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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Westfalen im 17. Jahrhundert.
Zahl der Meister war beschränkt, keiner durfte auswandern. Zu den
Meistern gehörten sieben Kaufleute zum Teil in Solingen, welche mit
Sicheln, Sensen und Schneidemessern handelten. Das Meisterrecht
erwarben nur Meistersöhne; kein Schmied durfte das Schleiferhand-
werk und umgekehrt erlernen. -- Umfang des Betriebes und die
Warenpreise wurden jährlich geregelt. Zu diesem Zweck mussten
alle Schmiede und Schleifer an einem bestimmten Tage vor Vogt
und Rat erscheinen und demselben die ganze Lage und den Gang
des Handels vorlegen und angeben, auf wie grossen Absatz wohl in
den einzelnen Ländern gerechnet werden könnte. Nach einem Monat
wurde dann mit Wissen der herzoglichen Beamten angeordnet, wieviel
und welche Sorten ein jeder Meister fabrizieren durfte, und zwar
sollte dem geringen Schmiede gerade soviel zugeteilt werden als dem
reichen. Für alle Waren wurden dann die Preise festgesetzt, je nach
der Konjunktur und den Preisen von Stahl, Eisen, Knechtslohn u. s. w.
entsprechend. Einen Tag nach St. Ewald wurden die Marktreisen
angeordnet, welche jeder Handwerker unternehmen musste; keiner
durfte vor dem anderen verreisen oder Güter ausserhalb der Märkte
verschicken. Wer seine erste Reise that, sollte 15 Thlr. zahlen; von
diesem Betrage, welcher ermässigt werden konnte, fiel ein Drittel an
die Armen, ein zweites an das Handwerk, das dritte an die Kompagnie
der Reisenden. Die daheim bleibenden Brüder sollten ihre Ware
innerhalb ihres Handwerks veräussern; fanden sich aber keine Käufer,
so durfte ein jeder noch ausserhalb desselben sich solche suchen und
so teuer als möglich, keinenfalls aber unter den festgesetzten Preisen
verkaufen. War diese ganze Ordnung auf selbständige handel-
treibende Handwerksmeister berechnet, so wollte man dieselben auch
davor bewahren, zu Lohnarbeitern zu werden und verbot den
Schmieden, aus ihren Werkstätten Stahl und Eisen an andere Orte
fortzutragen oder verführen zu lassen: was sie in ihrer Schmiede ab-
hauten, sollten sie auch verarbeiten und bei den Schleifern schleifen
lassen.

Die Güte der Waren war verbürgt durch die Geschicklichkeit
der Schmiede, welche eine vier- und der Schleifer, die eine dreijährige
Lehre zu bestehen und ein Meisterstück zu fertigen hatten; sodann
durch die Beschauung der Waren auf den Schleifkotten und endlich
durch das doppelte Zeichen des Meisters und der Beschauer. Die
wider guten Willen und Wissen von ihren Meistern geschiedenen
Knechte sollte keiner in Dienst nehmen, ehe er sich mit seinem
früheren Herrn verglichen hatte.


Westfalen im 17. Jahrhundert.
Zahl der Meister war beschränkt, keiner durfte auswandern. Zu den
Meistern gehörten sieben Kaufleute zum Teil in Solingen, welche mit
Sicheln, Sensen und Schneidemessern handelten. Das Meisterrecht
erwarben nur Meistersöhne; kein Schmied durfte das Schleiferhand-
werk und umgekehrt erlernen. — Umfang des Betriebes und die
Warenpreise wurden jährlich geregelt. Zu diesem Zweck muſsten
alle Schmiede und Schleifer an einem bestimmten Tage vor Vogt
und Rat erscheinen und demselben die ganze Lage und den Gang
des Handels vorlegen und angeben, auf wie groſsen Absatz wohl in
den einzelnen Ländern gerechnet werden könnte. Nach einem Monat
wurde dann mit Wissen der herzoglichen Beamten angeordnet, wieviel
und welche Sorten ein jeder Meister fabrizieren durfte, und zwar
sollte dem geringen Schmiede gerade soviel zugeteilt werden als dem
reichen. Für alle Waren wurden dann die Preise festgesetzt, je nach
der Konjunktur und den Preisen von Stahl, Eisen, Knechtslohn u. s. w.
entsprechend. Einen Tag nach St. Ewald wurden die Marktreisen
angeordnet, welche jeder Handwerker unternehmen muſste; keiner
durfte vor dem anderen verreisen oder Güter auſserhalb der Märkte
verschicken. Wer seine erste Reise that, sollte 15 Thlr. zahlen; von
diesem Betrage, welcher ermäſsigt werden konnte, fiel ein Drittel an
die Armen, ein zweites an das Handwerk, das dritte an die Kompagnie
der Reisenden. Die daheim bleibenden Brüder sollten ihre Ware
innerhalb ihres Handwerks veräuſsern; fanden sich aber keine Käufer,
so durfte ein jeder noch auſserhalb desselben sich solche suchen und
so teuer als möglich, keinenfalls aber unter den festgesetzten Preisen
verkaufen. War diese ganze Ordnung auf selbständige handel-
treibende Handwerksmeister berechnet, so wollte man dieselben auch
davor bewahren, zu Lohnarbeitern zu werden und verbot den
Schmieden, aus ihren Werkstätten Stahl und Eisen an andere Orte
fortzutragen oder verführen zu lassen: was sie in ihrer Schmiede ab-
hauten, sollten sie auch verarbeiten und bei den Schleifern schleifen
lassen.

Die Güte der Waren war verbürgt durch die Geschicklichkeit
der Schmiede, welche eine vier- und der Schleifer, die eine dreijährige
Lehre zu bestehen und ein Meisterstück zu fertigen hatten; sodann
durch die Beschauung der Waren auf den Schleifkotten und endlich
durch das doppelte Zeichen des Meisters und der Beschauer. Die
wider guten Willen und Wissen von ihren Meistern geschiedenen
Knechte sollte keiner in Dienst nehmen, ehe er sich mit seinem
früheren Herrn verglichen hatte.


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[1197/1219] Westfalen im 17. Jahrhundert. Zahl der Meister war beschränkt, keiner durfte auswandern. Zu den Meistern gehörten sieben Kaufleute zum Teil in Solingen, welche mit Sicheln, Sensen und Schneidemessern handelten. Das Meisterrecht erwarben nur Meistersöhne; kein Schmied durfte das Schleiferhand- werk und umgekehrt erlernen. — Umfang des Betriebes und die Warenpreise wurden jährlich geregelt. Zu diesem Zweck muſsten alle Schmiede und Schleifer an einem bestimmten Tage vor Vogt und Rat erscheinen und demselben die ganze Lage und den Gang des Handels vorlegen und angeben, auf wie groſsen Absatz wohl in den einzelnen Ländern gerechnet werden könnte. Nach einem Monat wurde dann mit Wissen der herzoglichen Beamten angeordnet, wieviel und welche Sorten ein jeder Meister fabrizieren durfte, und zwar sollte dem geringen Schmiede gerade soviel zugeteilt werden als dem reichen. Für alle Waren wurden dann die Preise festgesetzt, je nach der Konjunktur und den Preisen von Stahl, Eisen, Knechtslohn u. s. w. entsprechend. Einen Tag nach St. Ewald wurden die Marktreisen angeordnet, welche jeder Handwerker unternehmen muſste; keiner durfte vor dem anderen verreisen oder Güter auſserhalb der Märkte verschicken. Wer seine erste Reise that, sollte 15 Thlr. zahlen; von diesem Betrage, welcher ermäſsigt werden konnte, fiel ein Drittel an die Armen, ein zweites an das Handwerk, das dritte an die Kompagnie der Reisenden. Die daheim bleibenden Brüder sollten ihre Ware innerhalb ihres Handwerks veräuſsern; fanden sich aber keine Käufer, so durfte ein jeder noch auſserhalb desselben sich solche suchen und so teuer als möglich, keinenfalls aber unter den festgesetzten Preisen verkaufen. War diese ganze Ordnung auf selbständige handel- treibende Handwerksmeister berechnet, so wollte man dieselben auch davor bewahren, zu Lohnarbeitern zu werden und verbot den Schmieden, aus ihren Werkstätten Stahl und Eisen an andere Orte fortzutragen oder verführen zu lassen: was sie in ihrer Schmiede ab- hauten, sollten sie auch verarbeiten und bei den Schleifern schleifen lassen. Die Güte der Waren war verbürgt durch die Geschicklichkeit der Schmiede, welche eine vier- und der Schleifer, die eine dreijährige Lehre zu bestehen und ein Meisterstück zu fertigen hatten; sodann durch die Beschauung der Waren auf den Schleifkotten und endlich durch das doppelte Zeichen des Meisters und der Beschauer. Die wider guten Willen und Wissen von ihren Meistern geschiedenen Knechte sollte keiner in Dienst nehmen, ehe er sich mit seinem früheren Herrn verglichen hatte.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 1197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1219>, abgerufen am 10.06.2024.