen ist seine „Theorie der Wellenbewegung
des Meeres“, welche über die Grenzen des Gegenstandes hinaus die
Undulationstheorie — längst vor Newton — behandelt. Aber auch
die Praxis auf diesem Gebiete bereicherte Leonardo nach allen
Seiten hin. Er entwickelte die Idee der arthesischen Brunnen und

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[987/1009] Leonardo da Vinci. seinen Zeitgenossen einstimmig für das groſsartigste und bewunde- rungswürdigste Bildwerk seiner Zeit erklärt wurde, wir wollen nicht von dem Kunsttheoretiker sprechen, dessen Schriften über Per- spektive, über Licht und Schatten noch heute als Quellen der Beleh- rung dienen; uns interessiert Leonardo als der groſse Mechaniker, welcher groſsartige Bauten ausgeführt und veranlaſst hat und als Theoretiker der erste seiner Zeit war. Es würde zu weit führen, den reichen Schatz seiner physikalischen Kenntnisse und Betrachtungen, die er in zahlreichen Handschriften illustriert hat, in ihrem ganzen Umfange zu verfolgen. Seine Erläuterungen über Schwere, Bewegung, Kraft, über den Hebel, die schiefe Ebene, den freien Fall, die Reibung [Abbildung Fig. 304.] [Abbildung Fig. 305.] und Festigkeit zeigen uns seine klare Auffassung der mechanischen Grundgesetze. Noch bedeutender war er als Hydrotechniker, nicht bloſs in der Theorie, sondern auch in der Praxis. Er war der be- rühmteste Wasserbaumeister seiner Zeit. Der groſse Kanal der Marti- sana in der Lombardei wurde nicht nur von ihm erdacht und ent- worfen, sondern er leitete zum groſsen Teil selbst die technische Aus- führung. Daſs er hierbei durch seine erstaunliche Beobachtungsgabe und seinem Geschick im Experimentieren zu zahlreichen hydrostatischen Erfahrungen und Gesetzen geführt wurde, ist natürlich. Eine vor- treffliche Schrift unter anderen ist seine „Theorie der Wellenbewegung des Meeres“, welche über die Grenzen des Gegenstandes hinaus die Undulationstheorie — längst vor Newton — behandelt. Aber auch die Praxis auf diesem Gebiete bereicherte Leonardo nach allen Seiten hin. Er entwickelte die Idee der arthesischen Brunnen und

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 987. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/1009>, abgerufen am 16.05.2024.