Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Thüringen im 17. Jahrhundert.
Supplik des Johann Friederici von und zu Holdinghausen nebst an-
deren Gewerken in Betreff des Zehentsteins war schon vom Grafen
Johann unter dem 4. Februar 1606 bewilligt worden, dass der Zehnte
nicht mehr in natura, sondern in Geld entrichtet werden könnte.

Von den 312 Kuxen des Stahlbergs gehörten nachmals 205 den
vier Hüttengewerkschaften, 55 dem herrschaftlichen Hüttenwerk zu
Lohe und 52 dem adligen Gute zu Burgholdinghausen.



Thüringen.

Die wichtigsten Eisenindustrieplätze Thüringens, Schmalkalden
und Suhl, hatten im 30 jährigen Kriege entsetzlich zu leiden. In dem
Grenzgebiet des Kampfes zwischen Nord- und Süddeutschland gelegen,
hörten in der ganzen langen Zeit die Beunruhigungen durch Truppen-
durchzüge und Brandschatzungen nicht auf. Dazu kam, dass beide
Städte durch ihren Wohlstand die Habgier der auf Erpressung an-
gewiesenen Truppenführer reizten; aber auch die besondere Art der
Industrie lockte die Parteien, sich in den Besitz der Städte zu setzen.
Eisen war auch im Kriege unentbehrlich und Waffen begehrte ein
Jeder. So wurden die Städte von den Siegern besetzt, um sich ihren
Besitz zu sichern, von den Besiegten zerstört, um den Feind zu
schädigen.

Schmalkalden hatte schon vor dem Kriege schwer zu leiden ge-
habt unter der gewaltsamen Einführung des reformierten Bekennt-
nisses durch Landgraf Moritz von Hessen-Kassel. Dies war so ge-
kommen. Nach dem Tode des letzten hennebergischen Grafen Georg
Ernst am 27. Dezember 1583 gelangte Landgraf Wilhelm IV. von
Hessen in den alleinigen Besitz des hennebergischen Landes. Ihm
folgte sein Sohn Moritz, welcher, hauptsächlich durch seine Ge-
mahlin dazu bestimmt, von der lutherischen zur reformierten Kirche
übertrat. Dadurch setzte er sich in direkten Widerspruch mit den
Traditionen seines Hauses und mit den Testamentsbestimmungen
seines Grossvaters Philipp des Grossmütigen. Als nun 1604 Landgraf
Ludwig IV. von Marburg kinderlos gestorben war und Moritz eben-
falls im Widerspruch mit dessen testamentarischen Bestimmungen in
den ihm zugefallenen Landesteilen das reformierte Bekenntnis ein-
führte, brach der hessische Erbfolgestreit aus, welcher mit dem
30jährigen Kriege verflochten bis gegen Ende desselben dauerte.

Thüringen im 17. Jahrhundert.
Supplik des Johann Friederici von und zu Holdinghausen nebst an-
deren Gewerken in Betreff des Zehentsteins war schon vom Grafen
Johann unter dem 4. Februar 1606 bewilligt worden, daſs der Zehnte
nicht mehr in natura, sondern in Geld entrichtet werden könnte.

Von den 312 Kuxen des Stahlbergs gehörten nachmals 205 den
vier Hüttengewerkschaften, 55 dem herrschaftlichen Hüttenwerk zu
Lohe und 52 dem adligen Gute zu Burgholdinghausen.



Thüringen.

Die wichtigsten Eisenindustrieplätze Thüringens, Schmalkalden
und Suhl, hatten im 30 jährigen Kriege entsetzlich zu leiden. In dem
Grenzgebiet des Kampfes zwischen Nord- und Süddeutschland gelegen,
hörten in der ganzen langen Zeit die Beunruhigungen durch Truppen-
durchzüge und Brandschatzungen nicht auf. Dazu kam, daſs beide
Städte durch ihren Wohlstand die Habgier der auf Erpressung an-
gewiesenen Truppenführer reizten; aber auch die besondere Art der
Industrie lockte die Parteien, sich in den Besitz der Städte zu setzen.
Eisen war auch im Kriege unentbehrlich und Waffen begehrte ein
Jeder. So wurden die Städte von den Siegern besetzt, um sich ihren
Besitz zu sichern, von den Besiegten zerstört, um den Feind zu
schädigen.

Schmalkalden hatte schon vor dem Kriege schwer zu leiden ge-
habt unter der gewaltsamen Einführung des reformierten Bekennt-
nisses durch Landgraf Moritz von Hessen-Kassel. Dies war so ge-
kommen. Nach dem Tode des letzten hennebergischen Grafen Georg
Ernst am 27. Dezember 1583 gelangte Landgraf Wilhelm IV. von
Hessen in den alleinigen Besitz des hennebergischen Landes. Ihm
folgte sein Sohn Moritz, welcher, hauptsächlich durch seine Ge-
mahlin dazu bestimmt, von der lutherischen zur reformierten Kirche
übertrat. Dadurch setzte er sich in direkten Widerspruch mit den
Traditionen seines Hauses und mit den Testamentsbestimmungen
seines Groſsvaters Philipp des Groſsmütigen. Als nun 1604 Landgraf
Ludwig IV. von Marburg kinderlos gestorben war und Moritz eben-
falls im Widerspruch mit dessen testamentarischen Bestimmungen in
den ihm zugefallenen Landesteilen das reformierte Bekenntnis ein-
führte, brach der hessische Erbfolgestreit aus, welcher mit dem
30jährigen Kriege verflochten bis gegen Ende desselben dauerte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f1121" n="1099"/><fw place="top" type="header">Thüringen im 17. Jahrhundert.</fw><lb/>
Supplik des Johann Friederici von und zu Holdinghausen nebst an-<lb/>
deren Gewerken in Betreff des Zehentsteins war schon vom Grafen<lb/>
Johann unter dem 4. Februar 1606 bewilligt worden, da&#x017F;s der Zehnte<lb/>
nicht mehr in natura, sondern in Geld entrichtet werden könnte.</p><lb/>
              <p>Von den 312 Kuxen des Stahlbergs gehörten nachmals 205 den<lb/>
vier Hüttengewerkschaften, 55 dem herrschaftlichen Hüttenwerk zu<lb/>
Lohe und 52 dem adligen Gute zu Burgholdinghausen.</p>
            </div><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Thüringen</hi>.</hi> </head><lb/>
              <p>Die wichtigsten Eisenindustrieplätze Thüringens, Schmalkalden<lb/>
und Suhl, hatten im 30 jährigen Kriege entsetzlich zu leiden. In dem<lb/>
Grenzgebiet des Kampfes zwischen Nord- und Süddeutschland gelegen,<lb/>
hörten in der ganzen langen Zeit die Beunruhigungen durch Truppen-<lb/>
durchzüge und Brandschatzungen nicht auf. Dazu kam, da&#x017F;s beide<lb/>
Städte durch ihren Wohlstand die Habgier der auf Erpressung an-<lb/>
gewiesenen Truppenführer reizten; aber auch die besondere Art der<lb/>
Industrie lockte die Parteien, sich in den Besitz der Städte zu setzen.<lb/>
Eisen war auch im Kriege unentbehrlich und Waffen begehrte ein<lb/>
Jeder. So wurden die Städte von den Siegern besetzt, um sich ihren<lb/>
Besitz zu sichern, von den Besiegten zerstört, um den Feind zu<lb/>
schädigen.</p><lb/>
              <p>Schmalkalden hatte schon vor dem Kriege schwer zu leiden ge-<lb/>
habt unter der gewaltsamen Einführung des reformierten Bekennt-<lb/>
nisses durch Landgraf Moritz von Hessen-Kassel. Dies war so ge-<lb/>
kommen. Nach dem Tode des letzten hennebergischen Grafen Georg<lb/>
Ernst am 27. Dezember 1583 gelangte Landgraf Wilhelm IV. von<lb/>
Hessen in den alleinigen Besitz des hennebergischen Landes. Ihm<lb/>
folgte sein Sohn Moritz, welcher, hauptsächlich durch seine Ge-<lb/>
mahlin dazu bestimmt, von der lutherischen zur reformierten Kirche<lb/>
übertrat. Dadurch setzte er sich in direkten Widerspruch mit den<lb/>
Traditionen seines Hauses und mit den Testamentsbestimmungen<lb/>
seines Gro&#x017F;svaters Philipp des Gro&#x017F;smütigen. Als nun 1604 Landgraf<lb/>
Ludwig IV. von Marburg kinderlos gestorben war und Moritz eben-<lb/>
falls im Widerspruch mit dessen testamentarischen Bestimmungen in<lb/>
den ihm zugefallenen Landesteilen das reformierte Bekenntnis ein-<lb/>
führte, brach der hessische Erbfolgestreit aus, welcher mit dem<lb/>
30jährigen Kriege verflochten bis gegen Ende desselben dauerte.<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1099/1121] Thüringen im 17. Jahrhundert. Supplik des Johann Friederici von und zu Holdinghausen nebst an- deren Gewerken in Betreff des Zehentsteins war schon vom Grafen Johann unter dem 4. Februar 1606 bewilligt worden, daſs der Zehnte nicht mehr in natura, sondern in Geld entrichtet werden könnte. Von den 312 Kuxen des Stahlbergs gehörten nachmals 205 den vier Hüttengewerkschaften, 55 dem herrschaftlichen Hüttenwerk zu Lohe und 52 dem adligen Gute zu Burgholdinghausen. Thüringen. Die wichtigsten Eisenindustrieplätze Thüringens, Schmalkalden und Suhl, hatten im 30 jährigen Kriege entsetzlich zu leiden. In dem Grenzgebiet des Kampfes zwischen Nord- und Süddeutschland gelegen, hörten in der ganzen langen Zeit die Beunruhigungen durch Truppen- durchzüge und Brandschatzungen nicht auf. Dazu kam, daſs beide Städte durch ihren Wohlstand die Habgier der auf Erpressung an- gewiesenen Truppenführer reizten; aber auch die besondere Art der Industrie lockte die Parteien, sich in den Besitz der Städte zu setzen. Eisen war auch im Kriege unentbehrlich und Waffen begehrte ein Jeder. So wurden die Städte von den Siegern besetzt, um sich ihren Besitz zu sichern, von den Besiegten zerstört, um den Feind zu schädigen. Schmalkalden hatte schon vor dem Kriege schwer zu leiden ge- habt unter der gewaltsamen Einführung des reformierten Bekennt- nisses durch Landgraf Moritz von Hessen-Kassel. Dies war so ge- kommen. Nach dem Tode des letzten hennebergischen Grafen Georg Ernst am 27. Dezember 1583 gelangte Landgraf Wilhelm IV. von Hessen in den alleinigen Besitz des hennebergischen Landes. Ihm folgte sein Sohn Moritz, welcher, hauptsächlich durch seine Ge- mahlin dazu bestimmt, von der lutherischen zur reformierten Kirche übertrat. Dadurch setzte er sich in direkten Widerspruch mit den Traditionen seines Hauses und mit den Testamentsbestimmungen seines Groſsvaters Philipp des Groſsmütigen. Als nun 1604 Landgraf Ludwig IV. von Marburg kinderlos gestorben war und Moritz eben- falls im Widerspruch mit dessen testamentarischen Bestimmungen in den ihm zugefallenen Landesteilen das reformierte Bekenntnis ein- führte, brach der hessische Erbfolgestreit aus, welcher mit dem 30jährigen Kriege verflochten bis gegen Ende desselben dauerte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1121
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 1099. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1121>, abgerufen am 22.11.2024.