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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Britannien.
Gestalt und bringen es auf eine Insel, die vor Britannika liegt und
Iktis (die Insel Wight) heisst. Zur Zeit der Ebbe nämlich wird der
Raum zwischen der Insel und dem Lande trocken und so bringen sie
das Zinn in grosser Menge auf Wagen herüber. Überhaupt ist es ein
ganz eigener Umstand mit diesen Inseln, welche zwischen Europa und
Britannika nahe bei letzterem liegen. Zur Zeit der Flut nämlich wird
der Zwischenraum mit Wasser bedeckt und sie erscheinen dann als
Inseln, wenn aber in der Ebbe das Meer zurückströmt und ein grosser
Raum trocken gelegt wird, so erscheinen sie wie Halbinseln. Hier nun
kaufen die Händler das Zinn und bringen es nach Gallien hinüber, um
es schliesslich auf dem Landwege durch Gallien und zwar auf Pferden
nach der Mündung der Rhone zu bringen, wozu sie gegen 30 Tage ge-
brauchen."

Cäsar, der übrigens die Westküste Englands nicht besucht hatte,
sagt, dass zu seiner Zeit der Handel hauptsächlich mit Gallien be-
trieben wurde und dass die meisten Schiffe vom Kontinent in die
kentischen Häfen einliefen, deren Einwohner infolgedessen die ge-
bildetsten und umgänglichsten seien.

Neben der Zinngewinnung war den Britanniern die Eisengewinnung
schon in sehr früher Zeit bekannt. Cäsar, der erste Feldherr, der
Britannien zu erobern suchte und der sehr genaue Erkundigungen
über alle Verhältnisse Britanniens eingezogen hatte, schreibt 1): "Die
Bevölkerung ist ausserordentlich dicht, die Zahl der Öfen, welche den
gallischen ungefähr ähnlich sind, sehr gross. Vieh ist in Menge vor-
handen. Als Geld braucht man entweder Kupfer oder Eisenstücke
(Luppen) in bestimmtem Gewicht 2). Im Binnenlande findet man Zinn und
an der Küste Eisen, letzteres jedoch spärlich. Kupfer wird eingeführt."

Genau betrachtet sagt Cäsar hier nur, dass das Eisen an der
Südküste
spärlich sei.

Strabo aber erwähnt das Eisen als einen Ausfuhrartikel der Britan-
nier, neben Korn, Rindvieh, Gold und Silber. Er sagt 3):

"Der grösste Teil der Insel ist eben und waldig, viele Gegenden
aber sind auch Hügelland. Sie liefern Getreide, Vieh, Gold, Silber
und Eisen. Diese Produkte werden von ihnen ausgeführt, ebenso auch
Häute, Sklaven und treffliche Jagdhunde." Statt dessen wurden
hauptsächlich Luxusartikel eingeführt als goldene Ketten, Trinkgefässe
und Salbentöpfe.

Die Bewaffnung der Britannier muss nach Cäsars Angaben vor-

1) Caes. bell. gall. V, 12.
2) Utuntur aut aero aut taleis ferreis ad certum
pondus examinatis pro nummo (Caes. bell. gall. V, cap. 12).
3) Strabo IV, p. 300.
Beck, Geschichte des Eisens. 43

Britannien.
Gestalt und bringen es auf eine Insel, die vor Britannika liegt und
Iktis (die Insel Wight) heiſst. Zur Zeit der Ebbe nämlich wird der
Raum zwischen der Insel und dem Lande trocken und so bringen sie
das Zinn in groſser Menge auf Wagen herüber. Überhaupt ist es ein
ganz eigener Umstand mit diesen Inseln, welche zwischen Europa und
Britannika nahe bei letzterem liegen. Zur Zeit der Flut nämlich wird
der Zwischenraum mit Wasser bedeckt und sie erscheinen dann als
Inseln, wenn aber in der Ebbe das Meer zurückströmt und ein groſser
Raum trocken gelegt wird, so erscheinen sie wie Halbinseln. Hier nun
kaufen die Händler das Zinn und bringen es nach Gallien hinüber, um
es schlieſslich auf dem Landwege durch Gallien und zwar auf Pferden
nach der Mündung der Rhone zu bringen, wozu sie gegen 30 Tage ge-
brauchen.“

Cäsar, der übrigens die Westküste Englands nicht besucht hatte,
sagt, daſs zu seiner Zeit der Handel hauptsächlich mit Gallien be-
trieben wurde und daſs die meisten Schiffe vom Kontinent in die
kentischen Häfen einliefen, deren Einwohner infolgedessen die ge-
bildetsten und umgänglichsten seien.

Neben der Zinngewinnung war den Britanniern die Eisengewinnung
schon in sehr früher Zeit bekannt. Cäsar, der erste Feldherr, der
Britannien zu erobern suchte und der sehr genaue Erkundigungen
über alle Verhältnisse Britanniens eingezogen hatte, schreibt 1): „Die
Bevölkerung ist auſserordentlich dicht, die Zahl der Öfen, welche den
gallischen ungefähr ähnlich sind, sehr groſs. Vieh ist in Menge vor-
handen. Als Geld braucht man entweder Kupfer oder Eisenstücke
(Luppen) in bestimmtem Gewicht 2). Im Binnenlande findet man Zinn und
an der Küste Eisen, letzteres jedoch spärlich. Kupfer wird eingeführt.“

Genau betrachtet sagt Cäsar hier nur, daſs das Eisen an der
Südküste
spärlich sei.

Strabo aber erwähnt das Eisen als einen Ausfuhrartikel der Britan-
nier, neben Korn, Rindvieh, Gold und Silber. Er sagt 3):

„Der gröſste Teil der Insel ist eben und waldig, viele Gegenden
aber sind auch Hügelland. Sie liefern Getreide, Vieh, Gold, Silber
und Eisen. Diese Produkte werden von ihnen ausgeführt, ebenso auch
Häute, Sklaven und treffliche Jagdhunde.“ Statt dessen wurden
hauptsächlich Luxusartikel eingeführt als goldene Ketten, Trinkgefäſse
und Salbentöpfe.

Die Bewaffnung der Britannier muſs nach Cäsars Angaben vor-

1) Caes. bell. gall. V, 12.
2) Utuntur aut aero aut taleis ferreis ad certum
pondus examinatis pro nummo (Caes. bell. gall. V, cap. 12).
3) Strabo IV, p. 300.
Beck, Geschichte des Eisens. 43
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[673/0695] Britannien. Gestalt und bringen es auf eine Insel, die vor Britannika liegt und Iktis (die Insel Wight) heiſst. Zur Zeit der Ebbe nämlich wird der Raum zwischen der Insel und dem Lande trocken und so bringen sie das Zinn in groſser Menge auf Wagen herüber. Überhaupt ist es ein ganz eigener Umstand mit diesen Inseln, welche zwischen Europa und Britannika nahe bei letzterem liegen. Zur Zeit der Flut nämlich wird der Zwischenraum mit Wasser bedeckt und sie erscheinen dann als Inseln, wenn aber in der Ebbe das Meer zurückströmt und ein groſser Raum trocken gelegt wird, so erscheinen sie wie Halbinseln. Hier nun kaufen die Händler das Zinn und bringen es nach Gallien hinüber, um es schlieſslich auf dem Landwege durch Gallien und zwar auf Pferden nach der Mündung der Rhone zu bringen, wozu sie gegen 30 Tage ge- brauchen.“ Cäsar, der übrigens die Westküste Englands nicht besucht hatte, sagt, daſs zu seiner Zeit der Handel hauptsächlich mit Gallien be- trieben wurde und daſs die meisten Schiffe vom Kontinent in die kentischen Häfen einliefen, deren Einwohner infolgedessen die ge- bildetsten und umgänglichsten seien. Neben der Zinngewinnung war den Britanniern die Eisengewinnung schon in sehr früher Zeit bekannt. Cäsar, der erste Feldherr, der Britannien zu erobern suchte und der sehr genaue Erkundigungen über alle Verhältnisse Britanniens eingezogen hatte, schreibt 1): „Die Bevölkerung ist auſserordentlich dicht, die Zahl der Öfen, welche den gallischen ungefähr ähnlich sind, sehr groſs. Vieh ist in Menge vor- handen. Als Geld braucht man entweder Kupfer oder Eisenstücke (Luppen) in bestimmtem Gewicht 2). Im Binnenlande findet man Zinn und an der Küste Eisen, letzteres jedoch spärlich. Kupfer wird eingeführt.“ Genau betrachtet sagt Cäsar hier nur, daſs das Eisen an der Südküste spärlich sei. Strabo aber erwähnt das Eisen als einen Ausfuhrartikel der Britan- nier, neben Korn, Rindvieh, Gold und Silber. Er sagt 3): „Der gröſste Teil der Insel ist eben und waldig, viele Gegenden aber sind auch Hügelland. Sie liefern Getreide, Vieh, Gold, Silber und Eisen. Diese Produkte werden von ihnen ausgeführt, ebenso auch Häute, Sklaven und treffliche Jagdhunde.“ Statt dessen wurden hauptsächlich Luxusartikel eingeführt als goldene Ketten, Trinkgefäſse und Salbentöpfe. Die Bewaffnung der Britannier muſs nach Cäsars Angaben vor- 1) Caes. bell. gall. V, 12. 2) Utuntur aut aero aut taleis ferreis ad certum pondus examinatis pro nummo (Caes. bell. gall. V, cap. 12). 3) Strabo IV, p. 300. Beck, Geschichte des Eisens. 43

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 673. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/695>, abgerufen am 22.11.2024.