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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Italien und die Römer.
Kiel. Es scheint, dass diese mit unbrauchbar gewordenen Waffen
befrachteten Schiffe nach Italien oder einem römischen Hafenplatze
bestimmt waren und unterwegs von feindlichen Schiffen verfolgt
wurden. Um der Gefangennahme zu entgehen, und die Beute dem
verfolgenden Feinde zu entziehen, wurden zwei der Boote durch
Anbohren unter den Wasserspiegel versenkt, während das dritte an
dem flachen Strande auffuhr und die Mannschaften sich ans Ufer
retteten. Es waren römische Schiffe, wie die Befrachtung mit
römischen Waffen, mit eingeschlagenen römischen Fabrikzeichen, so-
wie die zahlreichen römischen Geräte und Münzen beweisen. Über
100 Schwerter fanden sich in den ausgegrabenen Booten. Der ganze
Schatz mit vielen anderen eisernen Waffen und Geräten befindet sich
jetzt, wie erwähnt, im Museum in Kiel. Die meisten der Schwerter
zeigen kunstvoll gearbeitete Damastklingen. Auf 100 Schwerter
kommen 90 mit Damastzeichnung. Wie erwähnt, fand sich in den
Booten eine ziemliche Quantität von römischem Kleingeld, meistens
Denaren, von Vitellius bis Commodus und Macrinus. Die jüngste
Münze ist aus dem Jahre 217 n. Chr., und darf man den Untergang
der Boote deshalb in die erste Hälfte des dritten Jahrhunderts
setzen. Durch die Güte des Herrn Professors Lindenschmit und der
Direktion des Kieler Museums wurde ich in den Stand gesetzt, Bruch-
stücke dieser kunstvollen Schwerter einer eingehenden Untersuchung
zu unterziehen.

Die Nydamer Klingen (Fig. 150) sind eigentliche Damaszener-
klingen, hergestellt durch Zusammenschweissung abwechselnder Lagen
von Stahl und Eisen. Diese Verbindung von Eisen und Stahl liefert
ein Material, welches imstande ist, allen Anforderungen zu genügen,
die man an ein gutes Schwert stellen kann. Ein Schwert soll fest
sein, dass man alles damit durchhauen kann, und soll zäh sein, dass
es auch bei dem stärksten Hiebe nicht springt. Erstere Eigenschaft
gewährt der Stahl, letztere das weiche Schmiedeeisen. Dazu kommt noch
die Elastizität des Stahls, die durch das Zusammenschweissen mit dem
Eisen nicht verloren geht, sondern bewirkt, dass auch nach dem stärk-
sten Hiebe die Klinge wieder in ihre ursprüngliche Lage zurückspringt.
Die Zeichnung der Damaszenerklingen wird bedingt durch die Art der
Bearbeitung. Schweisse ich einfach aufeinander folgende Lagen von
Stahl und Eisen zusammen, so erhalte ich ein parallel gestreiftes
Muster, drehe ich einen solchen Stab um seine lange Achse, schmiede
ich ihn aus und schweisse ihn mit einem ebenso dargestellten aber
entgegengesetzt gedrehten Stab zusammen, so bekomme ich einen

Italien und die Römer.
Kiel. Es scheint, daſs diese mit unbrauchbar gewordenen Waffen
befrachteten Schiffe nach Italien oder einem römischen Hafenplatze
bestimmt waren und unterwegs von feindlichen Schiffen verfolgt
wurden. Um der Gefangennahme zu entgehen, und die Beute dem
verfolgenden Feinde zu entziehen, wurden zwei der Boote durch
Anbohren unter den Wasserspiegel versenkt, während das dritte an
dem flachen Strande auffuhr und die Mannschaften sich ans Ufer
retteten. Es waren römische Schiffe, wie die Befrachtung mit
römischen Waffen, mit eingeschlagenen römischen Fabrikzeichen, so-
wie die zahlreichen römischen Geräte und Münzen beweisen. Über
100 Schwerter fanden sich in den ausgegrabenen Booten. Der ganze
Schatz mit vielen anderen eisernen Waffen und Geräten befindet sich
jetzt, wie erwähnt, im Museum in Kiel. Die meisten der Schwerter
zeigen kunstvoll gearbeitete Damastklingen. Auf 100 Schwerter
kommen 90 mit Damastzeichnung. Wie erwähnt, fand sich in den
Booten eine ziemliche Quantität von römischem Kleingeld, meistens
Denaren, von Vitellius bis Commodus und Macrinus. Die jüngste
Münze ist aus dem Jahre 217 n. Chr., und darf man den Untergang
der Boote deshalb in die erste Hälfte des dritten Jahrhunderts
setzen. Durch die Güte des Herrn Professors Lindenschmit und der
Direktion des Kieler Museums wurde ich in den Stand gesetzt, Bruch-
stücke dieser kunstvollen Schwerter einer eingehenden Untersuchung
zu unterziehen.

Die Nydamer Klingen (Fig. 150) sind eigentliche Damaszener-
klingen, hergestellt durch Zusammenschweiſsung abwechselnder Lagen
von Stahl und Eisen. Diese Verbindung von Eisen und Stahl liefert
ein Material, welches imstande ist, allen Anforderungen zu genügen,
die man an ein gutes Schwert stellen kann. Ein Schwert soll fest
sein, daſs man alles damit durchhauen kann, und soll zäh sein, daſs
es auch bei dem stärksten Hiebe nicht springt. Erstere Eigenschaft
gewährt der Stahl, letztere das weiche Schmiedeeisen. Dazu kommt noch
die Elastizität des Stahls, die durch das Zusammenschweiſsen mit dem
Eisen nicht verloren geht, sondern bewirkt, daſs auch nach dem stärk-
sten Hiebe die Klinge wieder in ihre ursprüngliche Lage zurückspringt.
Die Zeichnung der Damaszenerklingen wird bedingt durch die Art der
Bearbeitung. Schweiſse ich einfach aufeinander folgende Lagen von
Stahl und Eisen zusammen, so erhalte ich ein parallel gestreiftes
Muster, drehe ich einen solchen Stab um seine lange Achse, schmiede
ich ihn aus und schweiſse ihn mit einem ebenso dargestellten aber
entgegengesetzt gedrehten Stab zusammen, so bekomme ich einen

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[556/0578] Italien und die Römer. Kiel. Es scheint, daſs diese mit unbrauchbar gewordenen Waffen befrachteten Schiffe nach Italien oder einem römischen Hafenplatze bestimmt waren und unterwegs von feindlichen Schiffen verfolgt wurden. Um der Gefangennahme zu entgehen, und die Beute dem verfolgenden Feinde zu entziehen, wurden zwei der Boote durch Anbohren unter den Wasserspiegel versenkt, während das dritte an dem flachen Strande auffuhr und die Mannschaften sich ans Ufer retteten. Es waren römische Schiffe, wie die Befrachtung mit römischen Waffen, mit eingeschlagenen römischen Fabrikzeichen, so- wie die zahlreichen römischen Geräte und Münzen beweisen. Über 100 Schwerter fanden sich in den ausgegrabenen Booten. Der ganze Schatz mit vielen anderen eisernen Waffen und Geräten befindet sich jetzt, wie erwähnt, im Museum in Kiel. Die meisten der Schwerter zeigen kunstvoll gearbeitete Damastklingen. Auf 100 Schwerter kommen 90 mit Damastzeichnung. Wie erwähnt, fand sich in den Booten eine ziemliche Quantität von römischem Kleingeld, meistens Denaren, von Vitellius bis Commodus und Macrinus. Die jüngste Münze ist aus dem Jahre 217 n. Chr., und darf man den Untergang der Boote deshalb in die erste Hälfte des dritten Jahrhunderts setzen. Durch die Güte des Herrn Professors Lindenschmit und der Direktion des Kieler Museums wurde ich in den Stand gesetzt, Bruch- stücke dieser kunstvollen Schwerter einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen. Die Nydamer Klingen (Fig. 150) sind eigentliche Damaszener- klingen, hergestellt durch Zusammenschweiſsung abwechselnder Lagen von Stahl und Eisen. Diese Verbindung von Eisen und Stahl liefert ein Material, welches imstande ist, allen Anforderungen zu genügen, die man an ein gutes Schwert stellen kann. Ein Schwert soll fest sein, daſs man alles damit durchhauen kann, und soll zäh sein, daſs es auch bei dem stärksten Hiebe nicht springt. Erstere Eigenschaft gewährt der Stahl, letztere das weiche Schmiedeeisen. Dazu kommt noch die Elastizität des Stahls, die durch das Zusammenschweiſsen mit dem Eisen nicht verloren geht, sondern bewirkt, daſs auch nach dem stärk- sten Hiebe die Klinge wieder in ihre ursprüngliche Lage zurückspringt. Die Zeichnung der Damaszenerklingen wird bedingt durch die Art der Bearbeitung. Schweiſse ich einfach aufeinander folgende Lagen von Stahl und Eisen zusammen, so erhalte ich ein parallel gestreiftes Muster, drehe ich einen solchen Stab um seine lange Achse, schmiede ich ihn aus und schweiſse ihn mit einem ebenso dargestellten aber entgegengesetzt gedrehten Stab zusammen, so bekomme ich einen

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/578>, abgerufen am 22.11.2024.