Phönizien und Israel, die beiden stammverwandten Nachbar- völker, haben eine sehr verschiedene Entwickelung genommen, und doch sind beide die wichtigsten Kulturvölker der Erde, die Lehrer des Menschengeschlechtes geworden, dieses für das sittliche, jenes für das materielle Wohl der Völker.
Phönizien und Israel sind die Blüten des semitischen Stammes, in ihnen hat dieser seine Mission erfüllt und die reiche Erbschaft seiner Bildung den indogermanischen Völkern vermacht. Welche Gegensätze zwischen beiden entsprechend der Doppelnatur im Menschen: die ideale Sehnsucht nach höherer, geistiger Befriedigung bei Israel; die that- kräftige Sinnlichkeit bei den Phöniziern, und wenn auch beide Völker manchmal ihre Rolle vertauscht zu haben scheinen, so verwischt sich der Grundcharakter nicht.
Abraham, der Stammvater der Israeliten, zog auf Jehovas Befehl aus Ur in Mesopotamien. Er ging über den Euphrat und von da süd- wärts in der Richtung der alten Karawanenstrasse, die von Hamath südwärts führt nach dem verheissenen Lande Kanaan. Sein Leben war das eines Nomaden und er zog mit seinen Herden bis nach Ägyp- ten. Aus unbekannten Ursachen wanderte er wieder nordwärts, bis er sich bei Hebron im südlichen Kanaan ankaufte, indem er von dem Fürsten des Landes die Höhle von Machpela und das umliegende Gebiet für 400 Scheckel Silber als Begräbnisstätte für sein Weib Sarah erwarb. Dies war der erste Grundbesitz des Stammvaters von Israel. Die alte Geschichte des jüdischen Volkes ist so mit Sagen und Umdichtungen ausgeschmückt, dass der reale Kern oft schwer zu erkennen ist. Erst von der Zeit des Auszuges aus Ägypten an stehen die Überlieferungen auf festerem, geschichtlichem Boden. Die Israeliten waren, anscheinend infolge wiederholten Misswachses in Kanaan, als eine Schar nomadisieren- der Hirten in Ägypten eingefallen, hatten sich aber dort in einem ihnen von den ägyptischen Herrschern abgetretenen Distrikt, "dem Lande Gosen", vermutlich dem Waddi-Tumailat zwischen dem Nil und dem Nordrande des Roten Meeres, angesiedelt und zum Ackerbau bequemt. Durch irgend ein Ereignis, wahrscheinlich durch schwere Frohndienste, die den Ansiedlern bei dem Bau des grossen Kanals, der den Nil mit dem Roten Meere verbinden sollte, auferlegt worden waren, wurde der ganze Stamm veranlasst, mit Hab und Gut auszuwandern unter Führung ihres grossen Gesetzgebers Moses. Es geschah dies nach Angabe des Verfassers des jüdischen Kalenders, Hillel ha-Nasi II., im Jahre 1312 v. Chr. und zwar unter der Regierung des Königs Menephta, des
Beck, Geschichte des Eisens. 10
Syrien.
Phönizien und Israel, die beiden stammverwandten Nachbar- völker, haben eine sehr verschiedene Entwickelung genommen, und doch sind beide die wichtigsten Kulturvölker der Erde, die Lehrer des Menschengeschlechtes geworden, dieses für das sittliche, jenes für das materielle Wohl der Völker.
Phönizien und Israel sind die Blüten des semitischen Stammes, in ihnen hat dieser seine Mission erfüllt und die reiche Erbschaft seiner Bildung den indogermanischen Völkern vermacht. Welche Gegensätze zwischen beiden entsprechend der Doppelnatur im Menschen: die ideale Sehnsucht nach höherer, geistiger Befriedigung bei Israel; die that- kräftige Sinnlichkeit bei den Phöniziern, und wenn auch beide Völker manchmal ihre Rolle vertauscht zu haben scheinen, so verwischt sich der Grundcharakter nicht.
Abraham, der Stammvater der Israeliten, zog auf Jehovas Befehl aus Ur in Mesopotamien. Er ging über den Euphrat und von da süd- wärts in der Richtung der alten Karawanenstraſse, die von Hamath südwärts führt nach dem verheiſsenen Lande Kanaan. Sein Leben war das eines Nomaden und er zog mit seinen Herden bis nach Ägyp- ten. Aus unbekannten Ursachen wanderte er wieder nordwärts, bis er sich bei Hebron im südlichen Kanaan ankaufte, indem er von dem Fürsten des Landes die Höhle von Machpela und das umliegende Gebiet für 400 Scheckel Silber als Begräbnisstätte für sein Weib Sarah erwarb. Dies war der erste Grundbesitz des Stammvaters von Israel. Die alte Geschichte des jüdischen Volkes ist so mit Sagen und Umdichtungen ausgeschmückt, daſs der reale Kern oft schwer zu erkennen ist. Erst von der Zeit des Auszuges aus Ägypten an stehen die Überlieferungen auf festerem, geschichtlichem Boden. Die Israeliten waren, anscheinend infolge wiederholten Miſswachses in Kanaan, als eine Schar nomadisieren- der Hirten in Ägypten eingefallen, hatten sich aber dort in einem ihnen von den ägyptischen Herrschern abgetretenen Distrikt, „dem Lande Gosen“, vermutlich dem Waddi-Tumailat zwischen dem Nil und dem Nordrande des Roten Meeres, angesiedelt und zum Ackerbau bequemt. Durch irgend ein Ereignis, wahrscheinlich durch schwere Frohndienste, die den Ansiedlern bei dem Bau des groſsen Kanals, der den Nil mit dem Roten Meere verbinden sollte, auferlegt worden waren, wurde der ganze Stamm veranlaſst, mit Hab und Gut auszuwandern unter Führung ihres groſsen Gesetzgebers Moses. Es geschah dies nach Angabe des Verfassers des jüdischen Kalenders, Hillel ha-Nasi II., im Jahre 1312 v. Chr. und zwar unter der Regierung des Königs Menephta, des
Beck, Geschichte des Eisens. 10
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Syrien.
Phönizien und Israel, die beiden stammverwandten Nachbar-
völker, haben eine sehr verschiedene Entwickelung genommen, und
doch sind beide die wichtigsten Kulturvölker der Erde, die Lehrer des
Menschengeschlechtes geworden, dieses für das sittliche, jenes für das
materielle Wohl der Völker.
Phönizien und Israel sind die Blüten des semitischen Stammes, in
ihnen hat dieser seine Mission erfüllt und die reiche Erbschaft seiner
Bildung den indogermanischen Völkern vermacht. Welche Gegensätze
zwischen beiden entsprechend der Doppelnatur im Menschen: die ideale
Sehnsucht nach höherer, geistiger Befriedigung bei Israel; die that-
kräftige Sinnlichkeit bei den Phöniziern, und wenn auch beide Völker
manchmal ihre Rolle vertauscht zu haben scheinen, so verwischt sich
der Grundcharakter nicht.
Abraham, der Stammvater der Israeliten, zog auf Jehovas Befehl
aus Ur in Mesopotamien. Er ging über den Euphrat und von da süd-
wärts in der Richtung der alten Karawanenstraſse, die von Hamath
südwärts führt nach dem verheiſsenen Lande Kanaan. Sein Leben
war das eines Nomaden und er zog mit seinen Herden bis nach Ägyp-
ten. Aus unbekannten Ursachen wanderte er wieder nordwärts, bis er
sich bei Hebron im südlichen Kanaan ankaufte, indem er von dem
Fürsten des Landes die Höhle von Machpela und das umliegende Gebiet
für 400 Scheckel Silber als Begräbnisstätte für sein Weib Sarah erwarb.
Dies war der erste Grundbesitz des Stammvaters von Israel. Die alte
Geschichte des jüdischen Volkes ist so mit Sagen und Umdichtungen
ausgeschmückt, daſs der reale Kern oft schwer zu erkennen ist. Erst
von der Zeit des Auszuges aus Ägypten an stehen die Überlieferungen
auf festerem, geschichtlichem Boden. Die Israeliten waren, anscheinend
infolge wiederholten Miſswachses in Kanaan, als eine Schar nomadisieren-
der Hirten in Ägypten eingefallen, hatten sich aber dort in einem ihnen
von den ägyptischen Herrschern abgetretenen Distrikt, „dem Lande
Gosen“, vermutlich dem Waddi-Tumailat zwischen dem Nil und dem
Nordrande des Roten Meeres, angesiedelt und zum Ackerbau bequemt.
Durch irgend ein Ereignis, wahrscheinlich durch schwere Frohndienste,
die den Ansiedlern bei dem Bau des groſsen Kanals, der den Nil mit
dem Roten Meere verbinden sollte, auferlegt worden waren, wurde der
ganze Stamm veranlaſst, mit Hab und Gut auszuwandern unter Führung
ihres groſsen Gesetzgebers Moses. Es geschah dies nach Angabe des
Verfassers des jüdischen Kalenders, Hillel ha-Nasi II., im Jahre 1312
v. Chr. und zwar unter der Regierung des Königs Menephta, des
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/167>, abgerufen am 04.12.2024.
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