Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite

Ägypten.
wenn ich mich recht erinnere, was der Dollmetscher, der die Schrift
las, mir sagte, so wurden darauf 1600 Talente Silber (ungefähr acht
Millionen Mark) verwendet. Wenn sich das wirklich so verhält, wieviel
muss dann natürlich noch weiter aufgewendet worden sein für das
Eisen, mit dem man arbeitete
und für die Nahrung und Kleidung
der Arbeiter!" Die Wahrheit der Angabe Herodots über die Erbauung
der grossen Pyramide wird durch ihren gegenwärtigen Zustand be-
stätigt. Sie ist aus Quadern von Granit, der vom oberen Nil herbei-
geschafft wurde, aufgeführt und mit geschliffenen Platten von weissem
Numulitenkalk, der von der arabischen Seite herstammt, bekleidet.

Die ältesten Pyramiden, die bei Meidum und Dahschur stehen und
noch der Zeit der dritten Dynastie angehören, sind aus Ziegeln erbaut
und mit Quadern von Kalkstein bekleidet. Wahrscheinlich sind auch
die Pyramiden von Saqara und von Abusir vor König Cheops erbaut.
Der Kern derselben besteht aus rohen Steinblöcken, die durch da-
zwischen geschütteten Nilschlamm verbunden und mit Kalksteinquadern
umkleidet waren.

Schöner und regelmässiger als die beiden grossen Pyramiden aus
der Zeit des Cheops ist die kleinere Pyramide auf dem Felsenplateau von
Gizeh, die König Menkera, der Sohn des Cheops, erbauen liess. Sie hat
einen hohen Sockel und erhebt sich in 5 bis 6 stufenförmigen Ab-
sätzen bis 218 Fuss Höhe. Die Bekleidung ist bis zu bedeutender
Höhe geschliffener Granit.

Die Ausführung solcher Riesenbauten setzt eine zahlreiche, in Ar-
beit geübte Bevölkerung, grosse technische Vorkenntnis, sowie vorzüg-
liche Werkzeuge und Hilfsmittel voraus. Die Pyramiden, die im Inne-
ren Gänge und Kammern mit den Sarkophagen fürstlicher Personen
enthalten, sind umgeben von ausgedehnten meist in den gewachsenen
Fels eingehauenen Felsengräbern, in denen die Mumien der vornehmeren
Diener und Unterthanen der mächtigen, autokratischen Herrscher bei-
gesetzt sind. Die Wände der Grabkammern sind bedeckt mit Skulpturen
und Gemälden, zum Teil Scenen aus dem Leben der Verstorbenen dar-
stellend, aus denen wir die Sitten, den Kulturzustand besonders in Be-
ziehung auf die Gewerbe erkennen. Bevor wir aber diese interessanten
Abbildungen, die bis 3000 Jahre v. Chr. zurückgehen, näher ins Auge
fassen, wollen wir kurz einen Überblick der weiteren Geschichte Ägyp-
tens, namentlich in Hinblick auf die Bauthätigkeit seiner Könige geben.

Nach der mächtigen vierten Dynastie, die wegen ihrer Prachtbauten
berühmt, aber wegen ihrer Härte und Tyrannei verrufen war, tritt erst
vier Jahrhunderte später die zwölfte Dynastie wieder ruhmvoll in den

Ägypten.
wenn ich mich recht erinnere, was der Dollmetscher, der die Schrift
las, mir sagte, so wurden darauf 1600 Talente Silber (ungefähr acht
Millionen Mark) verwendet. Wenn sich das wirklich so verhält, wieviel
muſs dann natürlich noch weiter aufgewendet worden sein für das
Eisen, mit dem man arbeitete
und für die Nahrung und Kleidung
der Arbeiter!“ Die Wahrheit der Angabe Herodots über die Erbauung
der groſsen Pyramide wird durch ihren gegenwärtigen Zustand be-
stätigt. Sie ist aus Quadern von Granit, der vom oberen Nil herbei-
geschafft wurde, aufgeführt und mit geschliffenen Platten von weiſsem
Numulitenkalk, der von der arabischen Seite herstammt, bekleidet.

Die ältesten Pyramiden, die bei Meidum und Dahschur stehen und
noch der Zeit der dritten Dynastie angehören, sind aus Ziegeln erbaut
und mit Quadern von Kalkstein bekleidet. Wahrscheinlich sind auch
die Pyramiden von Saqara und von Abusir vor König Cheops erbaut.
Der Kern derselben besteht aus rohen Steinblöcken, die durch da-
zwischen geschütteten Nilschlamm verbunden und mit Kalksteinquadern
umkleidet waren.

Schöner und regelmäſsiger als die beiden groſsen Pyramiden aus
der Zeit des Cheops ist die kleinere Pyramide auf dem Felsenplateau von
Gizeh, die König Menkera, der Sohn des Cheops, erbauen lieſs. Sie hat
einen hohen Sockel und erhebt sich in 5 bis 6 stufenförmigen Ab-
sätzen bis 218 Fuſs Höhe. Die Bekleidung ist bis zu bedeutender
Höhe geschliffener Granit.

Die Ausführung solcher Riesenbauten setzt eine zahlreiche, in Ar-
beit geübte Bevölkerung, groſse technische Vorkenntnis, sowie vorzüg-
liche Werkzeuge und Hilfsmittel voraus. Die Pyramiden, die im Inne-
ren Gänge und Kammern mit den Sarkophagen fürstlicher Personen
enthalten, sind umgeben von ausgedehnten meist in den gewachsenen
Fels eingehauenen Felsengräbern, in denen die Mumien der vornehmeren
Diener und Unterthanen der mächtigen, autokratischen Herrscher bei-
gesetzt sind. Die Wände der Grabkammern sind bedeckt mit Skulpturen
und Gemälden, zum Teil Scenen aus dem Leben der Verstorbenen dar-
stellend, aus denen wir die Sitten, den Kulturzustand besonders in Be-
ziehung auf die Gewerbe erkennen. Bevor wir aber diese interessanten
Abbildungen, die bis 3000 Jahre v. Chr. zurückgehen, näher ins Auge
fassen, wollen wir kurz einen Überblick der weiteren Geschichte Ägyp-
tens, namentlich in Hinblick auf die Bauthätigkeit seiner Könige geben.

Nach der mächtigen vierten Dynastie, die wegen ihrer Prachtbauten
berühmt, aber wegen ihrer Härte und Tyrannei verrufen war, tritt erst
vier Jahrhunderte später die zwölfte Dynastie wieder ruhmvoll in den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0080" n="58"/><fw place="top" type="header">Ägypten.</fw><lb/>
wenn ich mich recht erinnere, was der Dollmetscher, der die Schrift<lb/>
las, mir sagte, so wurden darauf 1600 Talente Silber (ungefähr acht<lb/>
Millionen Mark) verwendet. Wenn sich das wirklich so verhält, wieviel<lb/>
mu&#x017F;s dann natürlich noch weiter aufgewendet worden sein für <hi rendition="#g">das<lb/>
Eisen, mit dem man arbeitete</hi> und für die Nahrung und Kleidung<lb/>
der Arbeiter!&#x201C; Die Wahrheit der Angabe Herodots über die Erbauung<lb/>
der gro&#x017F;sen Pyramide wird durch ihren gegenwärtigen Zustand be-<lb/>
stätigt. Sie ist aus Quadern von Granit, der vom oberen Nil herbei-<lb/>
geschafft wurde, aufgeführt und mit geschliffenen Platten von wei&#x017F;sem<lb/>
Numulitenkalk, der von der arabischen Seite herstammt, bekleidet.</p><lb/>
          <p>Die ältesten Pyramiden, die bei Meidum und Dahschur stehen und<lb/>
noch der Zeit der dritten Dynastie angehören, sind aus Ziegeln erbaut<lb/>
und mit Quadern von Kalkstein bekleidet. Wahrscheinlich sind auch<lb/>
die Pyramiden von Saqara und von Abusir vor König Cheops erbaut.<lb/>
Der Kern derselben besteht aus rohen Steinblöcken, die durch da-<lb/>
zwischen geschütteten Nilschlamm verbunden und mit Kalksteinquadern<lb/>
umkleidet waren.</p><lb/>
          <p>Schöner und regelmä&#x017F;siger als die beiden gro&#x017F;sen Pyramiden aus<lb/>
der Zeit des Cheops ist die kleinere Pyramide auf dem Felsenplateau von<lb/>
Gizeh, die König Menkera, der Sohn des Cheops, erbauen lie&#x017F;s. Sie hat<lb/>
einen hohen Sockel und erhebt sich in 5 bis 6 stufenförmigen Ab-<lb/>
sätzen bis 218 Fu&#x017F;s Höhe. Die Bekleidung ist bis zu bedeutender<lb/>
Höhe geschliffener Granit.</p><lb/>
          <p>Die Ausführung solcher Riesenbauten setzt eine zahlreiche, in Ar-<lb/>
beit geübte Bevölkerung, gro&#x017F;se technische Vorkenntnis, sowie vorzüg-<lb/>
liche Werkzeuge und Hilfsmittel voraus. Die Pyramiden, die im Inne-<lb/>
ren Gänge und Kammern mit den Sarkophagen fürstlicher Personen<lb/>
enthalten, sind umgeben von ausgedehnten meist in den gewachsenen<lb/>
Fels eingehauenen Felsengräbern, in denen die Mumien der vornehmeren<lb/>
Diener und Unterthanen der mächtigen, autokratischen Herrscher bei-<lb/>
gesetzt sind. Die Wände der Grabkammern sind bedeckt mit Skulpturen<lb/>
und Gemälden, zum Teil Scenen aus dem Leben der Verstorbenen dar-<lb/>
stellend, aus denen wir die Sitten, den Kulturzustand besonders in Be-<lb/>
ziehung auf <hi rendition="#g">die Gewerbe</hi> erkennen. Bevor wir aber diese interessanten<lb/>
Abbildungen, die bis 3000 Jahre v. Chr. zurückgehen, näher ins Auge<lb/>
fassen, wollen wir kurz einen Überblick der weiteren Geschichte Ägyp-<lb/>
tens, namentlich in Hinblick auf die Bauthätigkeit seiner Könige geben.</p><lb/>
          <p>Nach der mächtigen vierten Dynastie, die wegen ihrer Prachtbauten<lb/>
berühmt, aber wegen ihrer Härte und Tyrannei verrufen war, tritt erst<lb/>
vier Jahrhunderte später die zwölfte Dynastie wieder ruhmvoll in den<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0080] Ägypten. wenn ich mich recht erinnere, was der Dollmetscher, der die Schrift las, mir sagte, so wurden darauf 1600 Talente Silber (ungefähr acht Millionen Mark) verwendet. Wenn sich das wirklich so verhält, wieviel muſs dann natürlich noch weiter aufgewendet worden sein für das Eisen, mit dem man arbeitete und für die Nahrung und Kleidung der Arbeiter!“ Die Wahrheit der Angabe Herodots über die Erbauung der groſsen Pyramide wird durch ihren gegenwärtigen Zustand be- stätigt. Sie ist aus Quadern von Granit, der vom oberen Nil herbei- geschafft wurde, aufgeführt und mit geschliffenen Platten von weiſsem Numulitenkalk, der von der arabischen Seite herstammt, bekleidet. Die ältesten Pyramiden, die bei Meidum und Dahschur stehen und noch der Zeit der dritten Dynastie angehören, sind aus Ziegeln erbaut und mit Quadern von Kalkstein bekleidet. Wahrscheinlich sind auch die Pyramiden von Saqara und von Abusir vor König Cheops erbaut. Der Kern derselben besteht aus rohen Steinblöcken, die durch da- zwischen geschütteten Nilschlamm verbunden und mit Kalksteinquadern umkleidet waren. Schöner und regelmäſsiger als die beiden groſsen Pyramiden aus der Zeit des Cheops ist die kleinere Pyramide auf dem Felsenplateau von Gizeh, die König Menkera, der Sohn des Cheops, erbauen lieſs. Sie hat einen hohen Sockel und erhebt sich in 5 bis 6 stufenförmigen Ab- sätzen bis 218 Fuſs Höhe. Die Bekleidung ist bis zu bedeutender Höhe geschliffener Granit. Die Ausführung solcher Riesenbauten setzt eine zahlreiche, in Ar- beit geübte Bevölkerung, groſse technische Vorkenntnis, sowie vorzüg- liche Werkzeuge und Hilfsmittel voraus. Die Pyramiden, die im Inne- ren Gänge und Kammern mit den Sarkophagen fürstlicher Personen enthalten, sind umgeben von ausgedehnten meist in den gewachsenen Fels eingehauenen Felsengräbern, in denen die Mumien der vornehmeren Diener und Unterthanen der mächtigen, autokratischen Herrscher bei- gesetzt sind. Die Wände der Grabkammern sind bedeckt mit Skulpturen und Gemälden, zum Teil Scenen aus dem Leben der Verstorbenen dar- stellend, aus denen wir die Sitten, den Kulturzustand besonders in Be- ziehung auf die Gewerbe erkennen. Bevor wir aber diese interessanten Abbildungen, die bis 3000 Jahre v. Chr. zurückgehen, näher ins Auge fassen, wollen wir kurz einen Überblick der weiteren Geschichte Ägyp- tens, namentlich in Hinblick auf die Bauthätigkeit seiner Könige geben. Nach der mächtigen vierten Dynastie, die wegen ihrer Prachtbauten berühmt, aber wegen ihrer Härte und Tyrannei verrufen war, tritt erst vier Jahrhunderte später die zwölfte Dynastie wieder ruhmvoll in den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/80
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/80>, abgerufen am 03.05.2024.