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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Syrien.
wiederfinden, und die Astarte, die wandernde Mondgöttin mit dem
Symbol der Sichel, welche das weibliche Prinzip darstellt, ebenso
finden wir die Götter der Arbeit, die Kabiren, zu denen Kadmos
gehörte, als Daktylen, Telchinen, Kureten etc. in vielen, dem phöni-
zischen Heimatlande weit entfernten Gegenden mehr oder weniger
deutlich wieder. Wenn auch die Wanderungen der Phönizier mit
unserem Gegenstande keinen unmittelbaren Zusammenhang haben, so
sind sie für die Ausbreitung der metallurgischen Kenntnisse doch von so
ausserordentlicher Wichtigkeit, dass wir gezwungen sind, bei ihnen zu
verweilen. Die Schiffahrt der Phönizier war zunächst Küstenschiffahrt.
Einer ihrer höchsten Götter hatte das erste Boot aus einem hohlen
Stamme hergestellt und so die Schiffahrt erfunden. Ihre Ver-
bindungen mit Ägypten waren sehr alt zu Wasser wie zu Lande. In
Ägypten blieben sie indes mehr Händler, obgleich sie in späterer Zeit
dort eigene Häfen hatten. Die erste Kolonie legten sie auf der ihrem
Lande nächsten, sozusagen gegenüberliegenden, reichen Insel Cypern
an. Von Sidon gingen diese ersten Ansiedelungen aus. Von den neun
Königreichen, die auf Cypern bestanden, waren fünf von Sidon ge-
gründet. Cypern lieferte den Phöniziern vor allen anderen Produkten
Kupfer in reichlichen Mengen und galt Cypern im Altertume gewisser-
massen als die Heimat des Kupfers, von dem Namen der Insel leitet
man den Namen des Metalls, das cyprische Erz, cuprum, Kupfer ab 1).

Dass der Einfall der Hyksos in Ägypten und ihre Vertreibung aus
dem Nillande nicht ohne Einfluss auf Kanaan und speziell auf die An-
siedelungen und Auswanderungen von den Hafenstädten der phönizisch-
philisträischen Küste gewesen sind, darf mit Sicherheit angenommen
werden, obgleich der unmittelbare Zusammenhang bis jetzt noch nicht
klar gestellt ist. Die Kolonisation Cyperns gab nicht nur der Industrie
und Handelsthätigkeit Sidons, sondern auch ihrer späteren Kolonial-
politik eine bestimmte Richtung. Wir wissen zwar, dass auch im
Libanon Kupferbergwerke bestanden, dass südlich von Judäa Kupfer-
gruben im Betriebe waren, aber diese waren weder im unmittelbaren
Besitz der Sidonier, noch gaben sie entfernt eine so reiche Ausbeute
wie die Bergwerke auf Cypern. Nur durch letztere wurde Phönizien
zum kupferreichsten Lande der Erde. Von nun an war es wesentlich
der Erwerb von Metallen, der die Phönizier zur Anlage von Kolonieen
reizte. Wann die erste Besiedelung Cyperns stattgefunden hat, ist
noch durchaus unaufgeklärt. Wenn Dunker dafür 2) die Mitte des

1) Der indes, wie zuvor bemerkt, aus der assyrischen Sprache stammt, S. 126.
2) Dunker, Geschichte des Altertums 2, 43.

Syrien.
wiederfinden, und die Astarte, die wandernde Mondgöttin mit dem
Symbol der Sichel, welche das weibliche Prinzip darstellt, ebenso
finden wir die Götter der Arbeit, die Kabiren, zu denen Kadmos
gehörte, als Daktylen, Telchinen, Kureten etc. in vielen, dem phöni-
zischen Heimatlande weit entfernten Gegenden mehr oder weniger
deutlich wieder. Wenn auch die Wanderungen der Phönizier mit
unserem Gegenstande keinen unmittelbaren Zusammenhang haben, so
sind sie für die Ausbreitung der metallurgischen Kenntnisse doch von so
auſserordentlicher Wichtigkeit, daſs wir gezwungen sind, bei ihnen zu
verweilen. Die Schiffahrt der Phönizier war zunächst Küstenschiffahrt.
Einer ihrer höchsten Götter hatte das erste Boot aus einem hohlen
Stamme hergestellt und so die Schiffahrt erfunden. Ihre Ver-
bindungen mit Ägypten waren sehr alt zu Wasser wie zu Lande. In
Ägypten blieben sie indes mehr Händler, obgleich sie in späterer Zeit
dort eigene Häfen hatten. Die erste Kolonie legten sie auf der ihrem
Lande nächsten, sozusagen gegenüberliegenden, reichen Insel Cypern
an. Von Sidon gingen diese ersten Ansiedelungen aus. Von den neun
Königreichen, die auf Cypern bestanden, waren fünf von Sidon ge-
gründet. Cypern lieferte den Phöniziern vor allen anderen Produkten
Kupfer in reichlichen Mengen und galt Cypern im Altertume gewisser-
maſsen als die Heimat des Kupfers, von dem Namen der Insel leitet
man den Namen des Metalls, das cyprische Erz, cuprum, Kupfer ab 1).

Daſs der Einfall der Hyksos in Ägypten und ihre Vertreibung aus
dem Nillande nicht ohne Einfluſs auf Kanaan und speziell auf die An-
siedelungen und Auswanderungen von den Hafenstädten der phönizisch-
philisträischen Küste gewesen sind, darf mit Sicherheit angenommen
werden, obgleich der unmittelbare Zusammenhang bis jetzt noch nicht
klar gestellt ist. Die Kolonisation Cyperns gab nicht nur der Industrie
und Handelsthätigkeit Sidons, sondern auch ihrer späteren Kolonial-
politik eine bestimmte Richtung. Wir wissen zwar, daſs auch im
Libanon Kupferbergwerke bestanden, daſs südlich von Judäa Kupfer-
gruben im Betriebe waren, aber diese waren weder im unmittelbaren
Besitz der Sidonier, noch gaben sie entfernt eine so reiche Ausbeute
wie die Bergwerke auf Cypern. Nur durch letztere wurde Phönizien
zum kupferreichsten Lande der Erde. Von nun an war es wesentlich
der Erwerb von Metallen, der die Phönizier zur Anlage von Kolonieen
reizte. Wann die erste Besiedelung Cyperns stattgefunden hat, ist
noch durchaus unaufgeklärt. Wenn Dunker dafür 2) die Mitte des

1) Der indes, wie zuvor bemerkt, aus der assyrischen Sprache stammt, S. 126.
2) Dunker, Geschichte des Altertums 2, 43.
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[175/0197] Syrien. wiederfinden, und die Astarte, die wandernde Mondgöttin mit dem Symbol der Sichel, welche das weibliche Prinzip darstellt, ebenso finden wir die Götter der Arbeit, die Kabiren, zu denen Kadmos gehörte, als Daktylen, Telchinen, Kureten etc. in vielen, dem phöni- zischen Heimatlande weit entfernten Gegenden mehr oder weniger deutlich wieder. Wenn auch die Wanderungen der Phönizier mit unserem Gegenstande keinen unmittelbaren Zusammenhang haben, so sind sie für die Ausbreitung der metallurgischen Kenntnisse doch von so auſserordentlicher Wichtigkeit, daſs wir gezwungen sind, bei ihnen zu verweilen. Die Schiffahrt der Phönizier war zunächst Küstenschiffahrt. Einer ihrer höchsten Götter hatte das erste Boot aus einem hohlen Stamme hergestellt und so die Schiffahrt erfunden. Ihre Ver- bindungen mit Ägypten waren sehr alt zu Wasser wie zu Lande. In Ägypten blieben sie indes mehr Händler, obgleich sie in späterer Zeit dort eigene Häfen hatten. Die erste Kolonie legten sie auf der ihrem Lande nächsten, sozusagen gegenüberliegenden, reichen Insel Cypern an. Von Sidon gingen diese ersten Ansiedelungen aus. Von den neun Königreichen, die auf Cypern bestanden, waren fünf von Sidon ge- gründet. Cypern lieferte den Phöniziern vor allen anderen Produkten Kupfer in reichlichen Mengen und galt Cypern im Altertume gewisser- maſsen als die Heimat des Kupfers, von dem Namen der Insel leitet man den Namen des Metalls, das cyprische Erz, cuprum, Kupfer ab 1). Daſs der Einfall der Hyksos in Ägypten und ihre Vertreibung aus dem Nillande nicht ohne Einfluſs auf Kanaan und speziell auf die An- siedelungen und Auswanderungen von den Hafenstädten der phönizisch- philisträischen Küste gewesen sind, darf mit Sicherheit angenommen werden, obgleich der unmittelbare Zusammenhang bis jetzt noch nicht klar gestellt ist. Die Kolonisation Cyperns gab nicht nur der Industrie und Handelsthätigkeit Sidons, sondern auch ihrer späteren Kolonial- politik eine bestimmte Richtung. Wir wissen zwar, daſs auch im Libanon Kupferbergwerke bestanden, daſs südlich von Judäa Kupfer- gruben im Betriebe waren, aber diese waren weder im unmittelbaren Besitz der Sidonier, noch gaben sie entfernt eine so reiche Ausbeute wie die Bergwerke auf Cypern. Nur durch letztere wurde Phönizien zum kupferreichsten Lande der Erde. Von nun an war es wesentlich der Erwerb von Metallen, der die Phönizier zur Anlage von Kolonieen reizte. Wann die erste Besiedelung Cyperns stattgefunden hat, ist noch durchaus unaufgeklärt. Wenn Dunker dafür 2) die Mitte des 1) Der indes, wie zuvor bemerkt, aus der assyrischen Sprache stammt, S. 126. 2) Dunker, Geschichte des Altertums 2, 43.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/197>, abgerufen am 28.11.2024.