sich stetig der Säge zu bewegen muss. Schon diese technische Er- wägung hätte Beckmann von obiger Äusserung abhalten sollen. Die Holzsägemühlen sind wahrscheinlich erst im Anfange des 14. Jahr- hunderts in Deutschland erfunden worden. Die ältesten Nachrichten stammen von Augsburg 1). In dem dortigen Bürgerbuche wird bei dem Jahre 1338 der Name eines Bürgers "dictus Giss Sägemüller" aufgeführt, und in dortigen Bauamtsrechnungen kommt bereits 1322 ein Ausgabe- posten, der sich hernach öfter wiederholt, unter folgender Rubrik vor:
"Molitori dicto Hanrey pro asseribus et swaertlingis." Schwärt- linge, bei uns Schwarten genannt, sind die äussersten Bretter des ge- schnittenen Baumes. Diese Hanreymühle, die noch besteht, wurde also schon 1322 auch als Holzschneidemühle betrieben.
Der Gebrauch der Sägemühlen verbreitete sich rasch und war im 15. Jahrhundert bereits ziemlich allgemein. So liess z. B. der Infant Heinrich im Jahre 1420 auf der neuentdeckten Insel Madeira Säge- mühlen, die von Wasser getrieben wurden, anlegen, um die herrlichen Holzarten zu Brettern sägen und solche nach Portugal bringen zu lassen.
Später als die lebendige Kraft des fliessenden Wassers lernte man diejenige des Windes benutzen. Es ist nicht wahrscheinlich, dass die Griechen oder die Römer bereits Windmühlen kannten, da ihre Schriftsteller davon nichts erwähnen. Vitruvs Schweigen über diese Art Mühlen beweist, dass sie ihm unbekannt waren. Auch die Nach- richten, dass die Windmühlen aus dem Orient nach Europa gekommen wären, und zwar in den Kreuzzügen, ist wenig glaubhaft, da sie weder in Palästina, Arabien oder Persien bekannt sind. Es scheint vielmehr, dass Windmühlen in Mitteleuropa und zwar speziell im mittlern Deutschland zuerst erfunden wurden.
Wenzel Hazek, der alte böhmische Annalist, behauptet, dass vor dem Jahre 718 alle Mühlen in Böhmen Windmühlen gewesen seien. Er schreibt: In der selbigen Zeit (718) baute einer, mit Namen Halek, des Madi Sohn, dem Schwach, daselbst unter der Stadt eine meister- liche Mühl, die von Wasser getrieben wurde. Daselbst kamen viele Böhmen hin und verwunderten sich darüber, nahmen auch allda das Muster und baueten ihnen an den Wasserflüssen hin und her der- gleichen Mühlen; denn vor diesen sind alle böhmischen Mühlen auf den Bergen und an Winden gewesen.
Diese Nachricht klingt zwar unwahrscheinlich, doch ist sie nicht so ganz zu verwerfen. Der Bergbau blühte damals bereits in Böhmen und gerade der Bergbau scheint zuerst Windmühlen zur Förderung und
1) Beckmann a. a. O. 2, 268 etc.
Windmühlen.
sich stetig der Säge zu bewegen muſs. Schon diese technische Er- wägung hätte Beckmann von obiger Äuſserung abhalten sollen. Die Holzsägemühlen sind wahrscheinlich erst im Anfange des 14. Jahr- hunderts in Deutschland erfunden worden. Die ältesten Nachrichten stammen von Augsburg 1). In dem dortigen Bürgerbuche wird bei dem Jahre 1338 der Name eines Bürgers „dictus Giss Sägemüller“ aufgeführt, und in dortigen Bauamtsrechnungen kommt bereits 1322 ein Ausgabe- posten, der sich hernach öfter wiederholt, unter folgender Rubrik vor:
„Molitori dicto Hanrey pro asseribus et swaertlingis.“ Schwärt- linge, bei uns Schwarten genannt, sind die äuſsersten Bretter des ge- schnittenen Baumes. Diese Hanreymühle, die noch besteht, wurde also schon 1322 auch als Holzschneidemühle betrieben.
Der Gebrauch der Sägemühlen verbreitete sich rasch und war im 15. Jahrhundert bereits ziemlich allgemein. So lieſs z. B. der Infant Heinrich im Jahre 1420 auf der neuentdeckten Insel Madeira Säge- mühlen, die von Wasser getrieben wurden, anlegen, um die herrlichen Holzarten zu Brettern sägen und solche nach Portugal bringen zu lassen.
Später als die lebendige Kraft des flieſsenden Wassers lernte man diejenige des Windes benutzen. Es ist nicht wahrscheinlich, daſs die Griechen oder die Römer bereits Windmühlen kannten, da ihre Schriftsteller davon nichts erwähnen. Vitruvs Schweigen über diese Art Mühlen beweist, daſs sie ihm unbekannt waren. Auch die Nach- richten, daſs die Windmühlen aus dem Orient nach Europa gekommen wären, und zwar in den Kreuzzügen, ist wenig glaubhaft, da sie weder in Palästina, Arabien oder Persien bekannt sind. Es scheint vielmehr, daſs Windmühlen in Mitteleuropa und zwar speziell im mittlern Deutschland zuerst erfunden wurden.
Wenzel Hazek, der alte böhmische Annalist, behauptet, daſs vor dem Jahre 718 alle Mühlen in Böhmen Windmühlen gewesen seien. Er schreibt: In der selbigen Zeit (718) baute einer, mit Namen Halek, des Madi Sohn, dem Schwach, daselbst unter der Stadt eine meister- liche Mühl, die von Wasser getrieben wurde. Daselbst kamen viele Böhmen hin und verwunderten sich darüber, nahmen auch allda das Muster und baueten ihnen an den Wasserflüssen hin und her der- gleichen Mühlen; denn vor diesen sind alle böhmischen Mühlen auf den Bergen und an Winden gewesen.
Diese Nachricht klingt zwar unwahrscheinlich, doch ist sie nicht so ganz zu verwerfen. Der Bergbau blühte damals bereits in Böhmen und gerade der Bergbau scheint zuerst Windmühlen zur Förderung und
1) Beckmann a. a. O. 2, 268 etc.
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Windmühlen.
sich stetig der Säge zu bewegen muſs. Schon diese technische Er-
wägung hätte Beckmann von obiger Äuſserung abhalten sollen. Die
Holzsägemühlen sind wahrscheinlich erst im Anfange des 14. Jahr-
hunderts in Deutschland erfunden worden. Die ältesten Nachrichten
stammen von Augsburg 1). In dem dortigen Bürgerbuche wird bei dem
Jahre 1338 der Name eines Bürgers „dictus Giss Sägemüller“ aufgeführt,
und in dortigen Bauamtsrechnungen kommt bereits 1322 ein Ausgabe-
posten, der sich hernach öfter wiederholt, unter folgender Rubrik vor:
„Molitori dicto Hanrey pro asseribus et swaertlingis.“ Schwärt-
linge, bei uns Schwarten genannt, sind die äuſsersten Bretter des ge-
schnittenen Baumes. Diese Hanreymühle, die noch besteht, wurde
also schon 1322 auch als Holzschneidemühle betrieben.
Der Gebrauch der Sägemühlen verbreitete sich rasch und war im
15. Jahrhundert bereits ziemlich allgemein. So lieſs z. B. der Infant
Heinrich im Jahre 1420 auf der neuentdeckten Insel Madeira Säge-
mühlen, die von Wasser getrieben wurden, anlegen, um die herrlichen
Holzarten zu Brettern sägen und solche nach Portugal bringen zu lassen.
Später als die lebendige Kraft des flieſsenden Wassers lernte
man diejenige des Windes benutzen. Es ist nicht wahrscheinlich, daſs
die Griechen oder die Römer bereits Windmühlen kannten, da ihre
Schriftsteller davon nichts erwähnen. Vitruvs Schweigen über diese
Art Mühlen beweist, daſs sie ihm unbekannt waren. Auch die Nach-
richten, daſs die Windmühlen aus dem Orient nach Europa gekommen
wären, und zwar in den Kreuzzügen, ist wenig glaubhaft, da sie weder
in Palästina, Arabien oder Persien bekannt sind. Es scheint vielmehr,
daſs Windmühlen in Mitteleuropa und zwar speziell im mittlern
Deutschland zuerst erfunden wurden.
Wenzel Hazek, der alte böhmische Annalist, behauptet, daſs vor
dem Jahre 718 alle Mühlen in Böhmen Windmühlen gewesen seien.
Er schreibt: In der selbigen Zeit (718) baute einer, mit Namen Halek,
des Madi Sohn, dem Schwach, daselbst unter der Stadt eine meister-
liche Mühl, die von Wasser getrieben wurde. Daselbst kamen viele
Böhmen hin und verwunderten sich darüber, nahmen auch allda das
Muster und baueten ihnen an den Wasserflüssen hin und her der-
gleichen Mühlen; denn vor diesen sind alle böhmischen Mühlen auf
den Bergen und an Winden gewesen.
Diese Nachricht klingt zwar unwahrscheinlich, doch ist sie nicht
so ganz zu verwerfen. Der Bergbau blühte damals bereits in Böhmen
und gerade der Bergbau scheint zuerst Windmühlen zur Förderung und
1) Beckmann a. a. O. 2, 268 etc.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 955. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/977>, abgerufen am 22.11.2024.
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