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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Bewaffnung im frühen Mittelalter.
alemannischen und bayrischen Gräbern oft gefunden werden. Weniger
häufig sind die blattförmigen Speerspitzen mit scharf gezogener, her-
vortretender Rippe (Fig. 211), ähnlich den römischen Lanzenspitzen
und den alten Erzlanzen.

Das schönste Speereisen dieser Art fand man in einem alemanni-
schen Grabe bei Ulm und ist dasselbe (Fig. 212) jetzt im Museum in

[Abbildung] Fig. 212.
Berlin. Die 18 cm lange Spitze ist vom
oberen Teile der Tülle an auf beiden Seiten
mit schöner Tauschierung versehen, die
Zickzacklinien sind mit Gold, die übrigen
Ornamente mit Silber eingelegt. Hier zeigt
sich wohl asiatischer Kunsteinfluss.

Die Lanzen der Reiter gehörten zu den
leichteren Speerformen, da sie meist ge-
worfen wurden. Die longobardischen Reiter
waren berühmt als sichere Lanzenwerfer.
Ebenso diente die Lanze bei den Franken
im fünften und sechsten Jahrhundert haupt-
sächlich als Wurfwaffe 1). Nicht minder
waren die Vandalen und Goten geübt in
der Handhabung der Wurflanze.

Procop giebt folgende schöne Schilde-
rung von der Geschicklichkeit in der Hand-
habung der Wurflanze 2): "Ihr König To-
tilas, in der Absicht, die Schlacht bei busta
Gallorum gegen Narses zu verzögern, ge-
währt den gegenüberstehenden Heeren den
Anblick eines vollendeten Kriegers. In
prachtvoller Goldrüstung auf einem treff-
lichen Pferde zeigt er sich vor den Reihen,
die schwierigsten Reitübungen ausführend,
schleudert seinen Speer, der mit Bändern
aus brennendem, leuchtendem Purpur ver-
ziert ist, in die Luft, fängt ihn wieder auf, wirft ihn auf die zier-
lichste Weise von einer Hand in die andere, wendet und schwingt sich
hin und her auf dem Pferde, wie es nur eine von Jugend auf
erlangte Geschicklichkeit vermag. Durch dieses auffallende und an-
ziehende Schauspiel, welches er vom Morgen bis Mittag fortsetzt, fesselt

1) Gregor v. Tours III, 10, V, 26; VII, 29 etc.
2) Procop. bell. goth. IV, 31
u. Lindenschmit a. a. O. S. 171.
Beck, Geschichte des Eisens. 45

Bewaffnung im frühen Mittelalter.
alemannischen und bayrischen Gräbern oft gefunden werden. Weniger
häufig sind die blattförmigen Speerspitzen mit scharf gezogener, her-
vortretender Rippe (Fig. 211), ähnlich den römischen Lanzenspitzen
und den alten Erzlanzen.

Das schönste Speereisen dieser Art fand man in einem alemanni-
schen Grabe bei Ulm und ist dasſelbe (Fig. 212) jetzt im Museum in

[Abbildung] Fig. 212.
Berlin. Die 18 cm lange Spitze ist vom
oberen Teile der Tülle an auf beiden Seiten
mit schöner Tauschierung versehen, die
Zickzacklinien sind mit Gold, die übrigen
Ornamente mit Silber eingelegt. Hier zeigt
sich wohl asiatischer Kunsteinfluſs.

Die Lanzen der Reiter gehörten zu den
leichteren Speerformen, da sie meist ge-
worfen wurden. Die longobardischen Reiter
waren berühmt als sichere Lanzenwerfer.
Ebenso diente die Lanze bei den Franken
im fünften und sechsten Jahrhundert haupt-
sächlich als Wurfwaffe 1). Nicht minder
waren die Vandalen und Goten geübt in
der Handhabung der Wurflanze.

Procop giebt folgende schöne Schilde-
rung von der Geschicklichkeit in der Hand-
habung der Wurflanze 2): „Ihr König To-
tilas, in der Absicht, die Schlacht bei busta
Gallorum gegen Narses zu verzögern, ge-
währt den gegenüberstehenden Heeren den
Anblick eines vollendeten Kriegers. In
prachtvoller Goldrüstung auf einem treff-
lichen Pferde zeigt er sich vor den Reihen,
die schwierigsten Reitübungen ausführend,
schleudert seinen Speer, der mit Bändern
aus brennendem, leuchtendem Purpur ver-
ziert ist, in die Luft, fängt ihn wieder auf, wirft ihn auf die zier-
lichste Weise von einer Hand in die andere, wendet und schwingt sich
hin und her auf dem Pferde, wie es nur eine von Jugend auf
erlangte Geschicklichkeit vermag. Durch dieses auffallende und an-
ziehende Schauspiel, welches er vom Morgen bis Mittag fortsetzt, fesselt

1) Gregor v. Tours III, 10, V, 26; VII, 29 etc.
2) Procop. bell. goth. IV, 31
u. Lindenschmit a. a. O. S. 171.
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[705/0727] Bewaffnung im frühen Mittelalter. alemannischen und bayrischen Gräbern oft gefunden werden. Weniger häufig sind die blattförmigen Speerspitzen mit scharf gezogener, her- vortretender Rippe (Fig. 211), ähnlich den römischen Lanzenspitzen und den alten Erzlanzen. Das schönste Speereisen dieser Art fand man in einem alemanni- schen Grabe bei Ulm und ist dasſelbe (Fig. 212) jetzt im Museum in [Abbildung Fig. 212.] Berlin. Die 18 cm lange Spitze ist vom oberen Teile der Tülle an auf beiden Seiten mit schöner Tauschierung versehen, die Zickzacklinien sind mit Gold, die übrigen Ornamente mit Silber eingelegt. Hier zeigt sich wohl asiatischer Kunsteinfluſs. Die Lanzen der Reiter gehörten zu den leichteren Speerformen, da sie meist ge- worfen wurden. Die longobardischen Reiter waren berühmt als sichere Lanzenwerfer. Ebenso diente die Lanze bei den Franken im fünften und sechsten Jahrhundert haupt- sächlich als Wurfwaffe 1). Nicht minder waren die Vandalen und Goten geübt in der Handhabung der Wurflanze. Procop giebt folgende schöne Schilde- rung von der Geschicklichkeit in der Hand- habung der Wurflanze 2): „Ihr König To- tilas, in der Absicht, die Schlacht bei busta Gallorum gegen Narses zu verzögern, ge- währt den gegenüberstehenden Heeren den Anblick eines vollendeten Kriegers. In prachtvoller Goldrüstung auf einem treff- lichen Pferde zeigt er sich vor den Reihen, die schwierigsten Reitübungen ausführend, schleudert seinen Speer, der mit Bändern aus brennendem, leuchtendem Purpur ver- ziert ist, in die Luft, fängt ihn wieder auf, wirft ihn auf die zier- lichste Weise von einer Hand in die andere, wendet und schwingt sich hin und her auf dem Pferde, wie es nur eine von Jugend auf erlangte Geschicklichkeit vermag. Durch dieses auffallende und an- ziehende Schauspiel, welches er vom Morgen bis Mittag fortsetzt, fesselt 1) Gregor v. Tours III, 10, V, 26; VII, 29 etc. 2) Procop. bell. goth. IV, 31 u. Lindenschmit a. a. O. S. 171. Beck, Geschichte des Eisens. 45

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 705. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/727>, abgerufen am 22.11.2024.