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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Einleitung.
heuren Unterschied, ob eine Operation bei 700° oder bei 1100° aus-
führbar war. Deshalb war die Darstellung des Eisens in der oben
geschilderten Weise weit leichter als die des Kupfers aus seinen oxy-
dischen Erzen. Die Darstellung des Kupfers aus seinen wichtigsten,
den geschwefelten Erzen war noch weit schwieriger, da diese ausser
der Schmelzung noch verschiedene Vorbereitungen und Zwischen-
prozesse verlangt, welche lange Beobachtung und Erfahrung voraus-
setzen. Auf der anderen Seite muss jedoch wohl im Auge behalten
werden, dass das Produkt, welches bei der einfachen Reduktion der
Eisensteine erhalten wurde, sehr unrein und unvollkommen war. Je nach
der Natur der Erze fiel ein härteres, stahlartiges oder weicheres, unserem
Schmiedeisen ähnliches Produkt. Das geschmolzene Eisen, unser Guss-
eisen, blieb den Alten, wie oben ausgeführt wurde 1), unbekannt. Die
Schmelztemperatur des Goldes (1200°) scheint aber im allgemeinen die
höchste Temperatur gewesen zu sein, welche die Alten bei ihren
metallurgischen Operationen erreicht haben.

Nach diesen Auseinandersetzungen dürfen wir behaupten, dass
technische Gründe nicht vorliegen, welche eine frühere Bekanntschaft
des Kupfers gegenüber dem Eisen annehmen lassen, dass vielmehr die
Wahrscheinlichkeit für das Umgekehrte spricht. Wir begnügen uns
indess mit dem historischen Faktum, dass Kupfer und Eisen den älte-
sten Kulturvölkern bei ihrem Eintritt in die Geschichte bereits bekannt
waren.

Ganz anders verhält es sich dagegen mit der Bronzefrage. Die
Darstellung der Bronze setzt die Bekanntschaft mit dem Kupfer vor-
aus. Bei den Völkern, welche selbständig zur Erfindung der Bronze
geführt wurden, muss daher der Bronzezeit eine Kupferzeit voraus
gegangen sein. Dies bestätigt sich auch bei allen alten Kulturvölkern,
bei denen eine originelle Entwickelung der metallurgischen Kenntnisse
angenommen werden kann, so bei den Ägyptern, Indern, Chinesen etc.
Anders kann es sich freilich verhalten bei denjenigen Völkern, welche
erst nach der Entdeckung der Bronze in die Geschichte eingetreten
sind und denen die Metalle zuerst aus anderen Gegenden zugeführt
wurden.

Das Kupfer ist aber nur eins der Metalle, welche zur Darstellung
der Bronze erforderlich sind, der andere Bestandteil ist das Zinn. Die
Darsteller der Legierung mussten im Besitze von metallischem Zinn

1) Weil sich derselbe erst bei viel höherer Temperatur, bei mindestens 1225°
bildet.

Einleitung.
heuren Unterschied, ob eine Operation bei 700° oder bei 1100° aus-
führbar war. Deshalb war die Darstellung des Eisens in der oben
geschilderten Weise weit leichter als die des Kupfers aus seinen oxy-
dischen Erzen. Die Darstellung des Kupfers aus seinen wichtigsten,
den geschwefelten Erzen war noch weit schwieriger, da diese auſser
der Schmelzung noch verschiedene Vorbereitungen und Zwischen-
prozesse verlangt, welche lange Beobachtung und Erfahrung voraus-
setzen. Auf der anderen Seite muſs jedoch wohl im Auge behalten
werden, daſs das Produkt, welches bei der einfachen Reduktion der
Eisensteine erhalten wurde, sehr unrein und unvollkommen war. Je nach
der Natur der Erze fiel ein härteres, stahlartiges oder weicheres, unserem
Schmiedeisen ähnliches Produkt. Das geschmolzene Eisen, unser Guſs-
eisen, blieb den Alten, wie oben ausgeführt wurde 1), unbekannt. Die
Schmelztemperatur des Goldes (1200°) scheint aber im allgemeinen die
höchste Temperatur gewesen zu sein, welche die Alten bei ihren
metallurgischen Operationen erreicht haben.

Nach diesen Auseinandersetzungen dürfen wir behaupten, daſs
technische Gründe nicht vorliegen, welche eine frühere Bekanntschaft
des Kupfers gegenüber dem Eisen annehmen lassen, daſs vielmehr die
Wahrscheinlichkeit für das Umgekehrte spricht. Wir begnügen uns
indeſs mit dem historischen Faktum, daſs Kupfer und Eisen den älte-
sten Kulturvölkern bei ihrem Eintritt in die Geschichte bereits bekannt
waren.

Ganz anders verhält es sich dagegen mit der Bronzefrage. Die
Darstellung der Bronze setzt die Bekanntschaft mit dem Kupfer vor-
aus. Bei den Völkern, welche selbständig zur Erfindung der Bronze
geführt wurden, muſs daher der Bronzezeit eine Kupferzeit voraus
gegangen sein. Dies bestätigt sich auch bei allen alten Kulturvölkern,
bei denen eine originelle Entwickelung der metallurgischen Kenntnisse
angenommen werden kann, so bei den Ägyptern, Indern, Chinesen etc.
Anders kann es sich freilich verhalten bei denjenigen Völkern, welche
erst nach der Entdeckung der Bronze in die Geschichte eingetreten
sind und denen die Metalle zuerst aus anderen Gegenden zugeführt
wurden.

Das Kupfer ist aber nur eins der Metalle, welche zur Darstellung
der Bronze erforderlich sind, der andere Bestandteil ist das Zinn. Die
Darsteller der Legierung muſsten im Besitze von metallischem Zinn

1) Weil sich derselbe erst bei viel höherer Temperatur, bei mindestens 1225°
bildet.
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[41/0063] Einleitung. heuren Unterschied, ob eine Operation bei 700° oder bei 1100° aus- führbar war. Deshalb war die Darstellung des Eisens in der oben geschilderten Weise weit leichter als die des Kupfers aus seinen oxy- dischen Erzen. Die Darstellung des Kupfers aus seinen wichtigsten, den geschwefelten Erzen war noch weit schwieriger, da diese auſser der Schmelzung noch verschiedene Vorbereitungen und Zwischen- prozesse verlangt, welche lange Beobachtung und Erfahrung voraus- setzen. Auf der anderen Seite muſs jedoch wohl im Auge behalten werden, daſs das Produkt, welches bei der einfachen Reduktion der Eisensteine erhalten wurde, sehr unrein und unvollkommen war. Je nach der Natur der Erze fiel ein härteres, stahlartiges oder weicheres, unserem Schmiedeisen ähnliches Produkt. Das geschmolzene Eisen, unser Guſs- eisen, blieb den Alten, wie oben ausgeführt wurde 1), unbekannt. Die Schmelztemperatur des Goldes (1200°) scheint aber im allgemeinen die höchste Temperatur gewesen zu sein, welche die Alten bei ihren metallurgischen Operationen erreicht haben. Nach diesen Auseinandersetzungen dürfen wir behaupten, daſs technische Gründe nicht vorliegen, welche eine frühere Bekanntschaft des Kupfers gegenüber dem Eisen annehmen lassen, daſs vielmehr die Wahrscheinlichkeit für das Umgekehrte spricht. Wir begnügen uns indeſs mit dem historischen Faktum, daſs Kupfer und Eisen den älte- sten Kulturvölkern bei ihrem Eintritt in die Geschichte bereits bekannt waren. Ganz anders verhält es sich dagegen mit der Bronzefrage. Die Darstellung der Bronze setzt die Bekanntschaft mit dem Kupfer vor- aus. Bei den Völkern, welche selbständig zur Erfindung der Bronze geführt wurden, muſs daher der Bronzezeit eine Kupferzeit voraus gegangen sein. Dies bestätigt sich auch bei allen alten Kulturvölkern, bei denen eine originelle Entwickelung der metallurgischen Kenntnisse angenommen werden kann, so bei den Ägyptern, Indern, Chinesen etc. Anders kann es sich freilich verhalten bei denjenigen Völkern, welche erst nach der Entdeckung der Bronze in die Geschichte eingetreten sind und denen die Metalle zuerst aus anderen Gegenden zugeführt wurden. Das Kupfer ist aber nur eins der Metalle, welche zur Darstellung der Bronze erforderlich sind, der andere Bestandteil ist das Zinn. Die Darsteller der Legierung muſsten im Besitze von metallischem Zinn 1) Weil sich derselbe erst bei viel höherer Temperatur, bei mindestens 1225° bildet.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/63>, abgerufen am 03.05.2024.