wird. Auch haben sich keine Spuren der Benutzung dieses Metalls gefunden. Es ist auch nichts darüber bekannt, dass Zinnerze jemals in Ägypten gefunden worden wären. Von den benachbarten Ländern, von denen sie Tribut bezogen oder Kriegsbeute errangen, erhielten sie kein Zinn, sonst würde es in den ausführlichen Listen, die uns hierüber erhalten sind, neben den anderen Metallen aufgeführt sein. Auf dem Handelswege wurde es ihnen schwerlich zugeführt. Dies lag in der Art und Weise, wie die Ägypter ihren Handel betrieben.
Der Handel Ägyptens war zwar bedeutend, dennoch waren die Ägypter kein hervorragendes Handelsvolk. Sie wurden mehr und zwar schon in frühester Zeit des Reichtums ihrer Natur und Kunsterzeugnisse wegen von anderen handeltreibenden Völkern aufgesucht, während sie selbst nicht in gleichem Masse fremde Länder aufsuchten. Ägypten bildete einen grossen Markt. Von allen Seiten brachten fremde Händler ihre Waren, um dagegen die Bodenerzeugnisse des Landes, die vorzügliche Leinwand, Glas, Goldwaren u. s. w. einzutauschen. In- folgedessen hatten es die Ägypter weniger nötig selbst Handelsreisen zu unternehmen. Reisen ins Ausland waren auch gegen die Natur und Gewohnheit des Volkes. Die strengen, religiösen Vorschriften in bezug auf Speisen, regelmässige Waschungen u. s. w. machten den Auf- enthalt in der Fremde fast unmöglich. In dieser Hinsicht zeigen sie eine Analogie mit den Israeliten der alten Zeit und einen Gegensatz zu den Phöniziern. Die Nachbarvölker Ägyptens und die Seehandel treibenden Phönizier, Griechen, Etrusker und später die Römer waren es vornehmlich, die mit Ägypten handelten. Da ihnen von diesen Völkern in der älteren Zeit kein Zinn zugeführt wurde, so kannten sie es auch nicht, denn es ist durchaus unwahrscheinlich, dass Ägypten mit einem der entfernten Zinn produzierenden Länder, wie Spanien, England oder Hinterindien in direktem Handelsverkehr gestanden hätte.
Ebensowenig ist etwas darüber bekannt, dass Zinn in den südlichen Grenzländern Ägyptens gefunden wird. War ihnen aber das Zinn als Metall unbekannt und besassen sie keine Zinnerze im Lande, so konnten sie auch nicht die Erfinder der Bronze sein. Vielmehr wurde den Ägyptern das Erz auf dem Handelswege zugeführt und zwar von Asien her, was durch die Inschriften bestätigt wird, in denen man häufig bei der Bezeichnung für Bronze den Zusatz "aus Asien" findet. Die lange fortgesetzte Verwendung des Kupfers zu Werkzeugen spricht umsomehr für diese Annahme, da ihre grossen metallurgischen Kennt- nisse sie zur Verarbeitung der Bronze wohl befähigt hätten. Die Bronze wurde zuerst als Bronzeguss und zwar für Schmuckgeräte und
Ägypten.
wird. Auch haben sich keine Spuren der Benutzung dieses Metalls gefunden. Es ist auch nichts darüber bekannt, daſs Zinnerze jemals in Ägypten gefunden worden wären. Von den benachbarten Ländern, von denen sie Tribut bezogen oder Kriegsbeute errangen, erhielten sie kein Zinn, sonst würde es in den ausführlichen Listen, die uns hierüber erhalten sind, neben den anderen Metallen aufgeführt sein. Auf dem Handelswege wurde es ihnen schwerlich zugeführt. Dies lag in der Art und Weise, wie die Ägypter ihren Handel betrieben.
Der Handel Ägyptens war zwar bedeutend, dennoch waren die Ägypter kein hervorragendes Handelsvolk. Sie wurden mehr und zwar schon in frühester Zeit des Reichtums ihrer Natur und Kunsterzeugnisse wegen von anderen handeltreibenden Völkern aufgesucht, während sie selbst nicht in gleichem Maſse fremde Länder aufsuchten. Ägypten bildete einen groſsen Markt. Von allen Seiten brachten fremde Händler ihre Waren, um dagegen die Bodenerzeugniſse des Landes, die vorzügliche Leinwand, Glas, Goldwaren u. s. w. einzutauschen. In- folgedessen hatten es die Ägypter weniger nötig selbst Handelsreisen zu unternehmen. Reisen ins Ausland waren auch gegen die Natur und Gewohnheit des Volkes. Die strengen, religiösen Vorschriften in bezug auf Speisen, regelmäſsige Waschungen u. s. w. machten den Auf- enthalt in der Fremde fast unmöglich. In dieser Hinsicht zeigen sie eine Analogie mit den Israeliten der alten Zeit und einen Gegensatz zu den Phöniziern. Die Nachbarvölker Ägyptens und die Seehandel treibenden Phönizier, Griechen, Etrusker und später die Römer waren es vornehmlich, die mit Ägypten handelten. Da ihnen von diesen Völkern in der älteren Zeit kein Zinn zugeführt wurde, so kannten sie es auch nicht, denn es ist durchaus unwahrscheinlich, daſs Ägypten mit einem der entfernten Zinn produzierenden Länder, wie Spanien, England oder Hinterindien in direktem Handelsverkehr gestanden hätte.
Ebensowenig ist etwas darüber bekannt, daſs Zinn in den südlichen Grenzländern Ägyptens gefunden wird. War ihnen aber das Zinn als Metall unbekannt und besaſsen sie keine Zinnerze im Lande, so konnten sie auch nicht die Erfinder der Bronze sein. Vielmehr wurde den Ägyptern das Erz auf dem Handelswege zugeführt und zwar von Asien her, was durch die Inschriften bestätigt wird, in denen man häufig bei der Bezeichnung für Bronze den Zusatz „aus Asien“ findet. Die lange fortgesetzte Verwendung des Kupfers zu Werkzeugen spricht umsomehr für diese Annahme, da ihre groſsen metallurgischen Kennt- nisse sie zur Verarbeitung der Bronze wohl befähigt hätten. Die Bronze wurde zuerst als Bronzeguſs und zwar für Schmuckgeräte und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0101"n="79"/><fwplace="top"type="header">Ägypten.</fw><lb/>
wird. Auch haben sich keine Spuren der Benutzung dieses Metalls<lb/>
gefunden. Es ist auch nichts darüber bekannt, daſs Zinnerze jemals<lb/>
in Ägypten gefunden worden wären. Von den benachbarten Ländern,<lb/>
von denen sie Tribut bezogen oder Kriegsbeute errangen, erhielten sie<lb/>
kein Zinn, sonst würde es in den ausführlichen Listen, die uns hierüber<lb/>
erhalten sind, neben den anderen Metallen aufgeführt sein. Auf dem<lb/>
Handelswege wurde es ihnen schwerlich zugeführt. Dies lag in der<lb/>
Art und Weise, wie die Ägypter ihren Handel betrieben.</p><lb/><p>Der <hirendition="#g">Handel Ägyptens</hi> war zwar bedeutend, dennoch waren die<lb/>
Ägypter kein hervorragendes Handelsvolk. Sie wurden mehr und zwar<lb/>
schon in frühester Zeit des Reichtums ihrer Natur und Kunsterzeugnisse<lb/>
wegen von anderen handeltreibenden Völkern aufgesucht, während<lb/>
sie selbst nicht in gleichem Maſse fremde Länder aufsuchten. Ägypten<lb/>
bildete einen groſsen Markt. Von allen Seiten brachten fremde<lb/>
Händler ihre Waren, um dagegen die Bodenerzeugniſse des Landes,<lb/>
die vorzügliche Leinwand, Glas, Goldwaren u. s. w. einzutauschen. In-<lb/>
folgedessen hatten es die Ägypter weniger nötig selbst Handelsreisen<lb/>
zu unternehmen. Reisen ins Ausland waren auch gegen die Natur<lb/>
und Gewohnheit des Volkes. Die strengen, religiösen Vorschriften in<lb/>
bezug auf Speisen, regelmäſsige Waschungen u. s. w. machten den Auf-<lb/>
enthalt in der Fremde fast unmöglich. In dieser Hinsicht zeigen sie<lb/>
eine Analogie mit den Israeliten der alten Zeit und einen Gegensatz<lb/>
zu den Phöniziern. Die Nachbarvölker Ägyptens und die Seehandel<lb/>
treibenden Phönizier, Griechen, Etrusker und später die Römer waren<lb/>
es vornehmlich, die mit Ägypten handelten. Da ihnen von diesen<lb/>
Völkern in der älteren Zeit kein Zinn zugeführt wurde, so kannten sie<lb/>
es auch nicht, denn es ist durchaus unwahrscheinlich, daſs Ägypten<lb/>
mit einem der entfernten Zinn produzierenden Länder, wie Spanien,<lb/>
England oder Hinterindien in direktem Handelsverkehr gestanden hätte.</p><lb/><p>Ebensowenig ist etwas darüber bekannt, daſs Zinn in den südlichen<lb/>
Grenzländern Ägyptens gefunden wird. War ihnen aber das Zinn als<lb/>
Metall unbekannt und besaſsen sie keine Zinnerze im Lande, so konnten<lb/>
sie auch nicht die Erfinder der Bronze sein. Vielmehr wurde den<lb/>
Ägyptern das Erz auf dem Handelswege zugeführt und zwar von Asien<lb/>
her, was durch die Inschriften bestätigt wird, in denen man häufig<lb/>
bei der Bezeichnung für Bronze den Zusatz „aus Asien“ findet. Die<lb/>
lange fortgesetzte Verwendung des Kupfers zu Werkzeugen spricht<lb/>
umsomehr für diese Annahme, da ihre groſsen metallurgischen Kennt-<lb/>
nisse sie zur Verarbeitung der Bronze wohl befähigt hätten. Die<lb/>
Bronze wurde zuerst als Bronzeguſs und zwar für Schmuckgeräte und<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[79/0101]
Ägypten.
wird. Auch haben sich keine Spuren der Benutzung dieses Metalls
gefunden. Es ist auch nichts darüber bekannt, daſs Zinnerze jemals
in Ägypten gefunden worden wären. Von den benachbarten Ländern,
von denen sie Tribut bezogen oder Kriegsbeute errangen, erhielten sie
kein Zinn, sonst würde es in den ausführlichen Listen, die uns hierüber
erhalten sind, neben den anderen Metallen aufgeführt sein. Auf dem
Handelswege wurde es ihnen schwerlich zugeführt. Dies lag in der
Art und Weise, wie die Ägypter ihren Handel betrieben.
Der Handel Ägyptens war zwar bedeutend, dennoch waren die
Ägypter kein hervorragendes Handelsvolk. Sie wurden mehr und zwar
schon in frühester Zeit des Reichtums ihrer Natur und Kunsterzeugnisse
wegen von anderen handeltreibenden Völkern aufgesucht, während
sie selbst nicht in gleichem Maſse fremde Länder aufsuchten. Ägypten
bildete einen groſsen Markt. Von allen Seiten brachten fremde
Händler ihre Waren, um dagegen die Bodenerzeugniſse des Landes,
die vorzügliche Leinwand, Glas, Goldwaren u. s. w. einzutauschen. In-
folgedessen hatten es die Ägypter weniger nötig selbst Handelsreisen
zu unternehmen. Reisen ins Ausland waren auch gegen die Natur
und Gewohnheit des Volkes. Die strengen, religiösen Vorschriften in
bezug auf Speisen, regelmäſsige Waschungen u. s. w. machten den Auf-
enthalt in der Fremde fast unmöglich. In dieser Hinsicht zeigen sie
eine Analogie mit den Israeliten der alten Zeit und einen Gegensatz
zu den Phöniziern. Die Nachbarvölker Ägyptens und die Seehandel
treibenden Phönizier, Griechen, Etrusker und später die Römer waren
es vornehmlich, die mit Ägypten handelten. Da ihnen von diesen
Völkern in der älteren Zeit kein Zinn zugeführt wurde, so kannten sie
es auch nicht, denn es ist durchaus unwahrscheinlich, daſs Ägypten
mit einem der entfernten Zinn produzierenden Länder, wie Spanien,
England oder Hinterindien in direktem Handelsverkehr gestanden hätte.
Ebensowenig ist etwas darüber bekannt, daſs Zinn in den südlichen
Grenzländern Ägyptens gefunden wird. War ihnen aber das Zinn als
Metall unbekannt und besaſsen sie keine Zinnerze im Lande, so konnten
sie auch nicht die Erfinder der Bronze sein. Vielmehr wurde den
Ägyptern das Erz auf dem Handelswege zugeführt und zwar von Asien
her, was durch die Inschriften bestätigt wird, in denen man häufig
bei der Bezeichnung für Bronze den Zusatz „aus Asien“ findet. Die
lange fortgesetzte Verwendung des Kupfers zu Werkzeugen spricht
umsomehr für diese Annahme, da ihre groſsen metallurgischen Kennt-
nisse sie zur Verarbeitung der Bronze wohl befähigt hätten. Die
Bronze wurde zuerst als Bronzeguſs und zwar für Schmuckgeräte und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/101>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.