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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Griechenland.

Unter pelekus versteht Homer meist die Holzaxt, doch auch die
Streitaxt 1), wo es neben axine genannt ist, während, emipelekus "Halb-
axt", wohl das Handbeil ist. Also auch diese wichtigen Geräte, die
Axt und das Handbeil, die wohl fast ein Jedermann besass -- es ist
gerade das niedrige Volk, was in der oben angeführten Stelle an den
Schiffen mit Äxten und Beilen handgemein wird, -- sind von Eisen 2).
Ja Eisen wird geradezu für Beil gebraucht. Bei der Bewaffnung der
Heroen wird das Eisen von Homer dagegen selten erwähnt. Am
häufigsten werden noch Pfeilspitzen von Eisen angeführt 3) und Eisen
steht oft geradezu für die Pfeilspitze 4). Der kurze Dolch und das
Messer waren von Eisen. Antiloches fürchtet, dass der über des
Patrokles Tod verzweifelte Achill sich die Kehle mit dem Eisen durch-
schneide 5). Dagegen geschieht eines eisernen Schwertes nirgend Er-
wähnung und doch heisst es an einer Stelle, dass bei dem heftigen
Kampfgewühle dumpfes Eisengeprassel zum ehernen Himmel empor-
steigt 6) und zweimal kommt in der Odyssee die sprichwörtliche
Redensart vor: "Das Eisen zieht den Mann an" 7). Mit der magnetischen
Kraft von Eisen, wie Eusthat will, hat dies sicherlich nichts zu thun,
sondern es bedeutet: die blanke Waffe reizt zum Streit, zur Unthat.
Unter dieser Waffe kann das Schwert, eher noch der Dolch oder das
Messer gemeint sein, das der Grieche wohl meistens bei sich trug.
Das Schlachtmesser, mit dem Opfertiere getötet werden, ist von
Eisen 8).

Areithoos, ein Held der Vorzeit, verachtet den Bogen und die Lanze,
d. h. den Fernkampf, zerbricht die Reihen der Kämpfenden mit eiserner
Keule 9) (alla sidereie korune Regnuske phalaggas). Das Eisen wird
zu mancherlei anderen Zwecken verwendet, namentlich zu solchen, bei
denen es auf Festigkeit ankommt. Die Achsen der Wagen der Hera
sind von Eisen 10), während die Achsbäume des gewöhnlichen Fuhrwerkes
von Eichenholz waren.

Von Eisen sind die Thore des Tartaros, während die Schwelle von
Kupfer ist 11). Ebenso erwähnt Homer eiserne Fesseln 12). Eisen dient
auch als Tauschmittel. Die Achaier tauschen gegen Eisen Wein ein 13).

Bemerkenswert sind die Beiworte, die Homer dem Eisen giebt. Das

1) Ilias 15, 711.
2) Auch Ilias 7, 485.
3) Ilias 4, 113 toxo de siderou;
Odyssee 21, 61; 19, 587.
4) Ilias 4, 123; 21, 3; Odyssee 21, 96.
5) Ilias
18, 34.
6) Ilias 17, 424.
7) Odyssee 16, 294: ephelketai andra sideros -- wie
auch bei Valerius Flaccus Argon. v. 541 namque virum trahit ipse chalybs.
8) Ilias 23, 30 (doch auch zuweilen von Erz, s. Ilias 3, 292).
9) Ilias 7, 141.
10) Ilias 5, 722.
11) Ilias 8, 15.
12) Odyssee 1, 105.
13) Ilias 7, 472.
Griechenland.

Unter πέλεκύς versteht Homer meist die Holzaxt, doch auch die
Streitaxt 1), wo es neben ἀξίνη genannt ist, während, ἡμιπέλεκυς „Halb-
axt“, wohl das Handbeil ist. Also auch diese wichtigen Geräte, die
Axt und das Handbeil, die wohl fast ein Jedermann besaſs — es ist
gerade das niedrige Volk, was in der oben angeführten Stelle an den
Schiffen mit Äxten und Beilen handgemein wird, — sind von Eisen 2).
Ja Eisen wird geradezu für Beil gebraucht. Bei der Bewaffnung der
Heroen wird das Eisen von Homer dagegen selten erwähnt. Am
häufigsten werden noch Pfeilspitzen von Eisen angeführt 3) und Eisen
steht oft geradezu für die Pfeilspitze 4). Der kurze Dolch und das
Messer waren von Eisen. Antiloches fürchtet, daſs der über des
Patrokles Tod verzweifelte Achill sich die Kehle mit dem Eisen durch-
schneide 5). Dagegen geschieht eines eisernen Schwertes nirgend Er-
wähnung und doch heiſst es an einer Stelle, daſs bei dem heftigen
Kampfgewühle dumpfes Eisengeprassel zum ehernen Himmel empor-
steigt 6) und zweimal kommt in der Odyssee die sprichwörtliche
Redensart vor: „Das Eisen zieht den Mann an“ 7). Mit der magnetischen
Kraft von Eisen, wie Eusthat will, hat dies sicherlich nichts zu thun,
sondern es bedeutet: die blanke Waffe reizt zum Streit, zur Unthat.
Unter dieser Waffe kann das Schwert, eher noch der Dolch oder das
Messer gemeint sein, das der Grieche wohl meistens bei sich trug.
Das Schlachtmesser, mit dem Opfertiere getötet werden, ist von
Eisen 8).

Areïthoos, ein Held der Vorzeit, verachtet den Bogen und die Lanze,
d. h. den Fernkampf, zerbricht die Reihen der Kämpfenden mit eiserner
Keule 9) (ἀλλὰ σιδηρείῃ κορύνῃ ῥήγνυσκε φάλαγγας). Das Eisen wird
zu mancherlei anderen Zwecken verwendet, namentlich zu solchen, bei
denen es auf Festigkeit ankommt. Die Achsen der Wagen der Hera
sind von Eisen 10), während die Achsbäume des gewöhnlichen Fuhrwerkes
von Eichenholz waren.

Von Eisen sind die Thore des Tartaros, während die Schwelle von
Kupfer ist 11). Ebenso erwähnt Homer eiserne Fesseln 12). Eisen dient
auch als Tauschmittel. Die Achaier tauschen gegen Eisen Wein ein 13).

Bemerkenswert sind die Beiworte, die Homer dem Eisen giebt. Das

1) Ilias 15, 711.
2) Auch Ilias 7, 485.
3) Ilias 4, 113 τόξω δὲ σιδήρου;
Odyssee 21, 61; 19, 587.
4) Ilias 4, 123; 21, 3; Odyssee 21, 96.
5) Ilias
18, 34.
6) Ilias 17, 424.
7) Odyssee 16, 294: ἐφέλκεται ἄνδρα σίδηρος — wie
auch bei Valerius Flaccus Argon. v. 541 namque virum trahit ipse chalybs.
8) Ilias 23, 30 (doch auch zuweilen von Erz, s. Ilias 3, 292).
9) Ilias 7, 141.
10) Ilias 5, 722.
11) Ilias 8, 15.
12) Odyssee 1, 105.
13) Ilias 7, 472.
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[404/0426] Griechenland. Unter πέλεκύς versteht Homer meist die Holzaxt, doch auch die Streitaxt 1), wo es neben ἀξίνη genannt ist, während, ἡμιπέλεκυς „Halb- axt“, wohl das Handbeil ist. Also auch diese wichtigen Geräte, die Axt und das Handbeil, die wohl fast ein Jedermann besaſs — es ist gerade das niedrige Volk, was in der oben angeführten Stelle an den Schiffen mit Äxten und Beilen handgemein wird, — sind von Eisen 2). Ja Eisen wird geradezu für Beil gebraucht. Bei der Bewaffnung der Heroen wird das Eisen von Homer dagegen selten erwähnt. Am häufigsten werden noch Pfeilspitzen von Eisen angeführt 3) und Eisen steht oft geradezu für die Pfeilspitze 4). Der kurze Dolch und das Messer waren von Eisen. Antiloches fürchtet, daſs der über des Patrokles Tod verzweifelte Achill sich die Kehle mit dem Eisen durch- schneide 5). Dagegen geschieht eines eisernen Schwertes nirgend Er- wähnung und doch heiſst es an einer Stelle, daſs bei dem heftigen Kampfgewühle dumpfes Eisengeprassel zum ehernen Himmel empor- steigt 6) und zweimal kommt in der Odyssee die sprichwörtliche Redensart vor: „Das Eisen zieht den Mann an“ 7). Mit der magnetischen Kraft von Eisen, wie Eusthat will, hat dies sicherlich nichts zu thun, sondern es bedeutet: die blanke Waffe reizt zum Streit, zur Unthat. Unter dieser Waffe kann das Schwert, eher noch der Dolch oder das Messer gemeint sein, das der Grieche wohl meistens bei sich trug. Das Schlachtmesser, mit dem Opfertiere getötet werden, ist von Eisen 8). Areïthoos, ein Held der Vorzeit, verachtet den Bogen und die Lanze, d. h. den Fernkampf, zerbricht die Reihen der Kämpfenden mit eiserner Keule 9) (ἀλλὰ σιδηρείῃ κορύνῃ ῥήγνυσκε φάλαγγας). Das Eisen wird zu mancherlei anderen Zwecken verwendet, namentlich zu solchen, bei denen es auf Festigkeit ankommt. Die Achsen der Wagen der Hera sind von Eisen 10), während die Achsbäume des gewöhnlichen Fuhrwerkes von Eichenholz waren. Von Eisen sind die Thore des Tartaros, während die Schwelle von Kupfer ist 11). Ebenso erwähnt Homer eiserne Fesseln 12). Eisen dient auch als Tauschmittel. Die Achaier tauschen gegen Eisen Wein ein 13). Bemerkenswert sind die Beiworte, die Homer dem Eisen giebt. Das 1) Ilias 15, 711. 2) Auch Ilias 7, 485. 3) Ilias 4, 113 τόξω δὲ σιδήρου; Odyssee 21, 61; 19, 587. 4) Ilias 4, 123; 21, 3; Odyssee 21, 96. 5) Ilias 18, 34. 6) Ilias 17, 424. 7) Odyssee 16, 294: ἐφέλκεται ἄνδρα σίδηρος — wie auch bei Valerius Flaccus Argon. v. 541 namque virum trahit ipse chalybs. 8) Ilias 23, 30 (doch auch zuweilen von Erz, s. Ilias 3, 292). 9) Ilias 7, 141. 10) Ilias 5, 722. 11) Ilias 8, 15. 12) Odyssee 1, 105. 13) Ilias 7, 472.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/426>, abgerufen am 17.05.2024.