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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Mythische Zeit.
Und haue mir vom Rumpfe das Haupt mit deinem Schwert,
Wenn deine scharfe Klinge meine gute Rüstung versehrt,
Wenn aber seine Schärfe meine Waffen nicht durchdringt,
So steht in meinen Händen dein Haupt auch unbedingt,
Und nimmer darfst du zweifeln, dein Hochmut ist es wert,
Ob ich es niederschlage dir mit dem eignen Schwert."

Amilias arbeitete an der Rüstung mit Fleiss und Eifer das ganze
Jahr hindurch. Wieland lässt sorglos die Zeit verstreichen bis zum
letzten Monat der bedungenen Zeit. Erst auf die dringenden Vor-
stellungen Neidings macht er sich an die Arbeit:

Zur Schmiede ging da Wieland von Sorgen unbeschwert
Und schuf in sieben Tagen ein treffliches Schwert:
Das war so scharf und schneidig, dazu so fest und hart,
Dass auf Erden selten ein besseres noch gesehen ward.
Als der König Neiding das scharfe Schwert ersah,
Wie sprach er verwundert zu Goldbranden da:
"Und hast du das geschaffen in einer Woche Frist,
So wähn ich, dass auf Erden kein Schmied so kunstfertig ist."
"Lobt es nicht zu frühe", sprach Wieland der Held,
"Lasst uns erst versuchen, ob es auch Probe hält."
Da gingen sie selbander an eines Stromes Flut,
Der reissend dahinfloss denn sein Gefälle war gut.
Nun höret wie da Wieland eine Flocke Wolle nahm,
Das einen Fuss dick eben aus der Presse kam:
Er warf es in die Welle, wo sie am stärksten floss,
Dann hielt das Schwert dagegen der weise Elfengenoss.
Dass der Strom die Wolle gegen die Schärfe trieb,
Und sie das Schwert zertrennte, wie mit geschwungenem Hieb,
Das Flock in zwei Stücke. Der König war erstaunt,
Man sah in langen Tagen ihn nicht so fröhlich gelaunt:
"Dies Schwert muss ich besitzen, ich wäg es auf mit Gold,
Und bleibe dir gewogen immerdar und hold.
Wie wird nun doch bemeistert der Schmied Amilias!
Was hilft ihm nun sein Schmieden und Härten ohn' Unterlass?
"Es schneidet durch den Panzer und wär er noch so fest."
Er schwang es in den Händen als wollt er gar den Rest
Einem Feinde geben: da war es ihm zu schwer,
Müde sank darnieder der Arm dem Könige hehr.
Wieland besah die Wolle, wo sie das Schwert durchfuhr:
Ihm schien an beiden Stücken nicht scharf genug die Spur.
Er sprach: "Es hat sich eben nicht sonderlich erprobt,
Viel besser muss es werden, bevor es seinen Meister lobt."
Da ging zu seinem Saale Neiding der König reich.
Wieland in der Schmiede nahm eine Feile gleich;
Das schöne Schwert zerfeilt' er damit zu eitel Staub:
Wer es vernommen hätte, die Ohren wären ihm taub

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Mythische Zeit.
Und haue mir vom Rumpfe das Haupt mit deinem Schwert,
Wenn deine scharfe Klinge meine gute Rüstung versehrt,
Wenn aber seine Schärfe meine Waffen nicht durchdringt,
So steht in meinen Händen dein Haupt auch unbedingt,
Und nimmer darfst du zweifeln, dein Hochmut ist es wert,
Ob ich es niederschlage dir mit dem eignen Schwert.“

Amilias arbeitete an der Rüstung mit Fleiſs und Eifer das ganze
Jahr hindurch. Wieland läſst sorglos die Zeit verstreichen bis zum
letzten Monat der bedungenen Zeit. Erst auf die dringenden Vor-
stellungen Neidings macht er sich an die Arbeit:

Zur Schmiede ging da Wieland von Sorgen unbeschwert
Und schuf in sieben Tagen ein treffliches Schwert:
Das war so scharf und schneidig, dazu so fest und hart,
Daſs auf Erden selten ein besseres noch gesehen ward.
Als der König Neiding das scharfe Schwert ersah,
Wie sprach er verwundert zu Goldbranden da:
„Und hast du das geschaffen in einer Woche Frist,
So wähn ich, daſs auf Erden kein Schmied so kunstfertig ist.“
„Lobt es nicht zu frühe“, sprach Wieland der Held,
„Laſst uns erst versuchen, ob es auch Probe hält.“
Da gingen sie selbander an eines Stromes Flut,
Der reiſsend dahinfloſs denn sein Gefälle war gut.
Nun höret wie da Wieland eine Flocke Wolle nahm,
Das einen Fuſs dick eben aus der Presse kam:
Er warf es in die Welle, wo sie am stärksten floſs,
Dann hielt das Schwert dagegen der weise Elfengenoſs.
Daſs der Strom die Wolle gegen die Schärfe trieb,
Und sie das Schwert zertrennte, wie mit geschwungenem Hieb,
Das Flock in zwei Stücke. Der König war erstaunt,
Man sah in langen Tagen ihn nicht so fröhlich gelaunt:
„Dies Schwert muſs ich besitzen, ich wäg es auf mit Gold,
Und bleibe dir gewogen immerdar und hold.
Wie wird nun doch bemeistert der Schmied Amilias!
Was hilft ihm nun sein Schmieden und Härten ohn’ Unterlaſs?
„Es schneidet durch den Panzer und wär er noch so fest.“
Er schwang es in den Händen als wollt er gar den Rest
Einem Feinde geben: da war es ihm zu schwer,
Müde sank darnieder der Arm dem Könige hehr.
Wieland besah die Wolle, wo sie das Schwert durchfuhr:
Ihm schien an beiden Stücken nicht scharf genug die Spur.
Er sprach: „Es hat sich eben nicht sonderlich erprobt,
Viel besser muſs es werden, bevor es seinen Meister lobt.“
Da ging zu seinem Saale Neiding der König reich.
Wieland in der Schmiede nahm eine Feile gleich;
Das schöne Schwert zerfeilt’ er damit zu eitel Staub:
Wer es vernommen hätte, die Ohren wären ihm taub

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[691/0713] Mythische Zeit. Und haue mir vom Rumpfe das Haupt mit deinem Schwert, Wenn deine scharfe Klinge meine gute Rüstung versehrt, Wenn aber seine Schärfe meine Waffen nicht durchdringt, So steht in meinen Händen dein Haupt auch unbedingt, Und nimmer darfst du zweifeln, dein Hochmut ist es wert, Ob ich es niederschlage dir mit dem eignen Schwert.“ Amilias arbeitete an der Rüstung mit Fleiſs und Eifer das ganze Jahr hindurch. Wieland läſst sorglos die Zeit verstreichen bis zum letzten Monat der bedungenen Zeit. Erst auf die dringenden Vor- stellungen Neidings macht er sich an die Arbeit: Zur Schmiede ging da Wieland von Sorgen unbeschwert Und schuf in sieben Tagen ein treffliches Schwert: Das war so scharf und schneidig, dazu so fest und hart, Daſs auf Erden selten ein besseres noch gesehen ward. Als der König Neiding das scharfe Schwert ersah, Wie sprach er verwundert zu Goldbranden da: „Und hast du das geschaffen in einer Woche Frist, So wähn ich, daſs auf Erden kein Schmied so kunstfertig ist.“ „Lobt es nicht zu frühe“, sprach Wieland der Held, „Laſst uns erst versuchen, ob es auch Probe hält.“ Da gingen sie selbander an eines Stromes Flut, Der reiſsend dahinfloſs denn sein Gefälle war gut. Nun höret wie da Wieland eine Flocke Wolle nahm, Das einen Fuſs dick eben aus der Presse kam: Er warf es in die Welle, wo sie am stärksten floſs, Dann hielt das Schwert dagegen der weise Elfengenoſs. Daſs der Strom die Wolle gegen die Schärfe trieb, Und sie das Schwert zertrennte, wie mit geschwungenem Hieb, Das Flock in zwei Stücke. Der König war erstaunt, Man sah in langen Tagen ihn nicht so fröhlich gelaunt: „Dies Schwert muſs ich besitzen, ich wäg es auf mit Gold, Und bleibe dir gewogen immerdar und hold. Wie wird nun doch bemeistert der Schmied Amilias! Was hilft ihm nun sein Schmieden und Härten ohn’ Unterlaſs? „Es schneidet durch den Panzer und wär er noch so fest.“ Er schwang es in den Händen als wollt er gar den Rest Einem Feinde geben: da war es ihm zu schwer, Müde sank darnieder der Arm dem Könige hehr. Wieland besah die Wolle, wo sie das Schwert durchfuhr: Ihm schien an beiden Stücken nicht scharf genug die Spur. Er sprach: „Es hat sich eben nicht sonderlich erprobt, Viel besser muſs es werden, bevor es seinen Meister lobt.“ Da ging zu seinem Saale Neiding der König reich. Wieland in der Schmiede nahm eine Feile gleich; Das schöne Schwert zerfeilt’ er damit zu eitel Staub: Wer es vernommen hätte, die Ohren wären ihm taub 44*

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 691. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/713>, abgerufen am 15.08.2024.