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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Die Germanen.
des Hammers acht Meilen tief in der Erde eine Anspielung auf Meteor-
steinfälle zu finden. Ähnliche Sagen finden sich bei den Skythen.

Nach einem angelsächsischen Volksglauben fährt der Donnerkeil
tief in die Erde und braucht sieben Jahre, um wieder an die Oberfläche
zurückzukehren, indem er jedes Jahr eine Meile aufwärts steigt.

Wie in obiger Erzählung der Hammer als ein geheiligtes Rechts-
instrument gilt, um den Ehevertrag zu weihen, gültig zu machen, so
finden wir diese Anwendung des Hammers ganz allgemein bei den
alten Germanen. Mit einem eisernen Hammer wurden der Trinkbecher,
der Scheiterhaufen, die Braut und die Verstorbenen geweiht. Das
Hammerzeichen ist das Zeichen des Segens. Der Hammerwurf heiligt
und bekräftigt nach altem Recht den Erwerb. Soweit ein Freier mit dem
Hubhammer werfen konnte, soweit ging sein geheiligtes, unbestreit-
bares Eigentum. Noch heutzutage spielt der Hammer eine Rolle bei
Auktionen, bei denen der Zuschlag mit dem Hammer erfolgt, und in
Obersachsen wurde bis in die neuere Zeit durch Herumtragen eines
Hammers Gericht angesagt. Manche Wirkungen des alten Hammer-
zeichens wurden später auf das christliche Zeichen des Kreuzes über-
tragen, und in ähnlicher Weise spielte später das Schwert, namentlich
im Norden, eine ähnliche symbolische Rolle, wie früher der Hammer.
So war es eine nordische Sitte, dass in der Brautnacht ein blankes
Schwert in das Ehebett gelegt wurde, während bei den Friesen die
Braut unter einem aufgehängten Schwert die Schwelle der Wohnung
ihres Gatten betreten musste.

Als das Christentum sich unter den Germanen verbreitete, wurde
der alte Glaube und die alten Götter verfolgt und verlästert, am meisten
Donar, der volkstümlichste unter den hohen Göttern. Von ihm wurden
die meisten Züge auf den Erbfeind der Menschen übertragen und der
Teufel der Volkssage hat viel Verwandtes mit dem alten Heidengott.
Thor fuhr auf einem mit Ziegenböcken bespannten Wagen und ihm
wurden besonders Ziegenopfer gebracht, deshalb sieht auch der mittel-
alterliche Teufel einem Ziegenbocke ähnlich, hat Hörner, einen Bocks-
bart und ein haariges Fell, ja sogar den Bocksgeruch. Sowohl der
alte Name "Meister Hämmerlein", als die altsächsische Verwünschung,
"dat die der Hammer"! statt "dass dich der Teufel hole", sind Thors
Hammer entsprungen. Ein anderer, nicht minder alter Sagenkreis,
liegt unserer Betrachtung noch weit näher. Es sind dies die Er-
zählungen von Wieland 1), dem Schmied, die sich bei allen germani-

1) Altniederdeutsch Velint, altsächsisch Wielant, angelsächsich Velant, altnordisch
Volundr.

Die Germanen.
des Hammers acht Meilen tief in der Erde eine Anspielung auf Meteor-
steinfälle zu finden. Ähnliche Sagen finden sich bei den Skythen.

Nach einem angelsächsischen Volksglauben fährt der Donnerkeil
tief in die Erde und braucht sieben Jahre, um wieder an die Oberfläche
zurückzukehren, indem er jedes Jahr eine Meile aufwärts steigt.

Wie in obiger Erzählung der Hammer als ein geheiligtes Rechts-
instrument gilt, um den Ehevertrag zu weihen, gültig zu machen, so
finden wir diese Anwendung des Hammers ganz allgemein bei den
alten Germanen. Mit einem eisernen Hammer wurden der Trinkbecher,
der Scheiterhaufen, die Braut und die Verstorbenen geweiht. Das
Hammerzeichen ist das Zeichen des Segens. Der Hammerwurf heiligt
und bekräftigt nach altem Recht den Erwerb. Soweit ein Freier mit dem
Hubhammer werfen konnte, soweit ging sein geheiligtes, unbestreit-
bares Eigentum. Noch heutzutage spielt der Hammer eine Rolle bei
Auktionen, bei denen der Zuschlag mit dem Hammer erfolgt, und in
Obersachsen wurde bis in die neuere Zeit durch Herumtragen eines
Hammers Gericht angesagt. Manche Wirkungen des alten Hammer-
zeichens wurden später auf das christliche Zeichen des Kreuzes über-
tragen, und in ähnlicher Weise spielte später das Schwert, namentlich
im Norden, eine ähnliche symbolische Rolle, wie früher der Hammer.
So war es eine nordische Sitte, daſs in der Brautnacht ein blankes
Schwert in das Ehebett gelegt wurde, während bei den Friesen die
Braut unter einem aufgehängten Schwert die Schwelle der Wohnung
ihres Gatten betreten muſste.

Als das Christentum sich unter den Germanen verbreitete, wurde
der alte Glaube und die alten Götter verfolgt und verlästert, am meisten
Donar, der volkstümlichste unter den hohen Göttern. Von ihm wurden
die meisten Züge auf den Erbfeind der Menschen übertragen und der
Teufel der Volkssage hat viel Verwandtes mit dem alten Heidengott.
Thor fuhr auf einem mit Ziegenböcken bespannten Wagen und ihm
wurden besonders Ziegenopfer gebracht, deshalb sieht auch der mittel-
alterliche Teufel einem Ziegenbocke ähnlich, hat Hörner, einen Bocks-
bart und ein haariges Fell, ja sogar den Bocksgeruch. Sowohl der
alte Name „Meister Hämmerlein“, als die altsächsische Verwünschung,
„dat die der Hammer“! statt „daſs dich der Teufel hole“, sind Thors
Hammer entsprungen. Ein anderer, nicht minder alter Sagenkreis,
liegt unserer Betrachtung noch weit näher. Es sind dies die Er-
zählungen von Wieland 1), dem Schmied, die sich bei allen germani-

1) Altniederdeutsch Velint, altsächsisch Wielant, angelsächsich Vêlant, altnordisch
Vôlundr.
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[684/0706] Die Germanen. des Hammers acht Meilen tief in der Erde eine Anspielung auf Meteor- steinfälle zu finden. Ähnliche Sagen finden sich bei den Skythen. Nach einem angelsächsischen Volksglauben fährt der Donnerkeil tief in die Erde und braucht sieben Jahre, um wieder an die Oberfläche zurückzukehren, indem er jedes Jahr eine Meile aufwärts steigt. Wie in obiger Erzählung der Hammer als ein geheiligtes Rechts- instrument gilt, um den Ehevertrag zu weihen, gültig zu machen, so finden wir diese Anwendung des Hammers ganz allgemein bei den alten Germanen. Mit einem eisernen Hammer wurden der Trinkbecher, der Scheiterhaufen, die Braut und die Verstorbenen geweiht. Das Hammerzeichen ist das Zeichen des Segens. Der Hammerwurf heiligt und bekräftigt nach altem Recht den Erwerb. Soweit ein Freier mit dem Hubhammer werfen konnte, soweit ging sein geheiligtes, unbestreit- bares Eigentum. Noch heutzutage spielt der Hammer eine Rolle bei Auktionen, bei denen der Zuschlag mit dem Hammer erfolgt, und in Obersachsen wurde bis in die neuere Zeit durch Herumtragen eines Hammers Gericht angesagt. Manche Wirkungen des alten Hammer- zeichens wurden später auf das christliche Zeichen des Kreuzes über- tragen, und in ähnlicher Weise spielte später das Schwert, namentlich im Norden, eine ähnliche symbolische Rolle, wie früher der Hammer. So war es eine nordische Sitte, daſs in der Brautnacht ein blankes Schwert in das Ehebett gelegt wurde, während bei den Friesen die Braut unter einem aufgehängten Schwert die Schwelle der Wohnung ihres Gatten betreten muſste. Als das Christentum sich unter den Germanen verbreitete, wurde der alte Glaube und die alten Götter verfolgt und verlästert, am meisten Donar, der volkstümlichste unter den hohen Göttern. Von ihm wurden die meisten Züge auf den Erbfeind der Menschen übertragen und der Teufel der Volkssage hat viel Verwandtes mit dem alten Heidengott. Thor fuhr auf einem mit Ziegenböcken bespannten Wagen und ihm wurden besonders Ziegenopfer gebracht, deshalb sieht auch der mittel- alterliche Teufel einem Ziegenbocke ähnlich, hat Hörner, einen Bocks- bart und ein haariges Fell, ja sogar den Bocksgeruch. Sowohl der alte Name „Meister Hämmerlein“, als die altsächsische Verwünschung, „dat die der Hammer“! statt „daſs dich der Teufel hole“, sind Thors Hammer entsprungen. Ein anderer, nicht minder alter Sagenkreis, liegt unserer Betrachtung noch weit näher. Es sind dies die Er- zählungen von Wieland 1), dem Schmied, die sich bei allen germani- 1) Altniederdeutsch Velint, altsächsisch Wielant, angelsächsich Vêlant, altnordisch Vôlundr.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 684. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/706>, abgerufen am 22.11.2024.