Da Kreta an Erzen nicht reich ist, so blühte wohl mehr die Ver- arbeitung als die Gewinnung der Metalle. Ein Zeugnis, dass die Ge- werbe in Kreta in alter Zeit auf hoher Stufe standen, sind die Sagen von Minos und Dädalos, deren Heimat Kreta war. Auch die Telchinen waren in Kreta ansässig, ja nach Strabos Mitteilung war hier ihr Ursitz. Sie wären zuerst von Kreta nach Cypern gekommen und von da nach Rhodos ausgewandert, wo sie feste Wohnsitze aufschlugen und der Insel den Namen Telchinis gaben 1). Rhodos hiess vordem Ophiussa und Stasia, dann Telchinis, nach den, die Inseln bewohnenden Telchinen, welche einige für Behexer und Zauberer erklären, die Tiere und Ge- wächse, um sie zu verderben, mit Wasser des Styx besprengten (klingt hier nicht ein alter Hass der Landwirtschaft gegen die Industrie durch?). Andere im Gegenteil sagen, sie wären als ausgezeichnete Künstler von den Kunstfeinden beneidet worden und so in üble Nach- rede geraten; sie wären aber zuerst aus Kreta nach Cyprus, dann nach Rhodos gekommen und hätten zuerst Eisen und Kupfer verarbeitet und so auch dem Kronos seine Sichel verfertigt. Rhodos war besonders berühmt durch seine Waffenfabrikation, welche fakrikmässig betrieben wurde. Es befanden sich grossartige Werkstätten auf der Insel, in denen allerlei Kriegsmaterial, besonders Kriegsmaschinen und Waffen angefertigt wurden. Rhodos und Kreta waren durch ihre Lage Haupt- stationen für den Seeverkehr, der von Phönizien, Cypern und der Süd- küste von Kleinasien nach Westen ging. Auf den nördlich gelegenen Inseln der asiatischen Küste entlang ist der asiatische Einfluss auch noch erkennbar, doch tritt er im allgemeinen zurück gegen den der gegenüberliegenden Bewohner, namentlich der Jonier, Lydier und Phrygier. Auf Samos, Chios und Lesbos blühte, wie in den genannten asiatischen Gebieten das Metallkunstgewerbe, besonders der Erzguss und die Kunstschmiederei in Kupfer und Erz, wir werden später hierauf eingehender zurückkommen. Der Norden von Kleinasien ist dagegen eine alte Heimat der Eisenindustrie, welche weit über die historische Zeit hinausgeht. Die Eisengewinnung der Chalyber haben wir bereits beschrieben. Die Verbindung der Griechen mit jenem Metallgebiete reicht über die homerische Zeit hinaus. Als ältester Sitz der Eisen- gewinnung im Gebiete der Griechen galt, wie oben erwähnt, die nord- westliche Ecke von Kleinasien, speziell das idaische Gebirg nördlich von Troja. Die ältesten Daktylen, die Erfinder des Eisens, hatten hier ihren Sitz. Diejenigen Schriftsteller, welche einen Altersunterschied
1) Strabo XIV, 653.
Griechenland.
Da Kreta an Erzen nicht reich ist, so blühte wohl mehr die Ver- arbeitung als die Gewinnung der Metalle. Ein Zeugnis, daſs die Ge- werbe in Kreta in alter Zeit auf hoher Stufe standen, sind die Sagen von Minos und Dädalos, deren Heimat Kreta war. Auch die Telchinen waren in Kreta ansäſsig, ja nach Strabos Mitteilung war hier ihr Ursitz. Sie wären zuerst von Kreta nach Cypern gekommen und von da nach Rhodos ausgewandert, wo sie feste Wohnsitze aufschlugen und der Insel den Namen Telchinis gaben 1). Rhodos hieſs vordem Ophiussa und Stasia, dann Telchinis, nach den, die Inseln bewohnenden Telchinen, welche einige für Behexer und Zauberer erklären, die Tiere und Ge- wächse, um sie zu verderben, mit Wasser des Styx besprengten (klingt hier nicht ein alter Haſs der Landwirtschaft gegen die Industrie durch?). Andere im Gegenteil sagen, sie wären als ausgezeichnete Künstler von den Kunstfeinden beneidet worden und so in üble Nach- rede geraten; sie wären aber zuerst aus Kreta nach Cyprus, dann nach Rhodos gekommen und hätten zuerst Eisen und Kupfer verarbeitet und so auch dem Kronos seine Sichel verfertigt. Rhodos war besonders berühmt durch seine Waffenfabrikation, welche fakrikmäſsig betrieben wurde. Es befanden sich groſsartige Werkstätten auf der Insel, in denen allerlei Kriegsmaterial, besonders Kriegsmaschinen und Waffen angefertigt wurden. Rhodos und Kreta waren durch ihre Lage Haupt- stationen für den Seeverkehr, der von Phönizien, Cypern und der Süd- küste von Kleinasien nach Westen ging. Auf den nördlich gelegenen Inseln der asiatischen Küste entlang ist der asiatische Einfluſs auch noch erkennbar, doch tritt er im allgemeinen zurück gegen den der gegenüberliegenden Bewohner, namentlich der Jonier, Lydier und Phrygier. Auf Samos, Chios und Lesbos blühte, wie in den genannten asiatischen Gebieten das Metallkunstgewerbe, besonders der Erzguſs und die Kunstschmiederei in Kupfer und Erz, wir werden später hierauf eingehender zurückkommen. Der Norden von Kleinasien ist dagegen eine alte Heimat der Eisenindustrie, welche weit über die historische Zeit hinausgeht. Die Eisengewinnung der Chalyber haben wir bereits beschrieben. Die Verbindung der Griechen mit jenem Metallgebiete reicht über die homerische Zeit hinaus. Als ältester Sitz der Eisen- gewinnung im Gebiete der Griechen galt, wie oben erwähnt, die nord- westliche Ecke von Kleinasien, speziell das idaische Gebirg nördlich von Troja. Die ältesten Daktylen, die Erfinder des Eisens, hatten hier ihren Sitz. Diejenigen Schriftsteller, welche einen Altersunterschied
1) Strabo XIV, 653.
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Griechenland.
Da Kreta an Erzen nicht reich ist, so blühte wohl mehr die Ver-
arbeitung als die Gewinnung der Metalle. Ein Zeugnis, daſs die Ge-
werbe in Kreta in alter Zeit auf hoher Stufe standen, sind die Sagen
von Minos und Dädalos, deren Heimat Kreta war. Auch die Telchinen
waren in Kreta ansäſsig, ja nach Strabos Mitteilung war hier ihr Ursitz.
Sie wären zuerst von Kreta nach Cypern gekommen und von da nach
Rhodos ausgewandert, wo sie feste Wohnsitze aufschlugen und der
Insel den Namen Telchinis gaben 1). Rhodos hieſs vordem Ophiussa
und Stasia, dann Telchinis, nach den, die Inseln bewohnenden Telchinen,
welche einige für Behexer und Zauberer erklären, die Tiere und Ge-
wächse, um sie zu verderben, mit Wasser des Styx besprengten (klingt
hier nicht ein alter Haſs der Landwirtschaft gegen die Industrie
durch?). Andere im Gegenteil sagen, sie wären als ausgezeichnete
Künstler von den Kunstfeinden beneidet worden und so in üble Nach-
rede geraten; sie wären aber zuerst aus Kreta nach Cyprus, dann nach
Rhodos gekommen und hätten zuerst Eisen und Kupfer verarbeitet und
so auch dem Kronos seine Sichel verfertigt. Rhodos war besonders
berühmt durch seine Waffenfabrikation, welche fakrikmäſsig betrieben
wurde. Es befanden sich groſsartige Werkstätten auf der Insel, in
denen allerlei Kriegsmaterial, besonders Kriegsmaschinen und Waffen
angefertigt wurden. Rhodos und Kreta waren durch ihre Lage Haupt-
stationen für den Seeverkehr, der von Phönizien, Cypern und der Süd-
küste von Kleinasien nach Westen ging. Auf den nördlich gelegenen
Inseln der asiatischen Küste entlang ist der asiatische Einfluſs auch
noch erkennbar, doch tritt er im allgemeinen zurück gegen den der
gegenüberliegenden Bewohner, namentlich der Jonier, Lydier und
Phrygier. Auf Samos, Chios und Lesbos blühte, wie in den genannten
asiatischen Gebieten das Metallkunstgewerbe, besonders der Erzguſs
und die Kunstschmiederei in Kupfer und Erz, wir werden später hierauf
eingehender zurückkommen. Der Norden von Kleinasien ist dagegen
eine alte Heimat der Eisenindustrie, welche weit über die historische
Zeit hinausgeht. Die Eisengewinnung der Chalyber haben wir bereits
beschrieben. Die Verbindung der Griechen mit jenem Metallgebiete
reicht über die homerische Zeit hinaus. Als ältester Sitz der Eisen-
gewinnung im Gebiete der Griechen galt, wie oben erwähnt, die nord-
westliche Ecke von Kleinasien, speziell das idaische Gebirg nördlich
von Troja. Die ältesten Daktylen, die Erfinder des Eisens, hatten hier
ihren Sitz. Diejenigen Schriftsteller, welche einen Altersunterschied
1) Strabo XIV, 653.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/443>, abgerufen am 22.11.2024.
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