Höhle des Rohres". Dieses Rohr erinnert an die mit leicht brennbarem Stoffe gefüllten Zünder aus Bambusrohr, wie solche auf Java und in Ostasien noch im Gebrauch sind.
Endlich verdient noch eine andere Figur der griechischen Sage, die mehr Mensch als Gott ist, Erwähnung. Dädalus, der, wenn er auch nicht als Entdecker der Metalle genannt wird, doch als Erfinder von mancherlei Werkzeugen und Handwerkskünsten verehrt wurde. Sein Sagenkreis umfasst besonders Kreta, Attika, Gross-Griechenland und Sicilien. Als der Begründer und Vorstand aller Künstlerinnungen wurde er in Athen verehrt. Er wird als Erfinder der Axt, sowie des Zirkels, des Bohrers und der Setzwage genannt. Seine Schwester Perdix hatte einen Sohn, Talos, der des Dädalus' Schüler und Lehrling war. Dieser Jüngling war so geschickt und erfinderisch, dass sein Meister auf ihn eifersüchtig wurde und als Talos, durch die gezahnte Kinnlade eines Raubfisches veranlasst, die Säge erfand, stürzte ihn Dädalus, von Neid erfüllt, von einem Felsen ins Meer. Es ist dies wohl die älteste Fabel von der Missgunst zwischen Meister und Gesellen.
Diese mythologischen Überlieferungen führen bei den Griechen unmittelbar in das Zeitalter der Nationalhelden, der Heroen, und in die geschichtliche Zeit über. Das erste gemeinschaftliche Unternehmen der hellenischen Stämme war der Argonautenzug, der um 1350 v. Chr. stattgehabt haben soll, zum Teil eine Handelsexpedition, zum Teil ein Raubzug nach dem damals reichen und mächtigen, durch seine Gold- schätze berühmten Kolchis am Schwarzen Meere. Das goldene Fliess (Chrysomallos) erklärt schon der ehrwürdige Agrikola als das Symbol der Goldwäscherei, indem Schafpelze bei der Verwaschung des Goldsandes angewendet wurden, welche angeblich damals in jenem Gebiete des Kaukasus im Schwunge gewesen sein soll. Jedenfalls be- zeugt die Argonautensage den uralten Verkehr Griechenlands mit jenen metallreichen Gestaden des Schwarzen Meeres, von denen ja auch der Stahl bei den Griechen seinen Namen hat 1) und die Homer als das Geburtsland des Silbers bezeichnet 2). Die Nachrichten über die Argo- nautenfahrt sind nicht so alt und nicht so ausführlich wie die über den trojanischen Krieg, immerhin ist es für die Geschichte der Metallurgie von Interesse, dass diese erste Unternehmung der Griechen auf die Gewinnung von Edelmetallen gerichtet war.
Weit wichtiger sind für uns die Überlieferungen, welche sich auf das zweite und wichtigste gemeinschaftliche Unternehmen der griechi-
1) Khalups von den Chalybern.
2) Ilias II, 857.
Griechenland.
Höhle des Rohres“. Dieses Rohr erinnert an die mit leicht brennbarem Stoffe gefüllten Zünder aus Bambusrohr, wie solche auf Java und in Ostasien noch im Gebrauch sind.
Endlich verdient noch eine andere Figur der griechischen Sage, die mehr Mensch als Gott ist, Erwähnung. Dädalus, der, wenn er auch nicht als Entdecker der Metalle genannt wird, doch als Erfinder von mancherlei Werkzeugen und Handwerkskünsten verehrt wurde. Sein Sagenkreis umfaſst besonders Kreta, Attika, Groſs-Griechenland und Sicilien. Als der Begründer und Vorstand aller Künstlerinnungen wurde er in Athen verehrt. Er wird als Erfinder der Axt, sowie des Zirkels, des Bohrers und der Setzwage genannt. Seine Schwester Perdix hatte einen Sohn, Talos, der des Dädalus’ Schüler und Lehrling war. Dieser Jüngling war so geschickt und erfinderisch, daſs sein Meister auf ihn eifersüchtig wurde und als Talos, durch die gezahnte Kinnlade eines Raubfisches veranlaſst, die Säge erfand, stürzte ihn Dädalus, von Neid erfüllt, von einem Felsen ins Meer. Es ist dies wohl die älteste Fabel von der Miſsgunst zwischen Meister und Gesellen.
Diese mythologischen Überlieferungen führen bei den Griechen unmittelbar in das Zeitalter der Nationalhelden, der Heroen, und in die geschichtliche Zeit über. Das erste gemeinschaftliche Unternehmen der hellenischen Stämme war der Argonautenzug, der um 1350 v. Chr. stattgehabt haben soll, zum Teil eine Handelsexpedition, zum Teil ein Raubzug nach dem damals reichen und mächtigen, durch seine Gold- schätze berühmten Kolchis am Schwarzen Meere. Das goldene Flieſs (Chrysomallos) erklärt schon der ehrwürdige Agrikola als das Symbol der Goldwäscherei, indem Schafpelze bei der Verwaschung des Goldsandes angewendet wurden, welche angeblich damals in jenem Gebiete des Kaukasus im Schwunge gewesen sein soll. Jedenfalls be- zeugt die Argonautensage den uralten Verkehr Griechenlands mit jenen metallreichen Gestaden des Schwarzen Meeres, von denen ja auch der Stahl bei den Griechen seinen Namen hat 1) und die Homer als das Geburtsland des Silbers bezeichnet 2). Die Nachrichten über die Argo- nautenfahrt sind nicht so alt und nicht so ausführlich wie die über den trojanischen Krieg, immerhin ist es für die Geschichte der Metallurgie von Interesse, daſs diese erste Unternehmung der Griechen auf die Gewinnung von Edelmetallen gerichtet war.
Weit wichtiger sind für uns die Überlieferungen, welche sich auf das zweite und wichtigste gemeinschaftliche Unternehmen der griechi-
1) Χάλυψ von den Chalybern.
2) Ilias II, 857.
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Griechenland.
Höhle des Rohres“. Dieses Rohr erinnert an die mit leicht brennbarem
Stoffe gefüllten Zünder aus Bambusrohr, wie solche auf Java und in
Ostasien noch im Gebrauch sind.
Endlich verdient noch eine andere Figur der griechischen Sage, die
mehr Mensch als Gott ist, Erwähnung. Dädalus, der, wenn er auch
nicht als Entdecker der Metalle genannt wird, doch als Erfinder von
mancherlei Werkzeugen und Handwerkskünsten verehrt wurde. Sein
Sagenkreis umfaſst besonders Kreta, Attika, Groſs-Griechenland und
Sicilien. Als der Begründer und Vorstand aller Künstlerinnungen wurde
er in Athen verehrt. Er wird als Erfinder der Axt, sowie des Zirkels,
des Bohrers und der Setzwage genannt. Seine Schwester Perdix hatte
einen Sohn, Talos, der des Dädalus’ Schüler und Lehrling war. Dieser
Jüngling war so geschickt und erfinderisch, daſs sein Meister auf ihn
eifersüchtig wurde und als Talos, durch die gezahnte Kinnlade eines
Raubfisches veranlaſst, die Säge erfand, stürzte ihn Dädalus, von Neid
erfüllt, von einem Felsen ins Meer. Es ist dies wohl die älteste Fabel
von der Miſsgunst zwischen Meister und Gesellen.
Diese mythologischen Überlieferungen führen bei den Griechen
unmittelbar in das Zeitalter der Nationalhelden, der Heroen, und in die
geschichtliche Zeit über. Das erste gemeinschaftliche Unternehmen
der hellenischen Stämme war der Argonautenzug, der um 1350 v. Chr.
stattgehabt haben soll, zum Teil eine Handelsexpedition, zum Teil ein
Raubzug nach dem damals reichen und mächtigen, durch seine Gold-
schätze berühmten Kolchis am Schwarzen Meere. Das goldene Flieſs
(Chrysomallos) erklärt schon der ehrwürdige Agrikola als das Symbol
der Goldwäscherei, indem Schafpelze bei der Verwaschung des
Goldsandes angewendet wurden, welche angeblich damals in jenem
Gebiete des Kaukasus im Schwunge gewesen sein soll. Jedenfalls be-
zeugt die Argonautensage den uralten Verkehr Griechenlands mit
jenen metallreichen Gestaden des Schwarzen Meeres, von denen ja auch
der Stahl bei den Griechen seinen Namen hat 1) und die Homer als das
Geburtsland des Silbers bezeichnet 2). Die Nachrichten über die Argo-
nautenfahrt sind nicht so alt und nicht so ausführlich wie die über den
trojanischen Krieg, immerhin ist es für die Geschichte der Metallurgie
von Interesse, daſs diese erste Unternehmung der Griechen auf die
Gewinnung von Edelmetallen gerichtet war.
Weit wichtiger sind für uns die Überlieferungen, welche sich auf
das zweite und wichtigste gemeinschaftliche Unternehmen der griechi-
1) Χάλυψ von den Chalybern.
2) Ilias II, 857.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/402>, abgerufen am 22.11.2024.
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