nun, als die Verbindungen Solingens sich ausdehnten und einzelne der Kaufleute mit mehr Energie, grösserem Glücke und grösserer Sparsam- keit sich ausschliesslicher dem Handel widmeten, bildete sich nach und nach ein selbständiger Kaufmannsstand. Zu gleicher Zeit ging allmählich der handwerksmässige Betrieb in den hausindustriellen über. Immer seltener wurde es, dass die Schmiede selbst ihre Schwerter ver- handelten; immer allgemeiner arbeiteten sie wie die übrigen Hand- werker nach den Angaben der Kaufleute, diese übernahmen die Lie- ferungen von Eisen, Stahl und anderen Rohstoffen und wenn dieselben bis auf den heutigen Tag formell auch noch als ge- und verkauft gelten, so war thatsächlich der früher selbständige Handwerksmeister, der kleine Fabrikant zu nichts anderem, als zu einem hausindustriellen Lohn- arbeiter geworden.
Der Fortschritt der Schwertschmiedekunst im späteren Mittelalter zeigt sich weit mehr in der Mannigfaltigkeit der Form als in der Qua- lität der Klingen. Wenn wir uns erinnern, dass der griechische Kriegs- schriftsteller Philon die ausserordentliche Elastizität der spanischen Klingen als etwas ganz Bekanntes erwähnt 1), wenn wir der fast begeister- ten Schilderung vorzüglicher Damastklingen König Trasamunds ge- denken 2), wenn wir die Traditionen und Lobpreisungen der berühmten Schwerter der Nationalhelden ins Auge fassen, deren aller Lob und Ruhm sich nur auf die Güte der Klingen bezieht, so können wir nicht behaupten, dass die Schwerttechnik der späteren Zeit, trotz Mannig- faltigkeit und Umfang in dieser Richtung Grösseres geleistet hat. In dieser Beziehung dürften nur die dreikantigen, hohlgeschmiedeten, ganz aus bestem Gärbstahl gefertigten Toledoklingen, deren Ruhm aber erst im 16. Jahrhundert seine Höhe erreichte, genannt werden. Es soll hier indes nicht gesagt sein, dass die Klingenschmiederei dieser Periode hinter der früherer Zeit zurückgestanden hätte. In Umfang und Form sind sogar bedeutende Fortschritte zu konstatieren. Dagegen lässt sich hinsichtlich der Qualität der Klingen keine Neuerung nachweisen, die eine Umwälzung in der Herstellung sowohl bezüglich des Materials als der Technik herbeigeführt hätte. Gravierung, Ätzung, Tauschierung, Vergoldung u. s. w. finden sich in dieser Periode zwar häufiger, doch begegnen wir allen diesen Arten der Dekoration schon früher. Da- gegen zeigen Form und Grösse der Schwerter dieser Zeit eine reichere Mannigfaltigkeit, bedingt durch die Vervollkommnung der Trutzwaffen und die Art der Kampfweise. Das Schwert kam in dieser Periode in
1) Siehe oben S. 449.
2) Siehe S. 718.
Schwertschmiede.
nun, als die Verbindungen Solingens sich ausdehnten und einzelne der Kaufleute mit mehr Energie, gröſserem Glücke und gröſserer Sparsam- keit sich ausschlieſslicher dem Handel widmeten, bildete sich nach und nach ein selbständiger Kaufmannsstand. Zu gleicher Zeit ging allmählich der handwerksmäſsige Betrieb in den hausindustriellen über. Immer seltener wurde es, daſs die Schmiede selbst ihre Schwerter ver- handelten; immer allgemeiner arbeiteten sie wie die übrigen Hand- werker nach den Angaben der Kaufleute, diese übernahmen die Lie- ferungen von Eisen, Stahl und anderen Rohstoffen und wenn dieselben bis auf den heutigen Tag formell auch noch als ge- und verkauft gelten, so war thatsächlich der früher selbständige Handwerksmeister, der kleine Fabrikant zu nichts anderem, als zu einem hausindustriellen Lohn- arbeiter geworden.
Der Fortschritt der Schwertschmiedekunst im späteren Mittelalter zeigt sich weit mehr in der Mannigfaltigkeit der Form als in der Qua- lität der Klingen. Wenn wir uns erinnern, daſs der griechische Kriegs- schriftsteller Philon die auſserordentliche Elastizität der spanischen Klingen als etwas ganz Bekanntes erwähnt 1), wenn wir der fast begeister- ten Schilderung vorzüglicher Damastklingen König Trasamunds ge- denken 2), wenn wir die Traditionen und Lobpreisungen der berühmten Schwerter der Nationalhelden ins Auge fassen, deren aller Lob und Ruhm sich nur auf die Güte der Klingen bezieht, so können wir nicht behaupten, daſs die Schwerttechnik der späteren Zeit, trotz Mannig- faltigkeit und Umfang in dieser Richtung Gröſseres geleistet hat. In dieser Beziehung dürften nur die dreikantigen, hohlgeschmiedeten, ganz aus bestem Gärbstahl gefertigten Toledoklingen, deren Ruhm aber erst im 16. Jahrhundert seine Höhe erreichte, genannt werden. Es soll hier indes nicht gesagt sein, daſs die Klingenschmiederei dieser Periode hinter der früherer Zeit zurückgestanden hätte. In Umfang und Form sind sogar bedeutende Fortschritte zu konstatieren. Dagegen läſst sich hinsichtlich der Qualität der Klingen keine Neuerung nachweisen, die eine Umwälzung in der Herstellung sowohl bezüglich des Materials als der Technik herbeigeführt hätte. Gravierung, Ätzung, Tauschierung, Vergoldung u. s. w. finden sich in dieser Periode zwar häufiger, doch begegnen wir allen diesen Arten der Dekoration schon früher. Da- gegen zeigen Form und Gröſse der Schwerter dieser Zeit eine reichere Mannigfaltigkeit, bedingt durch die Vervollkommnung der Trutzwaffen und die Art der Kampfweise. Das Schwert kam in dieser Periode in
1) Siehe oben S. 449.
2) Siehe S. 718.
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[853/0875]
Schwertschmiede.
nun, als die Verbindungen Solingens sich ausdehnten und einzelne der
Kaufleute mit mehr Energie, gröſserem Glücke und gröſserer Sparsam-
keit sich ausschlieſslicher dem Handel widmeten, bildete sich nach
und nach ein selbständiger Kaufmannsstand. Zu gleicher Zeit ging
allmählich der handwerksmäſsige Betrieb in den hausindustriellen über.
Immer seltener wurde es, daſs die Schmiede selbst ihre Schwerter ver-
handelten; immer allgemeiner arbeiteten sie wie die übrigen Hand-
werker nach den Angaben der Kaufleute, diese übernahmen die Lie-
ferungen von Eisen, Stahl und anderen Rohstoffen und wenn dieselben bis
auf den heutigen Tag formell auch noch als ge- und verkauft gelten, so
war thatsächlich der früher selbständige Handwerksmeister, der kleine
Fabrikant zu nichts anderem, als zu einem hausindustriellen Lohn-
arbeiter geworden.
Der Fortschritt der Schwertschmiedekunst im späteren Mittelalter
zeigt sich weit mehr in der Mannigfaltigkeit der Form als in der Qua-
lität der Klingen. Wenn wir uns erinnern, daſs der griechische Kriegs-
schriftsteller Philon die auſserordentliche Elastizität der spanischen
Klingen als etwas ganz Bekanntes erwähnt 1), wenn wir der fast begeister-
ten Schilderung vorzüglicher Damastklingen König Trasamunds ge-
denken 2), wenn wir die Traditionen und Lobpreisungen der berühmten
Schwerter der Nationalhelden ins Auge fassen, deren aller Lob und
Ruhm sich nur auf die Güte der Klingen bezieht, so können wir nicht
behaupten, daſs die Schwerttechnik der späteren Zeit, trotz Mannig-
faltigkeit und Umfang in dieser Richtung Gröſseres geleistet hat. In
dieser Beziehung dürften nur die dreikantigen, hohlgeschmiedeten, ganz
aus bestem Gärbstahl gefertigten Toledoklingen, deren Ruhm aber erst
im 16. Jahrhundert seine Höhe erreichte, genannt werden. Es soll hier
indes nicht gesagt sein, daſs die Klingenschmiederei dieser Periode hinter
der früherer Zeit zurückgestanden hätte. In Umfang und Form sind
sogar bedeutende Fortschritte zu konstatieren. Dagegen läſst sich
hinsichtlich der Qualität der Klingen keine Neuerung nachweisen, die
eine Umwälzung in der Herstellung sowohl bezüglich des Materials als
der Technik herbeigeführt hätte. Gravierung, Ätzung, Tauschierung,
Vergoldung u. s. w. finden sich in dieser Periode zwar häufiger, doch
begegnen wir allen diesen Arten der Dekoration schon früher. Da-
gegen zeigen Form und Gröſse der Schwerter dieser Zeit eine reichere
Mannigfaltigkeit, bedingt durch die Vervollkommnung der Trutzwaffen
und die Art der Kampfweise. Das Schwert kam in dieser Periode in
1) Siehe oben S. 449.
2) Siehe S. 718.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 853. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/875>, abgerufen am 22.11.2024.
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