Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Westfalen im 17. Jahrhundert.
Stahl, Eisen, Knochen, Hölzer u. s. w. zu billigem Preise gegen Bar-
zahlung ablassen, aber weder den Meister überfordern, noch viel
weniger Messer gegen die Materialien eintauschen, damit durch diese
Umgehung der Meister nicht wieder zum Lohnarbeiter würde.

Das Sinken der Warenpreise hoffte man durch eine Einschränkung
der Konkurrenz zu erreichen, indem nämlich jeder Meister erklären
musste, ob er Handel treiben oder fabrizieren wollte.

Die Meister durften nur nach einer festen Satzordnung an die
Kaufleute verkaufen. Diese Ordnung sollte von jedem Kaufmann
unterschrieben und alljährlich unter Zuziehung des Obervogts durch
einige Kaufleute und Handwerksleute nach Ertrag und Abgang revi-
diert und in ihrer Ausführung durch die gewöhnliche eidliche Um-
frage kontrolliert werden. Unter den festgesetzten Preisen durfte
Niemand verkaufen. Die Preise sollten bar in gangbarem Gelde be-
zahlt werden. Es durfte keiner mit Messern handeln, der nicht vorher
alle Ellen- und andere Waren abgethan hatte. Aller heimliche und
verbotene Zwischenhandel, Schmuggel und Zollhinterziehung wurde
mit 10 Goldgulden bestraft. Wenn fremde Kaufleute oder Krämer
nach Solingen kamen, sollten sie die Messer direkt von den Meistern
kaufen; vorher mussten sie sich beim Vogt und Rat melden, die
Ordnung unterschreiben, und hatte nach altem Brauch der aus-
wärtige Kaufmann oder Krämer einen halben Gulden zu entrichten.
Um unter den Meistern die Arbeit und das Einkommen gleich
zu verteilen, wurde vorgeschrieben, wieviel jeder Meister mit seinem
Knecht und Jungen in der Werkstätte verfertigen durfte und die
erste Übertretung dieser Vorschrift mit drei Goldgulden, die zweite
mit der Strafe der Entsetzung vom Amt auf ein viertel Jahr be-
droht.

Um die Umgehung der ganzen Verordnung zu verhüten, wurden
die Kaufleute aus der Vogts- und Ratsbedienung ausgeschlossen.

Diese energische Verordnung kam aber wie der Sechsmannsbrief
zu spät. Die Praxis war über die Voraussetzungen bereits zur Tages-
ordnung übergegangen. Die Arbeitsteilung war schon zu einer That-
sache geworden, welche sich auf dem Wege der Verordnung nicht
mehr aus der Welt schaffen liess.

Wir haben schon erwähnt, dass 1661 die Fabrikation ordinärer
Klingen nach Eilpe übertragen wurde. Nicht nur die fürstliche
Unterstützung, sondern mehr noch die billigeren Preise für Kohlen
und Eisen brachten die Industrie daselbst zu rascher Blüte, wodurch
Solingen empfindliche Konkurrenz erwuchs. Nach und nach bekamen

Westfalen im 17. Jahrhundert.
Stahl, Eisen, Knochen, Hölzer u. s. w. zu billigem Preise gegen Bar-
zahlung ablassen, aber weder den Meister überfordern, noch viel
weniger Messer gegen die Materialien eintauschen, damit durch diese
Umgehung der Meister nicht wieder zum Lohnarbeiter würde.

Das Sinken der Warenpreise hoffte man durch eine Einschränkung
der Konkurrenz zu erreichen, indem nämlich jeder Meister erklären
muſste, ob er Handel treiben oder fabrizieren wollte.

Die Meister durften nur nach einer festen Satzordnung an die
Kaufleute verkaufen. Diese Ordnung sollte von jedem Kaufmann
unterschrieben und alljährlich unter Zuziehung des Obervogts durch
einige Kaufleute und Handwerksleute nach Ertrag und Abgang revi-
diert und in ihrer Ausführung durch die gewöhnliche eidliche Um-
frage kontrolliert werden. Unter den festgesetzten Preisen durfte
Niemand verkaufen. Die Preise sollten bar in gangbarem Gelde be-
zahlt werden. Es durfte keiner mit Messern handeln, der nicht vorher
alle Ellen- und andere Waren abgethan hatte. Aller heimliche und
verbotene Zwischenhandel, Schmuggel und Zollhinterziehung wurde
mit 10 Goldgulden bestraft. Wenn fremde Kaufleute oder Krämer
nach Solingen kamen, sollten sie die Messer direkt von den Meistern
kaufen; vorher muſsten sie sich beim Vogt und Rat melden, die
Ordnung unterschreiben, und hatte nach altem Brauch der aus-
wärtige Kaufmann oder Krämer einen halben Gulden zu entrichten.
Um unter den Meistern die Arbeit und das Einkommen gleich
zu verteilen, wurde vorgeschrieben, wieviel jeder Meister mit seinem
Knecht und Jungen in der Werkstätte verfertigen durfte und die
erste Übertretung dieser Vorschrift mit drei Goldgulden, die zweite
mit der Strafe der Entsetzung vom Amt auf ein viertel Jahr be-
droht.

Um die Umgehung der ganzen Verordnung zu verhüten, wurden
die Kaufleute aus der Vogts- und Ratsbedienung ausgeschlossen.

Diese energische Verordnung kam aber wie der Sechsmannsbrief
zu spät. Die Praxis war über die Voraussetzungen bereits zur Tages-
ordnung übergegangen. Die Arbeitsteilung war schon zu einer That-
sache geworden, welche sich auf dem Wege der Verordnung nicht
mehr aus der Welt schaffen lieſs.

Wir haben schon erwähnt, daſs 1661 die Fabrikation ordinärer
Klingen nach Eilpe übertragen wurde. Nicht nur die fürstliche
Unterstützung, sondern mehr noch die billigeren Preise für Kohlen
und Eisen brachten die Industrie daselbst zu rascher Blüte, wodurch
Solingen empfindliche Konkurrenz erwuchs. Nach und nach bekamen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f1217" n="1195"/><fw place="top" type="header">Westfalen im 17. Jahrhundert.</fw><lb/>
Stahl, Eisen, Knochen, Hölzer u. s. w. zu billigem Preise gegen Bar-<lb/>
zahlung ablassen, aber weder den Meister überfordern, noch viel<lb/>
weniger Messer gegen die Materialien eintauschen, damit durch diese<lb/>
Umgehung der Meister nicht wieder zum Lohnarbeiter würde.</p><lb/>
              <p>Das Sinken der Warenpreise hoffte man durch eine Einschränkung<lb/>
der Konkurrenz zu erreichen, indem nämlich jeder Meister erklären<lb/>
mu&#x017F;ste, ob er Handel treiben oder fabrizieren wollte.</p><lb/>
              <p>Die Meister durften nur nach einer festen Satzordnung an die<lb/>
Kaufleute verkaufen. Diese Ordnung sollte von jedem Kaufmann<lb/>
unterschrieben und alljährlich unter Zuziehung des Obervogts durch<lb/>
einige Kaufleute und Handwerksleute nach Ertrag und Abgang revi-<lb/>
diert und in ihrer Ausführung durch die gewöhnliche eidliche Um-<lb/>
frage kontrolliert werden. Unter den festgesetzten Preisen durfte<lb/>
Niemand verkaufen. Die Preise sollten bar in gangbarem Gelde be-<lb/>
zahlt werden. Es durfte keiner mit Messern handeln, der nicht vorher<lb/>
alle Ellen- und andere Waren abgethan hatte. Aller heimliche und<lb/>
verbotene Zwischenhandel, Schmuggel und Zollhinterziehung wurde<lb/>
mit 10 Goldgulden bestraft. Wenn fremde Kaufleute oder Krämer<lb/>
nach Solingen kamen, sollten sie die Messer direkt von den Meistern<lb/>
kaufen; vorher mu&#x017F;sten sie sich beim Vogt und Rat melden, die<lb/>
Ordnung unterschreiben, und hatte nach altem Brauch der aus-<lb/>
wärtige Kaufmann oder Krämer einen halben Gulden zu entrichten.<lb/>
Um unter den Meistern die Arbeit und das Einkommen gleich<lb/>
zu verteilen, wurde vorgeschrieben, wieviel jeder Meister mit seinem<lb/>
Knecht und Jungen in der Werkstätte verfertigen durfte und die<lb/>
erste Übertretung dieser Vorschrift mit drei Goldgulden, die zweite<lb/>
mit der Strafe der Entsetzung vom Amt auf ein viertel Jahr be-<lb/>
droht.</p><lb/>
              <p>Um die Umgehung der ganzen Verordnung zu verhüten, wurden<lb/>
die Kaufleute aus der Vogts- und Ratsbedienung ausgeschlossen.</p><lb/>
              <p>Diese energische Verordnung kam aber wie der Sechsmannsbrief<lb/>
zu spät. Die Praxis war über die Voraussetzungen bereits zur Tages-<lb/>
ordnung übergegangen. Die Arbeitsteilung war schon zu einer That-<lb/>
sache geworden, welche sich auf dem Wege der Verordnung nicht<lb/>
mehr aus der Welt schaffen lie&#x017F;s.</p><lb/>
              <p>Wir haben schon erwähnt, da&#x017F;s 1661 die Fabrikation ordinärer<lb/>
Klingen nach Eilpe übertragen wurde. Nicht nur die fürstliche<lb/>
Unterstützung, sondern mehr noch die billigeren Preise für Kohlen<lb/>
und Eisen brachten die Industrie daselbst zu rascher Blüte, wodurch<lb/>
Solingen empfindliche Konkurrenz erwuchs. Nach und nach bekamen<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1195/1217] Westfalen im 17. Jahrhundert. Stahl, Eisen, Knochen, Hölzer u. s. w. zu billigem Preise gegen Bar- zahlung ablassen, aber weder den Meister überfordern, noch viel weniger Messer gegen die Materialien eintauschen, damit durch diese Umgehung der Meister nicht wieder zum Lohnarbeiter würde. Das Sinken der Warenpreise hoffte man durch eine Einschränkung der Konkurrenz zu erreichen, indem nämlich jeder Meister erklären muſste, ob er Handel treiben oder fabrizieren wollte. Die Meister durften nur nach einer festen Satzordnung an die Kaufleute verkaufen. Diese Ordnung sollte von jedem Kaufmann unterschrieben und alljährlich unter Zuziehung des Obervogts durch einige Kaufleute und Handwerksleute nach Ertrag und Abgang revi- diert und in ihrer Ausführung durch die gewöhnliche eidliche Um- frage kontrolliert werden. Unter den festgesetzten Preisen durfte Niemand verkaufen. Die Preise sollten bar in gangbarem Gelde be- zahlt werden. Es durfte keiner mit Messern handeln, der nicht vorher alle Ellen- und andere Waren abgethan hatte. Aller heimliche und verbotene Zwischenhandel, Schmuggel und Zollhinterziehung wurde mit 10 Goldgulden bestraft. Wenn fremde Kaufleute oder Krämer nach Solingen kamen, sollten sie die Messer direkt von den Meistern kaufen; vorher muſsten sie sich beim Vogt und Rat melden, die Ordnung unterschreiben, und hatte nach altem Brauch der aus- wärtige Kaufmann oder Krämer einen halben Gulden zu entrichten. Um unter den Meistern die Arbeit und das Einkommen gleich zu verteilen, wurde vorgeschrieben, wieviel jeder Meister mit seinem Knecht und Jungen in der Werkstätte verfertigen durfte und die erste Übertretung dieser Vorschrift mit drei Goldgulden, die zweite mit der Strafe der Entsetzung vom Amt auf ein viertel Jahr be- droht. Um die Umgehung der ganzen Verordnung zu verhüten, wurden die Kaufleute aus der Vogts- und Ratsbedienung ausgeschlossen. Diese energische Verordnung kam aber wie der Sechsmannsbrief zu spät. Die Praxis war über die Voraussetzungen bereits zur Tages- ordnung übergegangen. Die Arbeitsteilung war schon zu einer That- sache geworden, welche sich auf dem Wege der Verordnung nicht mehr aus der Welt schaffen lieſs. Wir haben schon erwähnt, daſs 1661 die Fabrikation ordinärer Klingen nach Eilpe übertragen wurde. Nicht nur die fürstliche Unterstützung, sondern mehr noch die billigeren Preise für Kohlen und Eisen brachten die Industrie daselbst zu rascher Blüte, wodurch Solingen empfindliche Konkurrenz erwuchs. Nach und nach bekamen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1217
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 1195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1217>, abgerufen am 23.12.2024.