gezweifelt, dass wenigstens hier das Eisen als ein notwendiges Requisit der technischen Arbeit bekannt gewesen sein müsse. Stand mit dieser Annahme, wie mir bewusst war, die Aussage einiger spanischer Ge- schichtsschreiber des 16. Jahrhunderts in Widerspruch, so musste sich nachweisen lassen, entweder, dass sie selber nicht mit der nötigen Um- sicht geurteilt, oder dass Spätere die betreffenden Nachrichten in einem Sinne gedeutet hatten, der ihnen ursprünglich nicht innewohnte. Auch war bekanntlich die kühne Eroberung jener Länder gleichbedeutend mit einer so plötzlichen und absoluten Vernichtung ihrer, ohnehin nur künstlich gehegten, geistigen und materiellen Kultur, dass die ver- spätete Forschung der Europäer bereits nach wenigen Dezennien nur eine in fast undurchdringlichen Nebel gehüllte Vergangenheit vorfand, und leicht zu irrigen Ansichten veranlasst werden konnte.
Unter den mir persönlich näher stehenden Gelehrten teilten die- selbe Überzeugung mit mir sowohl der ausgezeichnete Geograph Amerikas, Professor Wappäus, wie der eminente Technologe, Professor Karmarsch, und namentlich suchte der erstere, meine Kräfte über- schätzend, mich wiederholt zu einer sorgfältigen Durchforschung besonders der älteren Schriftquellen anzuregen. Er gab die Ver- anlassung, dass ich dieser mühevollen und wenig dankbaren Unter- suchung mich unterzog, deren hauptsächlichste Ergebnisse ich bereits im September 1878 in der Generalversammlung der deutschen Ge- schichts- und Altertumsvereine zu Marburg mitteilte, hier aber in erweiterter Behandlung der ganzen Frage folgen lasse, in der Hoffnung damit wenigstens so viel erreicht zu haben, dass vorurteilsfreie Forscher, auch wenn sie nicht in allen Ausführungen mir zuzustimmen vermögen, doch den von mir eingenommenen Standpunkt als einen berechtigten anerkennen und zu erneuerter Prüfung der kulturhistorisch so wichtigen Frage angeregt werden.
Hinsichtlich des literarischen Apparates musste ich mich, was ich ausdrücklich hier betone, leider auf einen verhältnismässig nur kleinen Teil der allgemein zugänglichen älteren und neueren Hauptwerke beschränken, während mir die in Mexiko erschienenen grösstenteils, und die seither nur in einzelnen Handschriften vorhandenen Werke der spanischen Autoren gänzlich entgingen.
Um zunächst zu beginnen mit den unzivilisierten Völkern Amerikas, so lassen sichere Zeugnisse wohl kaum einen Zweifel übrig, dass mehrere derselben, sowohl in Süd- als Nordamerika, ganz wohl mit dem Eisen und seiner Verarbeitung vertraut gewesen sein müssen, ehe sie noch mit europäischer Kultur in Berührung gekommen waren.
Amerika.
gezweifelt, daſs wenigstens hier das Eisen als ein notwendiges Requisit der technischen Arbeit bekannt gewesen sein müsse. Stand mit dieser Annahme, wie mir bewuſst war, die Aussage einiger spanischer Ge- schichtsschreiber des 16. Jahrhunderts in Widerspruch, so muſste sich nachweisen lassen, entweder, daſs sie selber nicht mit der nötigen Um- sicht geurteilt, oder daſs Spätere die betreffenden Nachrichten in einem Sinne gedeutet hatten, der ihnen ursprünglich nicht innewohnte. Auch war bekanntlich die kühne Eroberung jener Länder gleichbedeutend mit einer so plötzlichen und absoluten Vernichtung ihrer, ohnehin nur künstlich gehegten, geistigen und materiellen Kultur, daſs die ver- spätete Forschung der Europäer bereits nach wenigen Dezennien nur eine in fast undurchdringlichen Nebel gehüllte Vergangenheit vorfand, und leicht zu irrigen Ansichten veranlaſst werden konnte.
Unter den mir persönlich näher stehenden Gelehrten teilten die- selbe Überzeugung mit mir sowohl der ausgezeichnete Geograph Amerikas, Professor Wappäus, wie der eminente Technologe, Professor Karmarsch, und namentlich suchte der erstere, meine Kräfte über- schätzend, mich wiederholt zu einer sorgfältigen Durchforschung besonders der älteren Schriftquellen anzuregen. Er gab die Ver- anlassung, daſs ich dieser mühevollen und wenig dankbaren Unter- suchung mich unterzog, deren hauptsächlichste Ergebnisse ich bereits im September 1878 in der Generalversammlung der deutschen Ge- schichts- und Altertumsvereine zu Marburg mitteilte, hier aber in erweiterter Behandlung der ganzen Frage folgen lasse, in der Hoffnung damit wenigstens so viel erreicht zu haben, daſs vorurteilsfreie Forscher, auch wenn sie nicht in allen Ausführungen mir zuzustimmen vermögen, doch den von mir eingenommenen Standpunkt als einen berechtigten anerkennen und zu erneuerter Prüfung der kulturhistorisch so wichtigen Frage angeregt werden.
Hinsichtlich des literarischen Apparates muſste ich mich, was ich ausdrücklich hier betone, leider auf einen verhältnismäſsig nur kleinen Teil der allgemein zugänglichen älteren und neueren Hauptwerke beschränken, während mir die in Mexiko erschienenen gröſstenteils, und die seither nur in einzelnen Handschriften vorhandenen Werke der spanischen Autoren gänzlich entgingen.
Um zunächst zu beginnen mit den unzivilisierten Völkern Amerikas, so lassen sichere Zeugnisse wohl kaum einen Zweifel übrig, daſs mehrere derselben, sowohl in Süd- als Nordamerika, ganz wohl mit dem Eisen und seiner Verarbeitung vertraut gewesen sein müssen, ehe sie noch mit europäischer Kultur in Berührung gekommen waren.
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Amerika.
gezweifelt, daſs wenigstens hier das Eisen als ein notwendiges Requisit
der technischen Arbeit bekannt gewesen sein müsse. Stand mit dieser
Annahme, wie mir bewuſst war, die Aussage einiger spanischer Ge-
schichtsschreiber des 16. Jahrhunderts in Widerspruch, so muſste sich
nachweisen lassen, entweder, daſs sie selber nicht mit der nötigen Um-
sicht geurteilt, oder daſs Spätere die betreffenden Nachrichten in einem
Sinne gedeutet hatten, der ihnen ursprünglich nicht innewohnte. Auch
war bekanntlich die kühne Eroberung jener Länder gleichbedeutend
mit einer so plötzlichen und absoluten Vernichtung ihrer, ohnehin nur
künstlich gehegten, geistigen und materiellen Kultur, daſs die ver-
spätete Forschung der Europäer bereits nach wenigen Dezennien nur
eine in fast undurchdringlichen Nebel gehüllte Vergangenheit vorfand,
und leicht zu irrigen Ansichten veranlaſst werden konnte.
Unter den mir persönlich näher stehenden Gelehrten teilten die-
selbe Überzeugung mit mir sowohl der ausgezeichnete Geograph
Amerikas, Professor Wappäus, wie der eminente Technologe, Professor
Karmarsch, und namentlich suchte der erstere, meine Kräfte über-
schätzend, mich wiederholt zu einer sorgfältigen Durchforschung
besonders der älteren Schriftquellen anzuregen. Er gab die Ver-
anlassung, daſs ich dieser mühevollen und wenig dankbaren Unter-
suchung mich unterzog, deren hauptsächlichste Ergebnisse ich bereits
im September 1878 in der Generalversammlung der deutschen Ge-
schichts- und Altertumsvereine zu Marburg mitteilte, hier aber in
erweiterter Behandlung der ganzen Frage folgen lasse, in der Hoffnung
damit wenigstens so viel erreicht zu haben, daſs vorurteilsfreie Forscher,
auch wenn sie nicht in allen Ausführungen mir zuzustimmen vermögen,
doch den von mir eingenommenen Standpunkt als einen berechtigten
anerkennen und zu erneuerter Prüfung der kulturhistorisch so wichtigen
Frage angeregt werden.
Hinsichtlich des literarischen Apparates muſste ich mich, was ich
ausdrücklich hier betone, leider auf einen verhältnismäſsig nur kleinen
Teil der allgemein zugänglichen älteren und neueren Hauptwerke
beschränken, während mir die in Mexiko erschienenen gröſstenteils,
und die seither nur in einzelnen Handschriften vorhandenen Werke
der spanischen Autoren gänzlich entgingen.
Um zunächst zu beginnen mit den unzivilisierten Völkern Amerikas,
so lassen sichere Zeugnisse wohl kaum einen Zweifel übrig, daſs mehrere
derselben, sowohl in Süd- als Nordamerika, ganz wohl mit dem Eisen
und seiner Verarbeitung vertraut gewesen sein müssen, ehe sie noch
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/366>, abgerufen am 22.11.2024.
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