Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Arier in Asien.
Kampfe der Kuru und Pandu erscheint noch die Kriegskaste als die
wichtigste, die Könige, aus den Kriegern hervorgegangen, bestimmen
alles, die Priester stehen als heilige Sänger im Hintergrunde. Aber
nach der Unterwerfung der schwarzen Urbewohner, "der Schwarzhäute",
der Sutras, wird das Kastenwesen strenger entwickelt, die Priesterkaste
der Brahmanen herrschend. Der Ganges wurde der "heilige Strom". Im
Gangesthale entwickelten sich die Zentren der Macht und des Reich-
tumes Indiens. Die pessimistische Weltanschauung siegte über die
heitere Naturverehrung der Vedas. Manus' Gesetzbuch ist die Grund-
schrift der älteren Brahmareligion. Neben der Seelenwanderung, die
nicht als Strafe erscheint, giebt es nach Manus' Lehre noch 21 Höllen.
Es sei bemerkt, dass von diesen eine "spitziges Eisen", eine andere
"der Schwert geblätterte Wald", eine dritte "die Grube der glühenden
Kohlen" genannt wird. Das wichtigste Mittel zur Heiligung ist die
Askese, durch die aber nur die zwei obersten Kasten zur Heiligkeit
gelangen. Die Reformation Buddhas im sechsten Jahrhundert v. Chr.
war in der Hauptsache ein Protest gegen das Kastenwesen, namentlich
gegen die weitgehenden Vorrechte der Priesterkaste. Die Lehre von
der Liebe zu der ganzen Menschheit und die Aufhebung der Kasten
waren die Fundamente seiner Lehre. Dafür aber führte er das Kloster-
wesen und einen komplizierten Formalismus in seine Religion ein, welche
letztere bald zu geistlosem Formenkram ausartete, der die Veranlassung
wurde, dass der Buddhismus nach langen Kämpfen doch wieder durch
das moderne Brahmanentum (den Wischnu- und Civadienst) aus
Vorderindien verdrängt wurde. Wenden wir uns, nachdem wir nur in
groben Umrissen die Staffage gezeichnet haben, in der sich die indische
Kultur entwickelt hat, speziell zu ihren metallurgischen Kenntnissen.

Gold und Eisen waren die Hauptmetalle der alten Arier. Wir haben
schon darauf hingewiesen, dass das Gold in dem Rigveda häufig erwähnt
wird und besassen die Indier, als sie noch im Fünfstromlande wohnten,
dieses Metall bereits reichlich. Der Sänger Kakschwat rühmt sich 1)
von König Swamaya am Ufer des Indus 100 Gerth Goldes, 100 Rinder,
10 vierspännige Wagen und eine Herde von 1060 Kühen als Preis für
seinen Gesang erhalten zu haben. Mit Gold waren die Pferdegeschirre
geschmückt, golden heisst der Wagen Indras. Es ist merkwürdig, dass
Indien zu allen Zeiten als das Goldland galt, obgleich die Goldgewinnung
im eigenen Lande nie sehr bedeutend gewesen zu sein scheint. Die
arabischen Kaufleute erzählten Wunderdinge von dem Goldreichtume

1) Rigv. I, 126, 23.
14*

Die Arier in Asien.
Kampfe der Kuru und Pandu erscheint noch die Kriegskaste als die
wichtigste, die Könige, aus den Kriegern hervorgegangen, bestimmen
alles, die Priester stehen als heilige Sänger im Hintergrunde. Aber
nach der Unterwerfung der schwarzen Urbewohner, „der Schwarzhäute“,
der Sutras, wird das Kastenwesen strenger entwickelt, die Priesterkaste
der Brahmanen herrschend. Der Ganges wurde der „heilige Strom“. Im
Gangesthale entwickelten sich die Zentren der Macht und des Reich-
tumes Indiens. Die pessimistische Weltanschauung siegte über die
heitere Naturverehrung der Vedas. Manus’ Gesetzbuch ist die Grund-
schrift der älteren Brahmareligion. Neben der Seelenwanderung, die
nicht als Strafe erscheint, giebt es nach Manus’ Lehre noch 21 Höllen.
Es sei bemerkt, daſs von diesen eine „spitziges Eisen“, eine andere
„der Schwert geblätterte Wald“, eine dritte „die Grube der glühenden
Kohlen“ genannt wird. Das wichtigste Mittel zur Heiligung ist die
Askese, durch die aber nur die zwei obersten Kasten zur Heiligkeit
gelangen. Die Reformation Buddhas im sechsten Jahrhundert v. Chr.
war in der Hauptsache ein Protest gegen das Kastenwesen, namentlich
gegen die weitgehenden Vorrechte der Priesterkaste. Die Lehre von
der Liebe zu der ganzen Menschheit und die Aufhebung der Kasten
waren die Fundamente seiner Lehre. Dafür aber führte er das Kloster-
wesen und einen komplizierten Formalismus in seine Religion ein, welche
letztere bald zu geistlosem Formenkram ausartete, der die Veranlassung
wurde, daſs der Buddhismus nach langen Kämpfen doch wieder durch
das moderne Brahmanentum (den Wischnu- und Çivadienst) aus
Vorderindien verdrängt wurde. Wenden wir uns, nachdem wir nur in
groben Umrissen die Staffage gezeichnet haben, in der sich die indische
Kultur entwickelt hat, speziell zu ihren metallurgischen Kenntnissen.

Gold und Eisen waren die Hauptmetalle der alten Arier. Wir haben
schon darauf hingewiesen, daſs das Gold in dem Rigveda häufig erwähnt
wird und besaſsen die Indier, als sie noch im Fünfstromlande wohnten,
dieses Metall bereits reichlich. Der Sänger Kakschwat rühmt sich 1)
von König Swamaya am Ufer des Indus 100 Gerth Goldes, 100 Rinder,
10 vierspännige Wagen und eine Herde von 1060 Kühen als Preis für
seinen Gesang erhalten zu haben. Mit Gold waren die Pferdegeschirre
geschmückt, golden heiſst der Wagen Indras. Es ist merkwürdig, daſs
Indien zu allen Zeiten als das Goldland galt, obgleich die Goldgewinnung
im eigenen Lande nie sehr bedeutend gewesen zu sein scheint. Die
arabischen Kaufleute erzählten Wunderdinge von dem Goldreichtume

1) Rigv. I, 126, 23.
14*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0233" n="211"/><fw place="top" type="header">Die Arier in Asien.</fw><lb/>
Kampfe der Kuru und Pandu erscheint noch die Kriegskaste als die<lb/>
wichtigste, die Könige, aus den Kriegern hervorgegangen, bestimmen<lb/>
alles, die Priester stehen als heilige Sänger im Hintergrunde. Aber<lb/>
nach der Unterwerfung der schwarzen Urbewohner, &#x201E;der Schwarzhäute&#x201C;,<lb/>
der Sutras, wird das Kastenwesen strenger entwickelt, die Priesterkaste<lb/>
der Brahmanen herrschend. Der Ganges wurde der &#x201E;heilige Strom&#x201C;. Im<lb/>
Gangesthale entwickelten sich die Zentren der Macht und des Reich-<lb/>
tumes Indiens. Die pessimistische Weltanschauung siegte über die<lb/>
heitere Naturverehrung der Vedas. Manus&#x2019; Gesetzbuch ist die Grund-<lb/>
schrift der älteren Brahmareligion. Neben der Seelenwanderung, die<lb/>
nicht als Strafe erscheint, giebt es nach Manus&#x2019; Lehre noch 21 Höllen.<lb/>
Es sei bemerkt, da&#x017F;s von diesen eine &#x201E;spitziges Eisen&#x201C;, eine andere<lb/>
&#x201E;der Schwert geblätterte Wald&#x201C;, eine dritte &#x201E;die Grube der glühenden<lb/>
Kohlen&#x201C; genannt wird. Das wichtigste Mittel zur Heiligung ist die<lb/>
Askese, durch die aber nur die zwei obersten Kasten zur Heiligkeit<lb/>
gelangen. Die Reformation Buddhas im sechsten Jahrhundert v. Chr.<lb/>
war in der Hauptsache ein Protest gegen das Kastenwesen, namentlich<lb/>
gegen die weitgehenden Vorrechte der Priesterkaste. Die Lehre von<lb/>
der Liebe zu der ganzen Menschheit und die Aufhebung der Kasten<lb/>
waren die Fundamente seiner Lehre. Dafür aber führte er das Kloster-<lb/>
wesen und einen komplizierten Formalismus in seine Religion ein, welche<lb/>
letztere bald zu geistlosem Formenkram ausartete, der die Veranlassung<lb/>
wurde, da&#x017F;s der Buddhismus nach langen Kämpfen doch wieder durch<lb/>
das moderne Brahmanentum (den Wischnu- und Çivadienst) aus<lb/>
Vorderindien verdrängt wurde. Wenden wir uns, nachdem wir nur in<lb/>
groben Umrissen die Staffage gezeichnet haben, in der sich die indische<lb/>
Kultur entwickelt hat, speziell zu ihren metallurgischen Kenntnissen.</p><lb/>
          <p>Gold und Eisen waren die Hauptmetalle der alten Arier. Wir haben<lb/>
schon darauf hingewiesen, da&#x017F;s das Gold in dem Rigveda häufig erwähnt<lb/>
wird und besa&#x017F;sen die Indier, als sie noch im Fünfstromlande wohnten,<lb/>
dieses Metall bereits reichlich. Der Sänger Kakschwat rühmt sich <note place="foot" n="1)">Rigv. I, 126, 23.</note><lb/>
von König Swamaya am Ufer des Indus 100 Gerth Goldes, 100 Rinder,<lb/>
10 vierspännige Wagen und eine Herde von 1060 Kühen als Preis für<lb/>
seinen Gesang erhalten zu haben. Mit Gold waren die Pferdegeschirre<lb/>
geschmückt, golden hei&#x017F;st der Wagen Indras. Es ist merkwürdig, da&#x017F;s<lb/>
Indien zu allen Zeiten als das Goldland galt, obgleich die Goldgewinnung<lb/>
im eigenen Lande nie sehr bedeutend gewesen zu sein scheint. Die<lb/>
arabischen Kaufleute erzählten Wunderdinge von dem Goldreichtume<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">14*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[211/0233] Die Arier in Asien. Kampfe der Kuru und Pandu erscheint noch die Kriegskaste als die wichtigste, die Könige, aus den Kriegern hervorgegangen, bestimmen alles, die Priester stehen als heilige Sänger im Hintergrunde. Aber nach der Unterwerfung der schwarzen Urbewohner, „der Schwarzhäute“, der Sutras, wird das Kastenwesen strenger entwickelt, die Priesterkaste der Brahmanen herrschend. Der Ganges wurde der „heilige Strom“. Im Gangesthale entwickelten sich die Zentren der Macht und des Reich- tumes Indiens. Die pessimistische Weltanschauung siegte über die heitere Naturverehrung der Vedas. Manus’ Gesetzbuch ist die Grund- schrift der älteren Brahmareligion. Neben der Seelenwanderung, die nicht als Strafe erscheint, giebt es nach Manus’ Lehre noch 21 Höllen. Es sei bemerkt, daſs von diesen eine „spitziges Eisen“, eine andere „der Schwert geblätterte Wald“, eine dritte „die Grube der glühenden Kohlen“ genannt wird. Das wichtigste Mittel zur Heiligung ist die Askese, durch die aber nur die zwei obersten Kasten zur Heiligkeit gelangen. Die Reformation Buddhas im sechsten Jahrhundert v. Chr. war in der Hauptsache ein Protest gegen das Kastenwesen, namentlich gegen die weitgehenden Vorrechte der Priesterkaste. Die Lehre von der Liebe zu der ganzen Menschheit und die Aufhebung der Kasten waren die Fundamente seiner Lehre. Dafür aber führte er das Kloster- wesen und einen komplizierten Formalismus in seine Religion ein, welche letztere bald zu geistlosem Formenkram ausartete, der die Veranlassung wurde, daſs der Buddhismus nach langen Kämpfen doch wieder durch das moderne Brahmanentum (den Wischnu- und Çivadienst) aus Vorderindien verdrängt wurde. Wenden wir uns, nachdem wir nur in groben Umrissen die Staffage gezeichnet haben, in der sich die indische Kultur entwickelt hat, speziell zu ihren metallurgischen Kenntnissen. Gold und Eisen waren die Hauptmetalle der alten Arier. Wir haben schon darauf hingewiesen, daſs das Gold in dem Rigveda häufig erwähnt wird und besaſsen die Indier, als sie noch im Fünfstromlande wohnten, dieses Metall bereits reichlich. Der Sänger Kakschwat rühmt sich 1) von König Swamaya am Ufer des Indus 100 Gerth Goldes, 100 Rinder, 10 vierspännige Wagen und eine Herde von 1060 Kühen als Preis für seinen Gesang erhalten zu haben. Mit Gold waren die Pferdegeschirre geschmückt, golden heiſst der Wagen Indras. Es ist merkwürdig, daſs Indien zu allen Zeiten als das Goldland galt, obgleich die Goldgewinnung im eigenen Lande nie sehr bedeutend gewesen zu sein scheint. Die arabischen Kaufleute erzählten Wunderdinge von dem Goldreichtume 1) Rigv. I, 126, 23. 14*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/233
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/233>, abgerufen am 02.05.2024.