1697 wurden auf den Harzer Hütten zuerst eiserne Formen ein- geführt.
Westfalen.
Die Eisenindustrie Westfalens entwickelte sich auf der früher geschilderten Grundlage weiter. Die Drahtfabrikation der drei märkischen Städte Lüdenscheid, Altena und Iserlohn, die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ihr altes Bundesverhältnis vertragsmässig ordneten, nahm immer grösseren Umfang an und damit vermehrte sich zugleich die Zahl der Osmundhämmer. Besonders er- blühte das Gewerbe in Iserlohn durch Einführung der Kratzen- drahtfabrikation1). Hermann Schmöle gebührt das Verdienst, dieselbe von Aachen nach Iserlohn verpflanzt zu haben. Er war selbst ein Schmied und Drahtzieher und fuhr als solcher um 1615 einen Karren 3. oder 4. Schillingsdraht nach Aachen. Von da brachte er ausser Geld den Kratzendrahtzieher Johann Lindloh von Aachen mit den nötigen Werkzeugen von "Dörstlingen und Drahteisen" mit in seine Heimat zurück. Dieser führte das Ziehen der feinen Draht- sorten ein. Man that dies anfangs mit der Hand; nach und nach wurden aber die "Winnen" (Feinzüge) auf Wasserwerke gelegt 2). Die Gewässer der Ihmert, Westig, Sundwig und Hemer, wo vorher gröberer Draht gezogen worden war, bedeckten sich mit Kratzendraht- rollen. Der Absatz stieg über Erwarten, besonders nachdem der 30 jährige Krieg beendet war. Ende des 17. Jahrhunderts zählte man 221 Wasserwinnen ohne die Handwinnen, auf denen 8000 Ctr. Draht gezogen wurde.
Ein grosser Teil dieser Wasserwinnen befand sich ausserhalb der Stadt auf dem platten Land. Eine pestartige Seuche soll angeblich die Drahtzieher aus der Stadt vertrieben haben. Durch Verordnung vom 25. März 1622 erhielten die Hausleute ausser den Städten Iser- lohn und Altena das Recht zu bleiben, mussten aber in einer dieser
1) Vergl. Jacobi, Berg- und Hüttenwesen des Regierungsbezirks Arnsberg.
2) Die Stahlordnung von 1678 erwähnt nicht die Wasserwinnen und Scheiben; der feine Kratzendraht wurde damals noch meistens auf Handwinnen gezogen.
Westfalen im 17. Jahrhundert.
Thlr. Gr. Pf.
Fuhrlöhne: 1 Fuder Erz vom Iberg — 16 —
Röstholz pro Karren — 9 —
Wageisen nach Zellerfeld pro Waag — 1 3
1697 wurden auf den Harzer Hütten zuerst eiserne Formen ein- geführt.
Westfalen.
Die Eisenindustrie Westfalens entwickelte sich auf der früher geschilderten Grundlage weiter. Die Drahtfabrikation der drei märkischen Städte Lüdenscheid, Altena und Iserlohn, die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ihr altes Bundesverhältnis vertragsmäſsig ordneten, nahm immer gröſseren Umfang an und damit vermehrte sich zugleich die Zahl der Osmundhämmer. Besonders er- blühte das Gewerbe in Iserlohn durch Einführung der Kratzen- drahtfabrikation1). Hermann Schmöle gebührt das Verdienst, dieselbe von Aachen nach Iserlohn verpflanzt zu haben. Er war selbst ein Schmied und Drahtzieher und fuhr als solcher um 1615 einen Karren 3. oder 4. Schillingsdraht nach Aachen. Von da brachte er auſser Geld den Kratzendrahtzieher Johann Lindloh von Aachen mit den nötigen Werkzeugen von „Dörstlingen und Drahteisen“ mit in seine Heimat zurück. Dieser führte das Ziehen der feinen Draht- sorten ein. Man that dies anfangs mit der Hand; nach und nach wurden aber die „Winnen“ (Feinzüge) auf Wasserwerke gelegt 2). Die Gewässer der Ihmert, Westig, Sundwig und Hemer, wo vorher gröberer Draht gezogen worden war, bedeckten sich mit Kratzendraht- rollen. Der Absatz stieg über Erwarten, besonders nachdem der 30 jährige Krieg beendet war. Ende des 17. Jahrhunderts zählte man 221 Wasserwinnen ohne die Handwinnen, auf denen 8000 Ctr. Draht gezogen wurde.
Ein groſser Teil dieser Wasserwinnen befand sich auſserhalb der Stadt auf dem platten Land. Eine pestartige Seuche soll angeblich die Drahtzieher aus der Stadt vertrieben haben. Durch Verordnung vom 25. März 1622 erhielten die Hausleute auſser den Städten Iser- lohn und Altena das Recht zu bleiben, muſsten aber in einer dieser
1) Vergl. Jacobi, Berg- und Hüttenwesen des Regierungsbezirks Arnsberg.
2) Die Stahlordnung von 1678 erwähnt nicht die Wasserwinnen und Scheiben; der feine Kratzendraht wurde damals noch meistens auf Handwinnen gezogen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f1196"n="1174"/><fwplace="top"type="header">Westfalen im 17. Jahrhundert.</fw><lb/><list><item><hirendition="#et">Thlr. Gr. Pf.</hi></item><lb/><item>Fuhrlöhne: 1 Fuder Erz vom Iberg <spacedim="horizontal"/>— 16 —</item><lb/><item><hirendition="#et">Röstholz pro Karren <spacedim="horizontal"/>— 9 —</hi></item><lb/><item><hirendition="#et">Wageisen nach Zellerfeld pro Waag <spacedim="horizontal"/>— 1 3</hi></item></list><lb/><p>1697 wurden auf den Harzer Hütten zuerst eiserne Formen ein-<lb/>
geführt.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="4"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Westfalen</hi>.</hi></head><lb/><p>Die Eisenindustrie Westfalens entwickelte sich auf der früher<lb/>
geschilderten Grundlage weiter. Die <hirendition="#g">Drahtfabrikation</hi> der drei<lb/>
märkischen Städte <hirendition="#g">Lüdenscheid, Altena</hi> und <hirendition="#g">Iserlohn</hi>, die in<lb/>
der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ihr altes Bundesverhältnis<lb/>
vertragsmäſsig ordneten, nahm immer gröſseren Umfang an und damit<lb/>
vermehrte sich zugleich die Zahl der Osmundhämmer. Besonders er-<lb/>
blühte das Gewerbe in Iserlohn durch Einführung der <hirendition="#g">Kratzen-<lb/>
drahtfabrikation</hi><noteplace="foot"n="1)">Vergl. Jacobi, Berg- und Hüttenwesen des Regierungsbezirks Arnsberg.</note>. <hirendition="#g">Hermann Schmöle</hi> gebührt das Verdienst,<lb/>
dieselbe von Aachen nach Iserlohn verpflanzt zu haben. Er war selbst<lb/>
ein Schmied und Drahtzieher und fuhr als solcher um 1615 einen<lb/>
Karren 3. oder 4. Schillingsdraht nach Aachen. Von da brachte er<lb/>
auſser Geld den Kratzendrahtzieher <hirendition="#g">Johann Lindloh</hi> von Aachen<lb/>
mit den nötigen Werkzeugen von „Dörstlingen und Drahteisen“ mit<lb/>
in seine Heimat zurück. Dieser führte das Ziehen der feinen Draht-<lb/>
sorten ein. Man that dies anfangs mit der Hand; nach und nach<lb/>
wurden aber die „Winnen“ (Feinzüge) auf Wasserwerke gelegt <noteplace="foot"n="2)">Die Stahlordnung von 1678 erwähnt nicht die Wasserwinnen und Scheiben;<lb/>
der feine Kratzendraht wurde damals noch meistens auf Handwinnen gezogen.</note>. Die<lb/>
Gewässer der Ihmert, Westig, Sundwig und Hemer, wo vorher<lb/>
gröberer Draht gezogen worden war, bedeckten sich mit Kratzendraht-<lb/>
rollen. Der Absatz stieg über Erwarten, besonders nachdem der<lb/>
30 jährige Krieg beendet war. Ende des 17. Jahrhunderts zählte man<lb/>
221 Wasserwinnen ohne die Handwinnen, auf denen 8000 Ctr. Draht<lb/>
gezogen wurde.</p><lb/><p>Ein groſser Teil dieser Wasserwinnen befand sich auſserhalb der<lb/>
Stadt auf dem platten Land. Eine pestartige Seuche soll angeblich<lb/>
die Drahtzieher aus der Stadt vertrieben haben. Durch Verordnung<lb/>
vom 25. März 1622 erhielten die Hausleute auſser den Städten Iser-<lb/>
lohn und Altena das Recht zu bleiben, muſsten aber in einer dieser<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[1174/1196]
Westfalen im 17. Jahrhundert.
Thlr. Gr. Pf.
Fuhrlöhne: 1 Fuder Erz vom Iberg — 16 —
Röstholz pro Karren — 9 —
Wageisen nach Zellerfeld pro Waag — 1 3
1697 wurden auf den Harzer Hütten zuerst eiserne Formen ein-
geführt.
Westfalen.
Die Eisenindustrie Westfalens entwickelte sich auf der früher
geschilderten Grundlage weiter. Die Drahtfabrikation der drei
märkischen Städte Lüdenscheid, Altena und Iserlohn, die in
der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ihr altes Bundesverhältnis
vertragsmäſsig ordneten, nahm immer gröſseren Umfang an und damit
vermehrte sich zugleich die Zahl der Osmundhämmer. Besonders er-
blühte das Gewerbe in Iserlohn durch Einführung der Kratzen-
drahtfabrikation 1). Hermann Schmöle gebührt das Verdienst,
dieselbe von Aachen nach Iserlohn verpflanzt zu haben. Er war selbst
ein Schmied und Drahtzieher und fuhr als solcher um 1615 einen
Karren 3. oder 4. Schillingsdraht nach Aachen. Von da brachte er
auſser Geld den Kratzendrahtzieher Johann Lindloh von Aachen
mit den nötigen Werkzeugen von „Dörstlingen und Drahteisen“ mit
in seine Heimat zurück. Dieser führte das Ziehen der feinen Draht-
sorten ein. Man that dies anfangs mit der Hand; nach und nach
wurden aber die „Winnen“ (Feinzüge) auf Wasserwerke gelegt 2). Die
Gewässer der Ihmert, Westig, Sundwig und Hemer, wo vorher
gröberer Draht gezogen worden war, bedeckten sich mit Kratzendraht-
rollen. Der Absatz stieg über Erwarten, besonders nachdem der
30 jährige Krieg beendet war. Ende des 17. Jahrhunderts zählte man
221 Wasserwinnen ohne die Handwinnen, auf denen 8000 Ctr. Draht
gezogen wurde.
Ein groſser Teil dieser Wasserwinnen befand sich auſserhalb der
Stadt auf dem platten Land. Eine pestartige Seuche soll angeblich
die Drahtzieher aus der Stadt vertrieben haben. Durch Verordnung
vom 25. März 1622 erhielten die Hausleute auſser den Städten Iser-
lohn und Altena das Recht zu bleiben, muſsten aber in einer dieser
1) Vergl. Jacobi, Berg- und Hüttenwesen des Regierungsbezirks Arnsberg.
2) Die Stahlordnung von 1678 erwähnt nicht die Wasserwinnen und Scheiben;
der feine Kratzendraht wurde damals noch meistens auf Handwinnen gezogen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 1174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1196>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.