Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Germanen.
Er reicht' es Neidingen, der schwang es in der Hand
Als ein geübter Fechter mit Hieben allerhand,
Dass hell die Lüfte pfiffen; er fand es nicht zu schwer
Und nicht ermüden wollte der Arm dem Könige hehr.
Da sprach er hoch in Freuden: "Dem Schwert ist keines gleich,
Ich könnnt es nicht vergelten mit einem Königreich.
Doch möcht ich es besitzen, es ist ein handlich Schwert
Und nicht zu schwer geraten, das hat die Probe gelehrt.
"Es blitzt wie Wetterleuchten, wenn es die Lüfte fegt:
Du hast die blanke Klinge mit Golde ausgelegt
Und golden strahlts am Griffe von der Glocke bis zum Knopf:
Ein König muss es tragen und nicht ein knechtischer Tropf.
"Hast du's für mich geschmiedet, ich bin dir ewig hold
Und will es dir bedecken mit einem Haufen Gold,
Die Hülle und die Fülle, bis du es nicht mehr schaust:
Das soll sogleich geschehen, wenn du Königsworten nicht traust."
"Ich gönn' es so gerne", versetzte der Held,
"Als euch, mein Herr und König, wohl Niemand auf der Welt;
Doch mach ich noch die Scheide dazu und das Gehenk,
Dann lasst es euch gefallen als eures Dieners Geschenk."

Der Tag der Wette kommt:

Sich auf dem Markte zeigte Amilias der Schmied,
Sich brüstend in dem Harnisch, der ihm so wohl geriet.
Da war bald versammelt eine breite Schar um ihn;
Auch kamen seine Bürgen und die ihm anhingen hin.
Wer des Geschmeides Kenner auf Waffen sich verstand,
Der rühmte seine Arbeit und pries des Künstlers Hand.
Man sah den Panzer doppelt gedrätet, fest und hart,
Wie auf Erden selten ein besserer noch gesehen ward.
Da hub er an zu prahlen und sprach im Übermut:
"Kein Schwert mag ihn versehren und wär es noch so gut;
Ja schlüg ein Blitz hernieder, aus Thors des Donnerers Hand,
Er könnte nicht zerkeilen so manch gehärtetes Band."
Als Alle das bejahten, das freut' ihn überaus.
Da ging hohes Mutes Amilias nach Haus,
Und legte zu dem Harnisch die Eisenhosen an;
Die waren zweidrätig geschmiedet und so wohlgethan,
Dass man bessere selten einen Ritter tragen sah,
Und Jedem, der sie schaute, von Herzen wohl geschah.
Das rühmten auf dem Markte die Kenner allzumal:
Dergleichen sei nimmer geschmiedet worden in Stahl.
Da prahlt' er mit den Hosen und sprach im Übermut:
"Kein Schwert kann sie versehren und wär' es noch so gut.
Wie hart sind diese Schienen, wie sind die Schuppen dicht:
Ich wähne, fester trägt sie die Erdgurtschlange selber nicht."

Die Germanen.
Er reicht’ es Neidingen, der schwang es in der Hand
Als ein geübter Fechter mit Hieben allerhand,
Daſs hell die Lüfte pfiffen; er fand es nicht zu schwer
Und nicht ermüden wollte der Arm dem Könige hehr.
Da sprach er hoch in Freuden: „Dem Schwert ist keines gleich,
Ich könnnt es nicht vergelten mit einem Königreich.
Doch möcht ich es besitzen, es ist ein handlich Schwert
Und nicht zu schwer geraten, das hat die Probe gelehrt.
„Es blitzt wie Wetterleuchten, wenn es die Lüfte fegt:
Du hast die blanke Klinge mit Golde ausgelegt
Und golden strahlts am Griffe von der Glocke bis zum Knopf:
Ein König muſs es tragen und nicht ein knechtischer Tropf.
„Hast du’s für mich geschmiedet, ich bin dir ewig hold
Und will es dir bedecken mit einem Haufen Gold,
Die Hülle und die Fülle, bis du es nicht mehr schaust:
Das soll sogleich geschehen, wenn du Königsworten nicht traust.“
„Ich gönn’ es so gerne“, versetzte der Held,
„Als euch, mein Herr und König, wohl Niemand auf der Welt;
Doch mach ich noch die Scheide dazu und das Gehenk,
Dann laſst es euch gefallen als eures Dieners Geschenk.“

Der Tag der Wette kommt:

Sich auf dem Markte zeigte Amilias der Schmied,
Sich brüstend in dem Harnisch, der ihm so wohl geriet.
Da war bald versammelt eine breite Schar um ihn;
Auch kamen seine Bürgen und die ihm anhingen hin.
Wer des Geschmeides Kenner auf Waffen sich verstand,
Der rühmte seine Arbeit und pries des Künstlers Hand.
Man sah den Panzer doppelt gedrätet, fest und hart,
Wie auf Erden selten ein besserer noch gesehen ward.
Da hub er an zu prahlen und sprach im Übermut:
„Kein Schwert mag ihn versehren und wär es noch so gut;
Ja schlüg ein Blitz hernieder, aus Thors des Donnerers Hand,
Er könnte nicht zerkeilen so manch gehärtetes Band.“
Als Alle das bejahten, das freut’ ihn überaus.
Da ging hohes Mutes Amilias nach Haus,
Und legte zu dem Harnisch die Eisenhosen an;
Die waren zweidrätig geschmiedet und so wohlgethan,
Daſs man bessere selten einen Ritter tragen sah,
Und Jedem, der sie schaute, von Herzen wohl geschah.
Das rühmten auf dem Markte die Kenner allzumal:
Dergleichen sei nimmer geschmiedet worden in Stahl.
Da prahlt’ er mit den Hosen und sprach im Übermut:
„Kein Schwert kann sie versehren und wär’ es noch so gut.
Wie hart sind diese Schienen, wie sind die Schuppen dicht:
Ich wähne, fester trägt sie die Erdgurtschlange selber nicht.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <l>
                <pb facs="#f0716" n="694"/>
              </l>
              <fw place="top" type="header">Die Germanen.</fw><lb/>
              <lg n="32">
                <l>Er reicht&#x2019; es Neidingen, der schwang es in der Hand</l><lb/>
                <l>Als ein geübter Fechter mit Hieben allerhand,</l><lb/>
                <l>Da&#x017F;s hell die Lüfte pfiffen; er fand es nicht zu schwer</l><lb/>
                <l>Und nicht ermüden wollte der Arm dem Könige hehr.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="33">
                <l>Da sprach er hoch in Freuden: &#x201E;Dem Schwert ist keines gleich,</l><lb/>
                <l>Ich könnnt es nicht vergelten mit einem Königreich.</l><lb/>
                <l>Doch möcht ich es besitzen, es ist ein handlich Schwert</l><lb/>
                <l>Und nicht zu schwer geraten, das hat die Probe gelehrt.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="34">
                <l>&#x201E;Es blitzt wie Wetterleuchten, wenn es die Lüfte fegt:</l><lb/>
                <l>Du hast die blanke Klinge mit Golde ausgelegt</l><lb/>
                <l>Und golden strahlts am Griffe von der Glocke bis zum Knopf:</l><lb/>
                <l>Ein König mu&#x017F;s es tragen und nicht ein knechtischer Tropf.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="35">
                <l>&#x201E;Hast du&#x2019;s für mich geschmiedet, ich bin dir ewig hold</l><lb/>
                <l>Und will es dir bedecken mit einem Haufen Gold,</l><lb/>
                <l>Die Hülle und die Fülle, bis du es nicht mehr schaust:</l><lb/>
                <l>Das soll sogleich geschehen, wenn du Königsworten nicht traust.&#x201C;</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="36">
                <l>&#x201E;Ich gönn&#x2019; es so gerne&#x201C;, versetzte der Held,</l><lb/>
                <l>&#x201E;Als euch, mein Herr und König, wohl Niemand auf der Welt;</l><lb/>
                <l>Doch mach ich noch die Scheide dazu und das Gehenk,</l><lb/>
                <l>Dann la&#x017F;st es euch gefallen als eures Dieners Geschenk.&#x201C;</l>
              </lg>
            </lg><lb/>
            <p>Der Tag der Wette kommt:</p><lb/>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l>Sich auf dem Markte zeigte Amilias der Schmied,</l><lb/>
                <l>Sich brüstend in dem Harnisch, der ihm so wohl geriet.</l><lb/>
                <l>Da war bald versammelt eine breite Schar um ihn;</l><lb/>
                <l>Auch kamen seine Bürgen und die ihm anhingen hin.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="2">
                <l>Wer des Geschmeides Kenner auf Waffen sich verstand,</l><lb/>
                <l>Der rühmte seine Arbeit und pries des Künstlers Hand.</l><lb/>
                <l>Man sah den Panzer doppelt gedrätet, fest und hart,</l><lb/>
                <l>Wie auf Erden selten ein besserer noch gesehen ward.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="3">
                <l>Da hub er an zu prahlen und sprach im Übermut:</l><lb/>
                <l>&#x201E;Kein Schwert mag ihn versehren und wär es noch so gut;</l><lb/>
                <l>Ja schlüg ein Blitz hernieder, aus Thors des Donnerers Hand,</l><lb/>
                <l>Er könnte nicht zerkeilen so manch gehärtetes Band.&#x201C;</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="4">
                <l>Als Alle das bejahten, das freut&#x2019; ihn überaus.</l><lb/>
                <l>Da ging hohes Mutes Amilias nach Haus,</l><lb/>
                <l>Und legte zu dem Harnisch die Eisenhosen an;</l><lb/>
                <l>Die waren zweidrätig geschmiedet und so wohlgethan,</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="5">
                <l>Da&#x017F;s man bessere selten einen Ritter tragen sah,</l><lb/>
                <l>Und Jedem, der sie schaute, von Herzen wohl geschah.</l><lb/>
                <l>Das rühmten auf dem Markte die Kenner allzumal:</l><lb/>
                <l>Dergleichen sei nimmer geschmiedet worden in Stahl.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="6">
                <l>Da prahlt&#x2019; er mit den Hosen und sprach im Übermut:</l><lb/>
                <l>&#x201E;Kein Schwert kann sie versehren und wär&#x2019; es noch so gut.</l><lb/>
                <l>Wie hart sind diese Schienen, wie sind die Schuppen dicht:</l><lb/>
                <l>Ich wähne, fester trägt sie die Erdgurtschlange selber nicht.&#x201C;</l>
              </lg><lb/>
              <l>
</l>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[694/0716] Die Germanen. Er reicht’ es Neidingen, der schwang es in der Hand Als ein geübter Fechter mit Hieben allerhand, Daſs hell die Lüfte pfiffen; er fand es nicht zu schwer Und nicht ermüden wollte der Arm dem Könige hehr. Da sprach er hoch in Freuden: „Dem Schwert ist keines gleich, Ich könnnt es nicht vergelten mit einem Königreich. Doch möcht ich es besitzen, es ist ein handlich Schwert Und nicht zu schwer geraten, das hat die Probe gelehrt. „Es blitzt wie Wetterleuchten, wenn es die Lüfte fegt: Du hast die blanke Klinge mit Golde ausgelegt Und golden strahlts am Griffe von der Glocke bis zum Knopf: Ein König muſs es tragen und nicht ein knechtischer Tropf. „Hast du’s für mich geschmiedet, ich bin dir ewig hold Und will es dir bedecken mit einem Haufen Gold, Die Hülle und die Fülle, bis du es nicht mehr schaust: Das soll sogleich geschehen, wenn du Königsworten nicht traust.“ „Ich gönn’ es so gerne“, versetzte der Held, „Als euch, mein Herr und König, wohl Niemand auf der Welt; Doch mach ich noch die Scheide dazu und das Gehenk, Dann laſst es euch gefallen als eures Dieners Geschenk.“ Der Tag der Wette kommt: Sich auf dem Markte zeigte Amilias der Schmied, Sich brüstend in dem Harnisch, der ihm so wohl geriet. Da war bald versammelt eine breite Schar um ihn; Auch kamen seine Bürgen und die ihm anhingen hin. Wer des Geschmeides Kenner auf Waffen sich verstand, Der rühmte seine Arbeit und pries des Künstlers Hand. Man sah den Panzer doppelt gedrätet, fest und hart, Wie auf Erden selten ein besserer noch gesehen ward. Da hub er an zu prahlen und sprach im Übermut: „Kein Schwert mag ihn versehren und wär es noch so gut; Ja schlüg ein Blitz hernieder, aus Thors des Donnerers Hand, Er könnte nicht zerkeilen so manch gehärtetes Band.“ Als Alle das bejahten, das freut’ ihn überaus. Da ging hohes Mutes Amilias nach Haus, Und legte zu dem Harnisch die Eisenhosen an; Die waren zweidrätig geschmiedet und so wohlgethan, Daſs man bessere selten einen Ritter tragen sah, Und Jedem, der sie schaute, von Herzen wohl geschah. Das rühmten auf dem Markte die Kenner allzumal: Dergleichen sei nimmer geschmiedet worden in Stahl. Da prahlt’ er mit den Hosen und sprach im Übermut: „Kein Schwert kann sie versehren und wär’ es noch so gut. Wie hart sind diese Schienen, wie sind die Schuppen dicht: Ich wähne, fester trägt sie die Erdgurtschlange selber nicht.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/716
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 694. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/716>, abgerufen am 15.08.2024.