Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.Westfalen im 17. Jahrhundert. Wasserläufen um Solingen herum vorhanden, gegen welche die Pächterder Fischereien in der Regel Protest erhoben. Dieser mechanische Be- trieb entzog den Schwertschmieden einen Teil ihrer Arbeit, sie sahen ihn deshalb mit feindlichen Augen an. Sie behaupteten, und wohl nicht ohne Grund, der Raffinierstahl der Wasserhämmer sei schlechter, als der von ihnen mit der Hand geschmiedete. Sie setzten es auch wirklich durch, dass 1687 der Bezug des Materials von den Hämmern für die Zunft verboten wurde 1); dasselbe sollte wieder wie früher vom Schwertschmied aus freier Hand in drei Hitzen geschmiedet werden und jeder neu aufzunehmende Meister Probe in der alten Kunst ablegen. Aber schon der 1687 erlassene "Sechsmannsbrief" bezweifelt die Durchführbarkeit dieser Bestimmungen: Das alte Ver- fahren sei zu teuer und beanspruche zu viel Kohlen. -- Die Ver- hältnisse für die Solinger Industrie hatten sich im Laufe des Jahr- hunderts sehr geändert. Im Anfang desselben stand die Solinger Schwertfabrik noch in grosser Blüte. Aber schon kam die alte Sitte, dass jeder Mann eine Klinge trug oder besass, ab. Bei den Sold- truppen wurde gleichförmige Bewaffnung eingeführt, wobei auf Billig- keit bei der Anschaffung gesehen wurde. Dadurch trat die Massen- produktion an Stelle der individuellen Erzeugung, in welcher Solingen sich besonders ausgezeichnet hatte, indem es die mannichfaltigsten Formen und Ausschmückungen zur Auswahl für jeden Geschmack erzeugt hatte. Dies Verhältnis gestaltete sich noch viel ungünstiger durch den 30 jährigen Krieg. Nach diesem hörte das Waffentragen der Bürger ganz auf. Die Trennung des Kriegerstandes von dem Bürgerstande wurde eine vollständige, nur der erstere ging in Waffen, diese aber wurden von den Landesregierungen in Massen bezogen. Auf Güte der Ware wurde weniger gesehen als auf den Preis. Die Sackhauer und andere ordinäre Klingen konnten auch andere machen. Es entstanden Klingenfabriken an anderen Orten, welche Solingen Konkurrenz machten und die Fürsten unterstützten die Anlagen solcher Waffenfabriken in ihren Landen. -- Solinger Schmiede, durch Versprechungen verlockt, brachen den Verbleibungseid, flohen und gründeten im Auslande Konkurrenzwerkstätten. Dies geschah zuerst 1661, in welchem Jahre eine Anzahl Arbeiter nach Eilpe, Gevelsberg und Hagen flohen und dort grobe Klingen schmiedeten. Der Grosse Kurfürst von Brandenburg unterstützte sie eifrig und so entstand be- sonders zu Eilpe eine nicht unbedeutende Fabrikation von "Sackhauern" 1) Siehe Thun, Die Industrie vom Niederrhein II, 14.
Westfalen im 17. Jahrhundert. Wasserläufen um Solingen herum vorhanden, gegen welche die Pächterder Fischereien in der Regel Protest erhoben. Dieser mechanische Be- trieb entzog den Schwertschmieden einen Teil ihrer Arbeit, sie sahen ihn deshalb mit feindlichen Augen an. Sie behaupteten, und wohl nicht ohne Grund, der Raffinierstahl der Wasserhämmer sei schlechter, als der von ihnen mit der Hand geschmiedete. Sie setzten es auch wirklich durch, daſs 1687 der Bezug des Materials von den Hämmern für die Zunft verboten wurde 1); dasselbe sollte wieder wie früher vom Schwertschmied aus freier Hand in drei Hitzen geschmiedet werden und jeder neu aufzunehmende Meister Probe in der alten Kunst ablegen. Aber schon der 1687 erlassene „Sechsmannsbrief“ bezweifelt die Durchführbarkeit dieser Bestimmungen: Das alte Ver- fahren sei zu teuer und beanspruche zu viel Kohlen. — Die Ver- hältnisse für die Solinger Industrie hatten sich im Laufe des Jahr- hunderts sehr geändert. Im Anfang desselben stand die Solinger Schwertfabrik noch in groſser Blüte. Aber schon kam die alte Sitte, daſs jeder Mann eine Klinge trug oder besaſs, ab. Bei den Sold- truppen wurde gleichförmige Bewaffnung eingeführt, wobei auf Billig- keit bei der Anschaffung gesehen wurde. Dadurch trat die Massen- produktion an Stelle der individuellen Erzeugung, in welcher Solingen sich besonders ausgezeichnet hatte, indem es die mannichfaltigsten Formen und Ausschmückungen zur Auswahl für jeden Geschmack erzeugt hatte. Dies Verhältnis gestaltete sich noch viel ungünstiger durch den 30 jährigen Krieg. Nach diesem hörte das Waffentragen der Bürger ganz auf. Die Trennung des Kriegerstandes von dem Bürgerstande wurde eine vollständige, nur der erstere ging in Waffen, diese aber wurden von den Landesregierungen in Massen bezogen. Auf Güte der Ware wurde weniger gesehen als auf den Preis. Die Sackhauer und andere ordinäre Klingen konnten auch andere machen. Es entstanden Klingenfabriken an anderen Orten, welche Solingen Konkurrenz machten und die Fürsten unterstützten die Anlagen solcher Waffenfabriken in ihren Landen. — Solinger Schmiede, durch Versprechungen verlockt, brachen den Verbleibungseid, flohen und gründeten im Auslande Konkurrenzwerkstätten. Dies geschah zuerst 1661, in welchem Jahre eine Anzahl Arbeiter nach Eilpe, Gevelsberg und Hagen flohen und dort grobe Klingen schmiedeten. Der Groſse Kurfürst von Brandenburg unterstützte sie eifrig und so entstand be- sonders zu Eilpe eine nicht unbedeutende Fabrikation von „Sackhauern“ 1) Siehe Thun, Die Industrie vom Niederrhein II, 14.
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Westfalen im 17. Jahrhundert.
Wasserläufen um Solingen herum vorhanden, gegen welche die Pächter
der Fischereien in der Regel Protest erhoben. Dieser mechanische Be-
trieb entzog den Schwertschmieden einen Teil ihrer Arbeit, sie sahen
ihn deshalb mit feindlichen Augen an. Sie behaupteten, und wohl
nicht ohne Grund, der Raffinierstahl der Wasserhämmer sei schlechter,
als der von ihnen mit der Hand geschmiedete. Sie setzten es auch
wirklich durch, daſs 1687 der Bezug des Materials von den Hämmern
für die Zunft verboten wurde 1); dasselbe sollte wieder wie früher
vom Schwertschmied aus freier Hand in drei Hitzen geschmiedet
werden und jeder neu aufzunehmende Meister Probe in der alten
Kunst ablegen. Aber schon der 1687 erlassene „Sechsmannsbrief“
bezweifelt die Durchführbarkeit dieser Bestimmungen: Das alte Ver-
fahren sei zu teuer und beanspruche zu viel Kohlen. — Die Ver-
hältnisse für die Solinger Industrie hatten sich im Laufe des Jahr-
hunderts sehr geändert. Im Anfang desselben stand die Solinger
Schwertfabrik noch in groſser Blüte. Aber schon kam die alte Sitte,
daſs jeder Mann eine Klinge trug oder besaſs, ab. Bei den Sold-
truppen wurde gleichförmige Bewaffnung eingeführt, wobei auf Billig-
keit bei der Anschaffung gesehen wurde. Dadurch trat die Massen-
produktion an Stelle der individuellen Erzeugung, in welcher Solingen
sich besonders ausgezeichnet hatte, indem es die mannichfaltigsten
Formen und Ausschmückungen zur Auswahl für jeden Geschmack
erzeugt hatte. Dies Verhältnis gestaltete sich noch viel ungünstiger
durch den 30 jährigen Krieg. Nach diesem hörte das Waffentragen
der Bürger ganz auf. Die Trennung des Kriegerstandes von dem
Bürgerstande wurde eine vollständige, nur der erstere ging in Waffen,
diese aber wurden von den Landesregierungen in Massen bezogen.
Auf Güte der Ware wurde weniger gesehen als auf den Preis. Die
Sackhauer und andere ordinäre Klingen konnten auch andere machen.
Es entstanden Klingenfabriken an anderen Orten, welche Solingen
Konkurrenz machten und die Fürsten unterstützten die Anlagen
solcher Waffenfabriken in ihren Landen. — Solinger Schmiede, durch
Versprechungen verlockt, brachen den Verbleibungseid, flohen und
gründeten im Auslande Konkurrenzwerkstätten. Dies geschah zuerst
1661, in welchem Jahre eine Anzahl Arbeiter nach Eilpe, Gevelsberg
und Hagen flohen und dort grobe Klingen schmiedeten. Der Groſse
Kurfürst von Brandenburg unterstützte sie eifrig und so entstand be-
sonders zu Eilpe eine nicht unbedeutende Fabrikation von „Sackhauern“
1) Siehe Thun, Die Industrie vom Niederrhein II, 14.
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