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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Einleitung.
denn auch seit jener Zeit noch viele Meteoritenfälle direkt beobachtet
worden, von denen wir nur einige, durch besondere Umstände bemerkens-
werte, hervorheben wollen. So fiel am 27. Dezember 1848 gegen
Abend bei Schie, Amt Ackershuus in Norwegen, ein Meteorstein auf
das Eis, rikoschettierte und blieb liegen. -- Der Finder des Steins hiess
Dalsplads und wird deshalb dieser Stein oft irrtümlich mit diesem
Namen bezeichnet, während es Regel ist, die Meteoriten nach dem
Fundort zu benennen. -- Am 14. Juli 1860 fiel bei Dhurmsalla in Ost-
indien ein glühender Stein mit geschmolzener Rinde in mehreren
Stücken zur Erde, als man sie aber kurz darauf aufheben wollte, waren
sie so kalt, dass man sie nicht anfassen konnte. Die oberflächliche
Erhitzung, durch Reibung beim Durchfliegen der Atmosphäre entstanden,
war rasch verschwunden, denn der Stein führte die Temperatur des
Weltraumes (-- 50°) mit sich.

Von gediegenem Meteoreisen war das von Klaproth untersuchte
von Agram lange das allein bekannte. 1811 lenkte Professor Neu-
mann
in Prag die Aufmerksamkeit auf einen 191 Pfund schweren
Eisenblock, welcher der Tradition nach bei Elbogen in Böhmen vom
Himmel gefallen war, dort verwahrt wurde und unter dem Namen "der
verwunschene Burggraf" den Mittelpunkt vieler Sagen der Umgegend
bildete. Die chemische Analyse ergab einen Gehalt von 88,2 Tln.
Eisen, 8,5 Tln. Nickel, 0,6 Tln. Kobalt und 2,2 Tln. Phosphor, es
war also ein normales Meteoreisen. Nachdem man die charakteristisch-
sten Eigenschaften des meteorischen Eisens nicht nur in chemischer,
sondern auch in physikalischer Beziehung erkannt hatte, indem v. Wid-
mannstätten
die eigentümliche, krystallinische Struktur, die nach
dem Ätzen der glatten Flächen erscheint und die unter dem Namen
der Widmannstättenschen Figuren bekannt sind, im Jahre 1808 be-
schrieben hatte, so fing man jetzt an, viele alte, längst bekannte Eisen-
blöcke auf ihren meteorischen Charakter zu untersuchen und bei dem
allgemeinen Interesse, welchen der Gegenstand bereits erregte, wurden
auf diese Weise viele neue Eisenmeteoriten aufgefunden: so 1814 der
von Lenarto im Saroser Komitat, 1829 das Eisen von Bohumiliz, be-
sonders aber die zahlreichen Eisenmassen in Amerika zum Teil von
ausserordentlicher Grösse, wie z. B. die von Durango in Mexiko, von der
Humboldt 1811 berichtete, 40000 Pfund schwer, der von Bemdego,
den Domingo da Mota Bothelo schon 1784 entdeckt hatte, unge-
fähr 15000 Pfund, das schon erwähnte Otumbaeisen oder genauer
Tukuman, Rio de la Plata, 1783 von Indianern entdeckt, über
30000 Pfund Gewicht.


Einleitung.
denn auch seit jener Zeit noch viele Meteoritenfälle direkt beobachtet
worden, von denen wir nur einige, durch besondere Umstände bemerkens-
werte, hervorheben wollen. So fiel am 27. Dezember 1848 gegen
Abend bei Schie, Amt Ackershuus in Norwegen, ein Meteorstein auf
das Eis, rikoschettierte und blieb liegen. — Der Finder des Steins hieſs
Dalsplads und wird deshalb dieser Stein oft irrtümlich mit diesem
Namen bezeichnet, während es Regel ist, die Meteoriten nach dem
Fundort zu benennen. — Am 14. Juli 1860 fiel bei Dhurmsalla in Ost-
indien ein glühender Stein mit geschmolzener Rinde in mehreren
Stücken zur Erde, als man sie aber kurz darauf aufheben wollte, waren
sie so kalt, daſs man sie nicht anfassen konnte. Die oberflächliche
Erhitzung, durch Reibung beim Durchfliegen der Atmosphäre entstanden,
war rasch verschwunden, denn der Stein führte die Temperatur des
Weltraumes (— 50°) mit sich.

Von gediegenem Meteoreisen war das von Klaproth untersuchte
von Agram lange das allein bekannte. 1811 lenkte Professor Neu-
mann
in Prag die Aufmerksamkeit auf einen 191 Pfund schweren
Eisenblock, welcher der Tradition nach bei Elbogen in Böhmen vom
Himmel gefallen war, dort verwahrt wurde und unter dem Namen „der
verwunschene Burggraf“ den Mittelpunkt vieler Sagen der Umgegend
bildete. Die chemische Analyse ergab einen Gehalt von 88,2 Tln.
Eisen, 8,5 Tln. Nickel, 0,6 Tln. Kobalt und 2,2 Tln. Phosphor, es
war also ein normales Meteoreisen. Nachdem man die charakteristisch-
sten Eigenschaften des meteorischen Eisens nicht nur in chemischer,
sondern auch in physikalischer Beziehung erkannt hatte, indem v. Wid-
mannstätten
die eigentümliche, krystallinische Struktur, die nach
dem Ätzen der glatten Flächen erscheint und die unter dem Namen
der Widmannstättenschen Figuren bekannt sind, im Jahre 1808 be-
schrieben hatte, so fing man jetzt an, viele alte, längst bekannte Eisen-
blöcke auf ihren meteorischen Charakter zu untersuchen und bei dem
allgemeinen Interesse, welchen der Gegenstand bereits erregte, wurden
auf diese Weise viele neue Eisenmeteoriten aufgefunden: so 1814 der
von Lenarto im Saroser Komitat, 1829 das Eisen von Bohumiliz, be-
sonders aber die zahlreichen Eisenmassen in Amerika zum Teil von
auſserordentlicher Gröſse, wie z. B. die von Durango in Mexiko, von der
Humboldt 1811 berichtete, 40000 Pfund schwer, der von Bemdego,
den Domingo da Mota Bothelo schon 1784 entdeckt hatte, unge-
fähr 15000 Pfund, das schon erwähnte Otumbaeisen oder genauer
Tukuman, Rio de la Plata, 1783 von Indianern entdeckt, über
30000 Pfund Gewicht.


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[22/0044] Einleitung. denn auch seit jener Zeit noch viele Meteoritenfälle direkt beobachtet worden, von denen wir nur einige, durch besondere Umstände bemerkens- werte, hervorheben wollen. So fiel am 27. Dezember 1848 gegen Abend bei Schie, Amt Ackershuus in Norwegen, ein Meteorstein auf das Eis, rikoschettierte und blieb liegen. — Der Finder des Steins hieſs Dalsplads und wird deshalb dieser Stein oft irrtümlich mit diesem Namen bezeichnet, während es Regel ist, die Meteoriten nach dem Fundort zu benennen. — Am 14. Juli 1860 fiel bei Dhurmsalla in Ost- indien ein glühender Stein mit geschmolzener Rinde in mehreren Stücken zur Erde, als man sie aber kurz darauf aufheben wollte, waren sie so kalt, daſs man sie nicht anfassen konnte. Die oberflächliche Erhitzung, durch Reibung beim Durchfliegen der Atmosphäre entstanden, war rasch verschwunden, denn der Stein führte die Temperatur des Weltraumes (— 50°) mit sich. Von gediegenem Meteoreisen war das von Klaproth untersuchte von Agram lange das allein bekannte. 1811 lenkte Professor Neu- mann in Prag die Aufmerksamkeit auf einen 191 Pfund schweren Eisenblock, welcher der Tradition nach bei Elbogen in Böhmen vom Himmel gefallen war, dort verwahrt wurde und unter dem Namen „der verwunschene Burggraf“ den Mittelpunkt vieler Sagen der Umgegend bildete. Die chemische Analyse ergab einen Gehalt von 88,2 Tln. Eisen, 8,5 Tln. Nickel, 0,6 Tln. Kobalt und 2,2 Tln. Phosphor, es war also ein normales Meteoreisen. Nachdem man die charakteristisch- sten Eigenschaften des meteorischen Eisens nicht nur in chemischer, sondern auch in physikalischer Beziehung erkannt hatte, indem v. Wid- mannstätten die eigentümliche, krystallinische Struktur, die nach dem Ätzen der glatten Flächen erscheint und die unter dem Namen der Widmannstättenschen Figuren bekannt sind, im Jahre 1808 be- schrieben hatte, so fing man jetzt an, viele alte, längst bekannte Eisen- blöcke auf ihren meteorischen Charakter zu untersuchen und bei dem allgemeinen Interesse, welchen der Gegenstand bereits erregte, wurden auf diese Weise viele neue Eisenmeteoriten aufgefunden: so 1814 der von Lenarto im Saroser Komitat, 1829 das Eisen von Bohumiliz, be- sonders aber die zahlreichen Eisenmassen in Amerika zum Teil von auſserordentlicher Gröſse, wie z. B. die von Durango in Mexiko, von der Humboldt 1811 berichtete, 40000 Pfund schwer, der von Bemdego, den Domingo da Mota Bothelo schon 1784 entdeckt hatte, unge- fähr 15000 Pfund, das schon erwähnte Otumbaeisen oder genauer Tukuman, Rio de la Plata, 1783 von Indianern entdeckt, über 30000 Pfund Gewicht.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/44>, abgerufen am 21.11.2024.