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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Die Germanen.
Goldbrand entgegnete: "So schüttle dich einmal,
Du hast den letzten Becher heut getrunken im Saal."
Nun schüttelte sich mächtig der Schmied Amilias;
Da fiel zu beiden Seiten ein halber Ritter ins Gras.
In den spiegelblanken Waffen mitten durchgeteilt:
Wie hat ihn da die Strafe der Hochfahrt ereilt."

In dieser merkwürdigen Erzählung sind gewiss, was die Details
anlangt, schon manche spätere Erfahrungen und Märchen eingeflochten.
Aber schon in ältester Zeit legten die deutschen Helden hohen Wert
auf gute Schwerter, die von Geschlecht zu Geschlecht forterbten, die
ihre überlieferte Geschichte hatten und die oft bis auf Wieland oder
Odin zurückgeführt wurden. Ein geschickter Schmied hiess im Mittel-
alter geradezu ein Wieland 1).

Ein dritter Sagenkreis, der eng mit der Gewinnung und Ver-
arbeitung zusammenhängt, ist der der Zwerge und Alfen. Die Wielands-
sage hat uns schon darauf hingewiesen. Die feinere Schmiedekunst
erlernt Wieland ja bei den Zwergen. Siegfried nennt verächtlich den
Wieland einen "Albensohn 2)". Denn die Zwerge sind den Germanen
stammesfremd, ein kleines unansehnliches Geschlecht, das alles nur
durch List und Verschlagenheit erreicht. Germanische Helden, wie
Siegfried, sehen sie nicht als ebenbürtig an. So deuten viele Züge der
Zwergsagen darauf hin, dass die Zwerge Reste einer älteren, schwäch-
licheren Urbevölkerung waren, die in technischen Fertigkeiten bereits
einen gewissen Kulturgrad erlangt hatte, so dass sie in manchen Dingen
den siegreichen Germanen an Geschicklichkeit und Kenntnissen über-
legen war. Ob man aber die den Zwergen eigentümlichen Züge gerade
auf eine ältere keltische Bevölkerung beziehen soll, wie manche an-
nehmen, erscheint zweifelhaft, da ähnliche Sagen sich fast bei allen
indogermanischen Völkern finden. Es unterliegt kaum einem Zweifel,
dass die Germanen die Vorstellungen von den kunstfertigen Zwergen
ebenso wie die der übermenschlich starken Riesen schon aus ihrer
Urheimat mitbrachten.

Die Zwerge sind in erster Linie kunstfertige Kobolde, die den
Schätzen im Inneren der Erde nachspüren. Zu den Zwergen (Elben,
Alben, altfr. altför) oder den Wichtel- und Heinzelmännchen, steht
Volundr in enger Beziehung. Er heisst elfa liodhi (alforum socius).
Nach der späteren Sage erscheint Wieland sogar nur als ein Geselle
Elberichs, des Königs der Zwerge, mit dem er im Berge Glocken-
sachsen wohnt.


1) a. a. O. S. 73.
2) Siehe oben.
Die Germanen.
Goldbrand entgegnete: „So schüttle dich einmal,
Du hast den letzten Becher heut getrunken im Saal.“
Nun schüttelte sich mächtig der Schmied Amilias;
Da fiel zu beiden Seiten ein halber Ritter ins Gras.
In den spiegelblanken Waffen mitten durchgeteilt:
Wie hat ihn da die Strafe der Hochfahrt ereilt.“

In dieser merkwürdigen Erzählung sind gewiſs, was die Details
anlangt, schon manche spätere Erfahrungen und Märchen eingeflochten.
Aber schon in ältester Zeit legten die deutschen Helden hohen Wert
auf gute Schwerter, die von Geschlecht zu Geschlecht forterbten, die
ihre überlieferte Geschichte hatten und die oft bis auf Wieland oder
Odin zurückgeführt wurden. Ein geschickter Schmied hieſs im Mittel-
alter geradezu ein Wieland 1).

Ein dritter Sagenkreis, der eng mit der Gewinnung und Ver-
arbeitung zusammenhängt, ist der der Zwerge und Alfen. Die Wielands-
sage hat uns schon darauf hingewiesen. Die feinere Schmiedekunst
erlernt Wieland ja bei den Zwergen. Siegfried nennt verächtlich den
Wieland einen „Albensohn 2)“. Denn die Zwerge sind den Germanen
stammesfremd, ein kleines unansehnliches Geschlecht, das alles nur
durch List und Verschlagenheit erreicht. Germanische Helden, wie
Siegfried, sehen sie nicht als ebenbürtig an. So deuten viele Züge der
Zwergsagen darauf hin, daſs die Zwerge Reste einer älteren, schwäch-
licheren Urbevölkerung waren, die in technischen Fertigkeiten bereits
einen gewissen Kulturgrad erlangt hatte, so daſs sie in manchen Dingen
den siegreichen Germanen an Geschicklichkeit und Kenntnissen über-
legen war. Ob man aber die den Zwergen eigentümlichen Züge gerade
auf eine ältere keltische Bevölkerung beziehen soll, wie manche an-
nehmen, erscheint zweifelhaft, da ähnliche Sagen sich fast bei allen
indogermanischen Völkern finden. Es unterliegt kaum einem Zweifel,
daſs die Germanen die Vorstellungen von den kunstfertigen Zwergen
ebenso wie die der übermenschlich starken Riesen schon aus ihrer
Urheimat mitbrachten.

Die Zwerge sind in erster Linie kunstfertige Kobolde, die den
Schätzen im Inneren der Erde nachspüren. Zu den Zwergen (Elben,
Alben, altfr. altför) oder den Wichtel- und Heinzelmännchen, steht
Vôlundr in enger Beziehung. Er heiſst êlfa liodhi (alforum socius).
Nach der späteren Sage erscheint Wieland sogar nur als ein Geselle
Elberichs, des Königs der Zwerge, mit dem er im Berge Glocken-
sachsen wohnt.


1) a. a. O. S. 73.
2) Siehe oben.
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[696/0718] Die Germanen. Goldbrand entgegnete: „So schüttle dich einmal, Du hast den letzten Becher heut getrunken im Saal.“ Nun schüttelte sich mächtig der Schmied Amilias; Da fiel zu beiden Seiten ein halber Ritter ins Gras. In den spiegelblanken Waffen mitten durchgeteilt: Wie hat ihn da die Strafe der Hochfahrt ereilt.“ In dieser merkwürdigen Erzählung sind gewiſs, was die Details anlangt, schon manche spätere Erfahrungen und Märchen eingeflochten. Aber schon in ältester Zeit legten die deutschen Helden hohen Wert auf gute Schwerter, die von Geschlecht zu Geschlecht forterbten, die ihre überlieferte Geschichte hatten und die oft bis auf Wieland oder Odin zurückgeführt wurden. Ein geschickter Schmied hieſs im Mittel- alter geradezu ein Wieland 1). Ein dritter Sagenkreis, der eng mit der Gewinnung und Ver- arbeitung zusammenhängt, ist der der Zwerge und Alfen. Die Wielands- sage hat uns schon darauf hingewiesen. Die feinere Schmiedekunst erlernt Wieland ja bei den Zwergen. Siegfried nennt verächtlich den Wieland einen „Albensohn 2)“. Denn die Zwerge sind den Germanen stammesfremd, ein kleines unansehnliches Geschlecht, das alles nur durch List und Verschlagenheit erreicht. Germanische Helden, wie Siegfried, sehen sie nicht als ebenbürtig an. So deuten viele Züge der Zwergsagen darauf hin, daſs die Zwerge Reste einer älteren, schwäch- licheren Urbevölkerung waren, die in technischen Fertigkeiten bereits einen gewissen Kulturgrad erlangt hatte, so daſs sie in manchen Dingen den siegreichen Germanen an Geschicklichkeit und Kenntnissen über- legen war. Ob man aber die den Zwergen eigentümlichen Züge gerade auf eine ältere keltische Bevölkerung beziehen soll, wie manche an- nehmen, erscheint zweifelhaft, da ähnliche Sagen sich fast bei allen indogermanischen Völkern finden. Es unterliegt kaum einem Zweifel, daſs die Germanen die Vorstellungen von den kunstfertigen Zwergen ebenso wie die der übermenschlich starken Riesen schon aus ihrer Urheimat mitbrachten. Die Zwerge sind in erster Linie kunstfertige Kobolde, die den Schätzen im Inneren der Erde nachspüren. Zu den Zwergen (Elben, Alben, altfr. altför) oder den Wichtel- und Heinzelmännchen, steht Vôlundr in enger Beziehung. Er heiſst êlfa liodhi (alforum socius). Nach der späteren Sage erscheint Wieland sogar nur als ein Geselle Elberichs, des Königs der Zwerge, mit dem er im Berge Glocken- sachsen wohnt. 1) a. a. O. S. 73. 2) Siehe oben.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 696. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/718>, abgerufen am 22.11.2024.