Fachschriftsteller giebt an 1), dass dies die erste Anwendung guss- eiserner Kanonenkugeln in Italien gewesen sei. Die Erfindung galt als eine deutsche.
Der Guss eiserner Kugeln florierte im 16. Jahrhundert besonders in der Grafschaft Namur und in Lüttich. Die berühmtesten Giessereien befanden sich in Dinant, Bouvignes und Ciney. Indessen erhielten sich die geschmiedeten Kugeln oder Bleikugeln mit eisernem Kern noch das ganze 16. Jahrhundert 2).
Wenn es aus technischen Gründen auch wahrscheinlich erscheint, dass gusseiserne Kugeln früher gegossen wurden als Kanonen, so ist es
[Abbildung]
Fig. 289.
doch nicht zu bezweifeln, dass die Herstellung gegossener Büchsen sehr alt ist und ist es deshalb nicht minder wichtig für die Geschichte der Erfindung des Eisengusses, diese Frage eingehend zu prüfen. Reiches Material hierfür findet sich in Essenweins Quellen zur Ge- schichte der Feuerwaffen 3).
Gegossene Eisengeschütze werden in Deutschland zuerst im Jahre 1422 im Hussitenkriege bei der Belagerung von Karlstein erwähnt 3). "Die Röhren von Eisen waren teils geschmiedet, teils gegossen, die Kugeln von Stein". Ob diese Mitteilung zuverlässig ist, müssen wir vorläufig dahin gestellt sein lassen. Sie wird indessen unterstützt durch verschiedene Thatsachen.
Die eigentliche Büchse (die Pulverkammer), die Berthold Schwarz zuerst aus Bronze goss, scheint derjenige Teil der Kanone gewesen zu sein, der zuerst aus Eisen gegossen wurde. Dies geschah besonders
1) V. Biringuccio, Pyrotechnia. Libro VII delle palle di ferro, S. 247.
2) 1566 schliesst die Stadt Mecheln mit dem Schmiedemeister Henry Jamotte von Soulienne in der Grafschaft Namur einen Vertrag ab, 5000 Stück Kugeln von 5, 31/2 und 11/2 Pfund Gewicht zu liefern: le tout a telle rondeur et grosseur dont audit Jamotte sont delivres les patrons ou calibres, et au cas que les ditz bolletz ne fussent faits et forges rontz et de bonne facon, comme il appartient, sera ledict Jamotte tenu en delivrer autres bolletz duysables et propres (Minute aux archives de Malines).
3) Herausgegeben vom germanischen Museum, Leipzig 1877.
3) Burians Geschützwesen in Böhmen. Würdinger, Kriegsgeschichte von Bayern, Franken von 1347 bis 1506, Bd. I, S. 157.
Feuerwaffen.
Fachschriftsteller giebt an 1), daſs dies die erste Anwendung guſs- eiserner Kanonenkugeln in Italien gewesen sei. Die Erfindung galt als eine deutsche.
Der Guſs eiserner Kugeln florierte im 16. Jahrhundert besonders in der Grafschaft Namur und in Lüttich. Die berühmtesten Gieſsereien befanden sich in Dinant, Bouvignes und Ciney. Indessen erhielten sich die geschmiedeten Kugeln oder Bleikugeln mit eisernem Kern noch das ganze 16. Jahrhundert 2).
Wenn es aus technischen Gründen auch wahrscheinlich erscheint, daſs guſseiserne Kugeln früher gegossen wurden als Kanonen, so ist es
[Abbildung]
Fig. 289.
doch nicht zu bezweifeln, daſs die Herstellung gegossener Büchsen sehr alt ist und ist es deshalb nicht minder wichtig für die Geschichte der Erfindung des Eisengusses, diese Frage eingehend zu prüfen. Reiches Material hierfür findet sich in Essenweins Quellen zur Ge- schichte der Feuerwaffen 3).
Gegossene Eisengeschütze werden in Deutschland zuerst im Jahre 1422 im Hussitenkriege bei der Belagerung von Karlstein erwähnt 3). „Die Röhren von Eisen waren teils geschmiedet, teils gegossen, die Kugeln von Stein“. Ob diese Mitteilung zuverlässig ist, müssen wir vorläufig dahin gestellt sein lassen. Sie wird indessen unterstützt durch verschiedene Thatsachen.
Die eigentliche Büchse (die Pulverkammer), die Berthold Schwarz zuerst aus Bronze goſs, scheint derjenige Teil der Kanone gewesen zu sein, der zuerst aus Eisen gegossen wurde. Dies geschah besonders
1) V. Biringuccio, Pyrotechnia. Libro VII delle palle di ferro, S. 247.
2) 1566 schlieſst die Stadt Mecheln mit dem Schmiedemeister Henry Jamotte von Soulienne in der Grafschaft Namur einen Vertrag ab, 5000 Stück Kugeln von 5, 3½ und 1½ Pfund Gewicht zu liefern: le tout a telle rondeur et grosseur dont audit Jamotte sont délivrés les patrons ou calibres, et au cas que les ditz bolletz ne fussent faits et forgés rontz et de bonne facon, comme il appartient, sera ledict Jamotte tenu en delivrer autres bolletz duysables et propres (Minute aux archives de Malines).
3) Herausgegeben vom germanischen Museum, Leipzig 1877.
3) Burians Geschützwesen in Böhmen. Würdinger, Kriegsgeschichte von Bayern, Franken von 1347 bis 1506, Bd. I, S. 157.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0933"n="911"/><fwplace="top"type="header">Feuerwaffen.</fw><lb/>
Fachschriftsteller giebt an <noteplace="foot"n="1)">V. Biringuccio, Pyrotechnia. Libro VII delle palle di ferro, S. 247.</note>, daſs dies die erste Anwendung guſs-<lb/>
eiserner Kanonenkugeln in Italien gewesen sei. Die Erfindung galt<lb/>
als eine deutsche.</p><lb/><p>Der Guſs eiserner Kugeln florierte im 16. Jahrhundert besonders<lb/>
in der Grafschaft Namur und in Lüttich. Die berühmtesten Gieſsereien<lb/>
befanden sich in Dinant, Bouvignes und Ciney. Indessen erhielten<lb/>
sich die geschmiedeten Kugeln oder Bleikugeln mit eisernem Kern noch<lb/>
das ganze 16. Jahrhundert <noteplace="foot"n="2)">1566 schlieſst die Stadt Mecheln mit dem Schmiedemeister Henry Jamotte von<lb/>
Soulienne in der Grafschaft Namur einen Vertrag ab, 5000 Stück Kugeln von<lb/>
5, 3½ und 1½ Pfund Gewicht zu liefern: le tout a telle rondeur et grosseur dont<lb/>
audit Jamotte sont délivrés les patrons ou calibres, et au cas que les ditz bolletz<lb/>
ne fussent faits et forgés rontz et de bonne facon, comme il appartient, sera<lb/>
ledict Jamotte tenu en delivrer autres bolletz duysables et propres (Minute aux<lb/>
archives de Malines).</note>.</p><lb/><p>Wenn es aus technischen Gründen auch wahrscheinlich erscheint,<lb/>
daſs guſseiserne Kugeln früher gegossen wurden als Kanonen, so ist es<lb/><figure><head>Fig. 289.</head></figure><lb/>
doch nicht zu bezweifeln, daſs die Herstellung gegossener Büchsen<lb/>
sehr alt ist und ist es deshalb nicht minder wichtig für die Geschichte<lb/>
der Erfindung des Eisengusses, diese Frage eingehend zu prüfen.<lb/>
Reiches Material hierfür findet sich in Essenweins Quellen zur Ge-<lb/>
schichte der Feuerwaffen <noteplace="foot"n="3)">Herausgegeben vom germanischen Museum, Leipzig<lb/>
1877.</note>.</p><lb/><p>Gegossene Eisengeschütze werden in Deutschland zuerst im Jahre<lb/>
1422 im Hussitenkriege bei der Belagerung von Karlstein erwähnt <noteplace="foot"n="3)">Burians Geschützwesen in Böhmen. Würdinger, Kriegsgeschichte von<lb/>
Bayern, Franken von 1347 bis 1506, Bd. I, S. 157.</note>.<lb/>„Die Röhren von Eisen waren teils geschmiedet, teils gegossen, die<lb/>
Kugeln von Stein“. Ob diese Mitteilung zuverlässig ist, müssen wir<lb/>
vorläufig dahin gestellt sein lassen. Sie wird indessen unterstützt<lb/>
durch verschiedene Thatsachen.</p><lb/><p>Die eigentliche Büchse (die Pulverkammer), die Berthold Schwarz<lb/>
zuerst aus Bronze goſs, scheint derjenige Teil der Kanone gewesen zu<lb/>
sein, der zuerst aus Eisen gegossen wurde. Dies geschah besonders<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[911/0933]
Feuerwaffen.
Fachschriftsteller giebt an 1), daſs dies die erste Anwendung guſs-
eiserner Kanonenkugeln in Italien gewesen sei. Die Erfindung galt
als eine deutsche.
Der Guſs eiserner Kugeln florierte im 16. Jahrhundert besonders
in der Grafschaft Namur und in Lüttich. Die berühmtesten Gieſsereien
befanden sich in Dinant, Bouvignes und Ciney. Indessen erhielten
sich die geschmiedeten Kugeln oder Bleikugeln mit eisernem Kern noch
das ganze 16. Jahrhundert 2).
Wenn es aus technischen Gründen auch wahrscheinlich erscheint,
daſs guſseiserne Kugeln früher gegossen wurden als Kanonen, so ist es
[Abbildung Fig. 289.]
doch nicht zu bezweifeln, daſs die Herstellung gegossener Büchsen
sehr alt ist und ist es deshalb nicht minder wichtig für die Geschichte
der Erfindung des Eisengusses, diese Frage eingehend zu prüfen.
Reiches Material hierfür findet sich in Essenweins Quellen zur Ge-
schichte der Feuerwaffen 3).
Gegossene Eisengeschütze werden in Deutschland zuerst im Jahre
1422 im Hussitenkriege bei der Belagerung von Karlstein erwähnt 3).
„Die Röhren von Eisen waren teils geschmiedet, teils gegossen, die
Kugeln von Stein“. Ob diese Mitteilung zuverlässig ist, müssen wir
vorläufig dahin gestellt sein lassen. Sie wird indessen unterstützt
durch verschiedene Thatsachen.
Die eigentliche Büchse (die Pulverkammer), die Berthold Schwarz
zuerst aus Bronze goſs, scheint derjenige Teil der Kanone gewesen zu
sein, der zuerst aus Eisen gegossen wurde. Dies geschah besonders
1) V. Biringuccio, Pyrotechnia. Libro VII delle palle di ferro, S. 247.
2) 1566 schlieſst die Stadt Mecheln mit dem Schmiedemeister Henry Jamotte von
Soulienne in der Grafschaft Namur einen Vertrag ab, 5000 Stück Kugeln von
5, 3½ und 1½ Pfund Gewicht zu liefern: le tout a telle rondeur et grosseur dont
audit Jamotte sont délivrés les patrons ou calibres, et au cas que les ditz bolletz
ne fussent faits et forgés rontz et de bonne facon, comme il appartient, sera
ledict Jamotte tenu en delivrer autres bolletz duysables et propres (Minute aux
archives de Malines).
3) Herausgegeben vom germanischen Museum, Leipzig
1877.
3) Burians Geschützwesen in Böhmen. Würdinger, Kriegsgeschichte von
Bayern, Franken von 1347 bis 1506, Bd. I, S. 157.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 911. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/933>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.