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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Griechenland.
scheint dies nur zu bestätigen. Es heisst dort1): "Es schmilzt aber
selbst auch das bearbeitete Eisen, so dass es flüssig und wieder fest
wird und so entsteht der Stahl, während die Schlacken sich
abscheiden und zu Boden ziehen
. Je öfter man dies wieder-
holt, je reiner wird der Stahl. Das Eisen aber ist um so besser, je
weniger Unreinigkeit es enthält. Jedoch hat diese Reinigung ihre
Grenze, da es bei öfterer Wiederholung zu viel von seinem Gewichte
verliert."

Der Anfang dieser Stelle liesse sich wohl auf die indische Stahl-
bereitungsmethode beziehen, wenn dem nicht die Bemerkung folgte,
dass die Schlacke sich unter dem Stahl an den Boden ziehe. Dies
kann nur bei der Bildung einer Luppe, beim Aufbrechen oder Aus-
heizen in einem Herdofen geschehen, wie es denn auch deutlich heisst,
dass die Schlacke sich unter das wieder fest gewordene Eisen zu Boden
zieht. Auch diese Stelle lässt sich daher nur auf eine feste Luppe
beziehen, unter der die Schlacke abgestochen werden kann. Das
"bearbeitete Eisen" ist wohl die vorgeschmiedete Rohluppe, welche
allerdings durch das weitere Ausheizen einer fortgesetzten Reinigung
unterworfen wurde. Selbst das Hinzufügen des Steines Pyromachus
unterstützt diese Auffassung.

Nach der Darstellung des Aristoteles geschah dieses nur, wenn
Stahl erhalten werden sollte und durchaus mit Recht, da zur Stahl-
erzeugung eine grössere Schlackenmenge notwendig ist, die das Eisen
vor dem Winde und vor weitergehender Entkohlung schützt. Der
Stein Pyromachus (der mit dem Feuer kämpft) hinter dem ältere
Kommentatoren sehr geheimnisvolle Stoffe zu finden glaubten, war
deshalb gewiss weiter nichts als ein Schlacke bildendes Flussmittel,
wenn es nicht gar, was dem modernen Standpunkte am nächsten läge,
eine eisenreiche Frisch- oder Schweissschlacke gewesen ist. Die An-
sicht, dass Pyromachus Pyrit, Eisenkies, sei, ist absurd und nur die
Ähnlichkeit der Worte kann dazu verleitet haben. Auch dass er
Braunstein gewesen sei, ist eine ganz willkürliche und unbegründete
Annahme. Aristoteles stellt ihn vielmehr auf eine Linie mit den Mühl-
steinen (oi muliai2) und begreift unter beiden Bezeichnungen Steinarten,
die für sich schmelzen, gerade wie oben Theophrast sagt. Er bemerkt, der
Pyromachus erstarre nach der Schmelzung wieder zu einem festen
Steine; der "Mühlstein" schmelze auch, bekomme aber durch das
Schmelzen eine schwarze Farbe und werde zerreiblich wie gebrannter

1) Aristoteles, Meteorologie, lib. IV, c. 6, 9.
2) Aristoteles, Meteorol. lib. IV,
c. 6, 11 u. 12.

Griechenland.
scheint dies nur zu bestätigen. Es heiſst dort1): „Es schmilzt aber
selbst auch das bearbeitete Eisen, so daſs es flüssig und wieder fest
wird und so entsteht der Stahl, während die Schlacken sich
abscheiden und zu Boden ziehen
. Je öfter man dies wieder-
holt, je reiner wird der Stahl. Das Eisen aber ist um so besser, je
weniger Unreinigkeit es enthält. Jedoch hat diese Reinigung ihre
Grenze, da es bei öfterer Wiederholung zu viel von seinem Gewichte
verliert.“

Der Anfang dieser Stelle lieſse sich wohl auf die indische Stahl-
bereitungsmethode beziehen, wenn dem nicht die Bemerkung folgte,
daſs die Schlacke sich unter dem Stahl an den Boden ziehe. Dies
kann nur bei der Bildung einer Luppe, beim Aufbrechen oder Aus-
heizen in einem Herdofen geschehen, wie es denn auch deutlich heiſst,
daſs die Schlacke sich unter das wieder fest gewordene Eisen zu Boden
zieht. Auch diese Stelle läſst sich daher nur auf eine feste Luppe
beziehen, unter der die Schlacke abgestochen werden kann. Das
„bearbeitete Eisen“ ist wohl die vorgeschmiedete Rohluppe, welche
allerdings durch das weitere Ausheizen einer fortgesetzten Reinigung
unterworfen wurde. Selbst das Hinzufügen des Steines Pyromachus
unterstützt diese Auffassung.

Nach der Darstellung des Aristoteles geschah dieses nur, wenn
Stahl erhalten werden sollte und durchaus mit Recht, da zur Stahl-
erzeugung eine gröſsere Schlackenmenge notwendig ist, die das Eisen
vor dem Winde und vor weitergehender Entkohlung schützt. Der
Stein Pyromachus (der mit dem Feuer kämpft) hinter dem ältere
Kommentatoren sehr geheimnisvolle Stoffe zu finden glaubten, war
deshalb gewiſs weiter nichts als ein Schlacke bildendes Fluſsmittel,
wenn es nicht gar, was dem modernen Standpunkte am nächsten läge,
eine eisenreiche Frisch- oder Schweiſsschlacke gewesen ist. Die An-
sicht, daſs Pyromachus Pyrit, Eisenkies, sei, ist absurd und nur die
Ähnlichkeit der Worte kann dazu verleitet haben. Auch daſs er
Braunstein gewesen sei, ist eine ganz willkürliche und unbegründete
Annahme. Aristoteles stellt ihn vielmehr auf eine Linie mit den Mühl-
steinen (οἱ μυλίαι2) und begreift unter beiden Bezeichnungen Steinarten,
die für sich schmelzen, gerade wie oben Theophrast sagt. Er bemerkt, der
Pyromachus erstarre nach der Schmelzung wieder zu einem festen
Steine; der „Mühlstein“ schmelze auch, bekomme aber durch das
Schmelzen eine schwarze Farbe und werde zerreiblich wie gebrannter

1) Aristoteles, Meteorologie, lib. IV, c. 6, 9.
2) Aristoteles, Meteorol. lib. IV,
c. 6, 11 u. 12.
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[460/0482] Griechenland. scheint dies nur zu bestätigen. Es heiſst dort 1): „Es schmilzt aber selbst auch das bearbeitete Eisen, so daſs es flüssig und wieder fest wird und so entsteht der Stahl, während die Schlacken sich abscheiden und zu Boden ziehen. Je öfter man dies wieder- holt, je reiner wird der Stahl. Das Eisen aber ist um so besser, je weniger Unreinigkeit es enthält. Jedoch hat diese Reinigung ihre Grenze, da es bei öfterer Wiederholung zu viel von seinem Gewichte verliert.“ Der Anfang dieser Stelle lieſse sich wohl auf die indische Stahl- bereitungsmethode beziehen, wenn dem nicht die Bemerkung folgte, daſs die Schlacke sich unter dem Stahl an den Boden ziehe. Dies kann nur bei der Bildung einer Luppe, beim Aufbrechen oder Aus- heizen in einem Herdofen geschehen, wie es denn auch deutlich heiſst, daſs die Schlacke sich unter das wieder fest gewordene Eisen zu Boden zieht. Auch diese Stelle läſst sich daher nur auf eine feste Luppe beziehen, unter der die Schlacke abgestochen werden kann. Das „bearbeitete Eisen“ ist wohl die vorgeschmiedete Rohluppe, welche allerdings durch das weitere Ausheizen einer fortgesetzten Reinigung unterworfen wurde. Selbst das Hinzufügen des Steines Pyromachus unterstützt diese Auffassung. Nach der Darstellung des Aristoteles geschah dieses nur, wenn Stahl erhalten werden sollte und durchaus mit Recht, da zur Stahl- erzeugung eine gröſsere Schlackenmenge notwendig ist, die das Eisen vor dem Winde und vor weitergehender Entkohlung schützt. Der Stein Pyromachus (der mit dem Feuer kämpft) hinter dem ältere Kommentatoren sehr geheimnisvolle Stoffe zu finden glaubten, war deshalb gewiſs weiter nichts als ein Schlacke bildendes Fluſsmittel, wenn es nicht gar, was dem modernen Standpunkte am nächsten läge, eine eisenreiche Frisch- oder Schweiſsschlacke gewesen ist. Die An- sicht, daſs Pyromachus Pyrit, Eisenkies, sei, ist absurd und nur die Ähnlichkeit der Worte kann dazu verleitet haben. Auch daſs er Braunstein gewesen sei, ist eine ganz willkürliche und unbegründete Annahme. Aristoteles stellt ihn vielmehr auf eine Linie mit den Mühl- steinen (οἱ μυλίαι 2) und begreift unter beiden Bezeichnungen Steinarten, die für sich schmelzen, gerade wie oben Theophrast sagt. Er bemerkt, der Pyromachus erstarre nach der Schmelzung wieder zu einem festen Steine; der „Mühlstein“ schmelze auch, bekomme aber durch das Schmelzen eine schwarze Farbe und werde zerreiblich wie gebrannter 1) Aristoteles, Meteorologie, lib. IV, c. 6, 9. 2) Aristoteles, Meteorol. lib. IV, c. 6, 11 u. 12.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/482>, abgerufen am 22.11.2024.