Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite

Einleitung zum Mittelalter.
den Bewohnern der Pfahlbauten Bronzewaffen und Geräte so leicht
und bequem, dass das Eisen in den Hintergrund gedrängt wurde. Da
wir aber trotzdem das Eisen in Anwendung finden und zwar für Gegen-
stände von geringem Werte, wie die Schuhe der Schifferstangen, die
Ringe um die Steinanker der Fischernachen, die man, wenn Bronze
billiger gewesen wäre, gewiss aus Bronze gemacht haben würde, so
dürfen wir schliessen, dass den Leuten das Eisen bekannt war, dass es
billiger war als Bronze und dass sie es deshalb auch wohl im eigenen
Lande gewannen. Es liegt genügendes Material vor, um diese Auf-
fassung zu begründen. In verschiedenen Gegenden der Schweiz sind
uralte Eisenschmelzplätze aufgefunden worden, die, so paradox dies
lauten mag, aus dem Bronze- und selbst aus dem Steinzeitalter
stammen, d. h. bei und in denen man Steinwerkzeuge und Bronze-
geräte gefunden hat. Eine uralte Eisengewinnung bestand am Gonzen
bei Sargans im Kanton St. Gallen, die später auch von den Römern
noch fortbetrieben wurde. Auf dem Burgberge in Vilters fanden sich
uralte Eisenschlacken und Schmelzstätten mit keltischen und römischen
Altertümern 1). Ausser den prähistorischen Schmelzen in der südlichen
Hochschweiz ist besonders auch der Berner Jura reich an solchen alten
Eisenschmelzstätten. Quiquerez, ein Bergbeamter, also technisch ge-
bildet, hat diese untersucht und beschrieben 2). Die Zahl dieser Schmelz-
stätten ist so gross, dass angenommen werden muss, die Eisengewinnung
auf den Höhen des Jura müsse viele Jahrhunderte lang betrieben wor-
den sein. Der Verfasser führt nicht weniger als 61 auf, die er bestimmt
für vorrömisch erklärt. Bei nicht weniger als 12 Schmelzplätzen fand
man Steinwerkzeuge und ganz alte Topfscherben (poterie gouloise), bei
zwei fanden sich gallische Bronzemünzen. Der Betrieb ging in römi-
scher Zeit fort, doch fanden sich nur fünf mit Funden, die als römisch
anzusprechen sind. Sieben gehören dem Mittelalter an. Von 73 unter-
suchten waren 61 vorrömisch. Daraus lässt sich ein Schluss auf die
lange Dauer des Betriebes in jener Gegend machen. 157 sind ausser-
dem bekannt, haben aber keine charakteristischen Fundstücke ergeben.
Gewiss gehören diese fast alle der prähistorischen Zeit an. Es ist von
Interesse, einen Auszug aus Quiquerez's Schrift mitzuteilen.

Der Verfasser war durch eine Untersuchung über die Bergwerke,
Waldungen und Schmieden des alten Bistums Basel, die er 1855

1) P. Plattner, Geschichte des Bergbaues der östlichen Schweiz, Chur 1878.
2) Mitteilungen der antiquarischen Gesellschaft von Zürich 1871. Notice sur les
forges primitives dans le Jura par A. Quiquerez.

Einleitung zum Mittelalter.
den Bewohnern der Pfahlbauten Bronzewaffen und Geräte so leicht
und bequem, daſs das Eisen in den Hintergrund gedrängt wurde. Da
wir aber trotzdem das Eisen in Anwendung finden und zwar für Gegen-
stände von geringem Werte, wie die Schuhe der Schifferstangen, die
Ringe um die Steinanker der Fischernachen, die man, wenn Bronze
billiger gewesen wäre, gewiſs aus Bronze gemacht haben würde, so
dürfen wir schlieſsen, daſs den Leuten das Eisen bekannt war, daſs es
billiger war als Bronze und daſs sie es deshalb auch wohl im eigenen
Lande gewannen. Es liegt genügendes Material vor, um diese Auf-
fassung zu begründen. In verschiedenen Gegenden der Schweiz sind
uralte Eisenschmelzplätze aufgefunden worden, die, so paradox dies
lauten mag, aus dem Bronze- und selbst aus dem Steinzeitalter
stammen, d. h. bei und in denen man Steinwerkzeuge und Bronze-
geräte gefunden hat. Eine uralte Eisengewinnung bestand am Gonzen
bei Sargans im Kanton St. Gallen, die später auch von den Römern
noch fortbetrieben wurde. Auf dem Burgberge in Vilters fanden sich
uralte Eisenschlacken und Schmelzstätten mit keltischen und römischen
Altertümern 1). Auſser den prähistorischen Schmelzen in der südlichen
Hochschweiz ist besonders auch der Berner Jura reich an solchen alten
Eisenschmelzstätten. Quiquerez, ein Bergbeamter, also technisch ge-
bildet, hat diese untersucht und beschrieben 2). Die Zahl dieser Schmelz-
stätten ist so groſs, daſs angenommen werden muſs, die Eisengewinnung
auf den Höhen des Jura müsse viele Jahrhunderte lang betrieben wor-
den sein. Der Verfasser führt nicht weniger als 61 auf, die er bestimmt
für vorrömisch erklärt. Bei nicht weniger als 12 Schmelzplätzen fand
man Steinwerkzeuge und ganz alte Topfscherben (poterie gouloise), bei
zwei fanden sich gallische Bronzemünzen. Der Betrieb ging in römi-
scher Zeit fort, doch fanden sich nur fünf mit Funden, die als römisch
anzusprechen sind. Sieben gehören dem Mittelalter an. Von 73 unter-
suchten waren 61 vorrömisch. Daraus läſst sich ein Schluſs auf die
lange Dauer des Betriebes in jener Gegend machen. 157 sind auſser-
dem bekannt, haben aber keine charakteristischen Fundstücke ergeben.
Gewiſs gehören diese fast alle der prähistorischen Zeit an. Es ist von
Interesse, einen Auszug aus Quiquerez’s Schrift mitzuteilen.

Der Verfasser war durch eine Untersuchung über die Bergwerke,
Waldungen und Schmieden des alten Bistums Basel, die er 1855

1) P. Plattner, Geschichte des Bergbaues der östlichen Schweiz, Chur 1878.
2) Mitteilungen der antiquarischen Gesellschaft von Zürich 1871. Notice sur les
forges primitives dans le Jura par A. Quiquerez.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0636" n="614"/><fw place="top" type="header">Einleitung zum Mittelalter.</fw><lb/>
den Bewohnern der Pfahlbauten Bronzewaffen und Geräte so leicht<lb/>
und bequem, da&#x017F;s das Eisen in den Hintergrund gedrängt wurde. Da<lb/>
wir aber trotzdem das Eisen in Anwendung finden und zwar für Gegen-<lb/>
stände von geringem Werte, wie die Schuhe der Schifferstangen, die<lb/>
Ringe um die Steinanker der Fischernachen, die man, wenn Bronze<lb/>
billiger gewesen wäre, gewi&#x017F;s aus Bronze gemacht haben würde, so<lb/>
dürfen wir schlie&#x017F;sen, da&#x017F;s den Leuten das Eisen bekannt war, da&#x017F;s es<lb/>
billiger war als Bronze und da&#x017F;s sie es deshalb auch wohl im eigenen<lb/>
Lande gewannen. Es liegt genügendes Material vor, um diese Auf-<lb/>
fassung zu begründen. In verschiedenen Gegenden der Schweiz sind<lb/>
uralte Eisenschmelzplätze aufgefunden worden, die, so paradox dies<lb/>
lauten mag, aus dem Bronze- und selbst aus dem Steinzeitalter<lb/>
stammen, d. h. bei und in denen man Steinwerkzeuge und Bronze-<lb/>
geräte gefunden hat. Eine uralte Eisengewinnung bestand am Gonzen<lb/>
bei Sargans im Kanton St. Gallen, die später auch von den Römern<lb/>
noch fortbetrieben wurde. Auf dem Burgberge in Vilters fanden sich<lb/>
uralte Eisenschlacken und Schmelzstätten mit keltischen und römischen<lb/>
Altertümern <note place="foot" n="1)">P. Plattner, Geschichte des Bergbaues der östlichen Schweiz, Chur 1878.</note>. Au&#x017F;ser den prähistorischen Schmelzen in der südlichen<lb/>
Hochschweiz ist besonders auch der Berner Jura reich an solchen alten<lb/>
Eisenschmelzstätten. Quiquerez, ein Bergbeamter, also technisch ge-<lb/>
bildet, hat diese untersucht und beschrieben <note place="foot" n="2)">Mitteilungen der antiquarischen Gesellschaft von Zürich 1871. Notice sur les<lb/>
forges primitives dans le Jura par A. Quiquerez.</note>. Die Zahl dieser Schmelz-<lb/>
stätten ist so gro&#x017F;s, da&#x017F;s angenommen werden mu&#x017F;s, die Eisengewinnung<lb/>
auf den Höhen des Jura müsse viele Jahrhunderte lang betrieben wor-<lb/>
den sein. Der Verfasser führt nicht weniger als 61 auf, die er bestimmt<lb/>
für vorrömisch erklärt. Bei nicht weniger als 12 Schmelzplätzen fand<lb/>
man Steinwerkzeuge und ganz alte Topfscherben (poterie gouloise), bei<lb/>
zwei fanden sich gallische Bronzemünzen. Der Betrieb ging in römi-<lb/>
scher Zeit fort, doch fanden sich nur fünf mit Funden, die als römisch<lb/>
anzusprechen sind. Sieben gehören dem Mittelalter an. Von 73 unter-<lb/>
suchten waren 61 vorrömisch. Daraus lä&#x017F;st sich ein Schlu&#x017F;s auf die<lb/>
lange Dauer des Betriebes in jener Gegend machen. 157 sind au&#x017F;ser-<lb/>
dem bekannt, haben aber keine charakteristischen Fundstücke ergeben.<lb/>
Gewi&#x017F;s gehören diese fast alle der prähistorischen Zeit an. Es ist von<lb/>
Interesse, einen Auszug aus Quiquerez&#x2019;s Schrift mitzuteilen.</p><lb/>
          <p>Der Verfasser war durch eine Untersuchung über die Bergwerke,<lb/>
Waldungen und Schmieden des alten Bistums Basel, die er 1855<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[614/0636] Einleitung zum Mittelalter. den Bewohnern der Pfahlbauten Bronzewaffen und Geräte so leicht und bequem, daſs das Eisen in den Hintergrund gedrängt wurde. Da wir aber trotzdem das Eisen in Anwendung finden und zwar für Gegen- stände von geringem Werte, wie die Schuhe der Schifferstangen, die Ringe um die Steinanker der Fischernachen, die man, wenn Bronze billiger gewesen wäre, gewiſs aus Bronze gemacht haben würde, so dürfen wir schlieſsen, daſs den Leuten das Eisen bekannt war, daſs es billiger war als Bronze und daſs sie es deshalb auch wohl im eigenen Lande gewannen. Es liegt genügendes Material vor, um diese Auf- fassung zu begründen. In verschiedenen Gegenden der Schweiz sind uralte Eisenschmelzplätze aufgefunden worden, die, so paradox dies lauten mag, aus dem Bronze- und selbst aus dem Steinzeitalter stammen, d. h. bei und in denen man Steinwerkzeuge und Bronze- geräte gefunden hat. Eine uralte Eisengewinnung bestand am Gonzen bei Sargans im Kanton St. Gallen, die später auch von den Römern noch fortbetrieben wurde. Auf dem Burgberge in Vilters fanden sich uralte Eisenschlacken und Schmelzstätten mit keltischen und römischen Altertümern 1). Auſser den prähistorischen Schmelzen in der südlichen Hochschweiz ist besonders auch der Berner Jura reich an solchen alten Eisenschmelzstätten. Quiquerez, ein Bergbeamter, also technisch ge- bildet, hat diese untersucht und beschrieben 2). Die Zahl dieser Schmelz- stätten ist so groſs, daſs angenommen werden muſs, die Eisengewinnung auf den Höhen des Jura müsse viele Jahrhunderte lang betrieben wor- den sein. Der Verfasser führt nicht weniger als 61 auf, die er bestimmt für vorrömisch erklärt. Bei nicht weniger als 12 Schmelzplätzen fand man Steinwerkzeuge und ganz alte Topfscherben (poterie gouloise), bei zwei fanden sich gallische Bronzemünzen. Der Betrieb ging in römi- scher Zeit fort, doch fanden sich nur fünf mit Funden, die als römisch anzusprechen sind. Sieben gehören dem Mittelalter an. Von 73 unter- suchten waren 61 vorrömisch. Daraus läſst sich ein Schluſs auf die lange Dauer des Betriebes in jener Gegend machen. 157 sind auſser- dem bekannt, haben aber keine charakteristischen Fundstücke ergeben. Gewiſs gehören diese fast alle der prähistorischen Zeit an. Es ist von Interesse, einen Auszug aus Quiquerez’s Schrift mitzuteilen. Der Verfasser war durch eine Untersuchung über die Bergwerke, Waldungen und Schmieden des alten Bistums Basel, die er 1855 1) P. Plattner, Geschichte des Bergbaues der östlichen Schweiz, Chur 1878. 2) Mitteilungen der antiquarischen Gesellschaft von Zürich 1871. Notice sur les forges primitives dans le Jura par A. Quiquerez.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/636
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 614. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/636>, abgerufen am 22.11.2024.