Eigentümlich war, dass man von den acht Presa- oder Greifen- stücken gewöhnlich vier zu Kolben (Kölberln) ausschmiedete, während man vier nur nachputzte und ausschmiedete, so dass acht Presa ein- lagen, während eine Operation nur vier ergab.
Die Luppe, die aus dem Sauer entstand, war die Cotta. Ihre Herstellung erforderte fünf bis sechs Stunden. In der Tagesschicht wurden zwei Cotta gemacht und war hierzu bei regelmässigem Gange ein Zeitaufwand von ungefähr 18 Stunden erforderlich; war das Bad zu roh, so konnte die Arbeit sich freilich lange hinausziehen.
Im allgemeinen strebte man bei der Brescianarbeit einen harten Stahl an, suchte deshalb das Bad immer frisch zu erhalten, was durch Nachsatz von Blatteln geschah.
Diese Arbeit ist historisch eine der interessantesten in der Entwickelung der Eisenindustrie. Sie ist eine Cementation von stahlartigem, aber seiner Natur nach doch noch weichem Eisen, in einem Roheisenbade, welches allerdings von besonderer Reinheit und Beschaffenheit sein muss. Es tritt dadurch eine Kohlenstoff- aufnahme oder, wie es Biringuccio charakteristisch nennt, ein Auf- saugen der guten Eigenschaften des Bades ein.
Dieses Verfahren fordert noch heute die Aufmerksamkeit des Eisentechnikers im hohen Grade heraus und wenn es durch andere Methoden verdrängt worden ist, so hat dies nur darin seinen Grund gehabt, dass die Arbeitskosten zu gross waren.
Die kärntnerische Rohstahlarbeit ist aus der Brescianschmiede hervorgegangen, was schon daraus zu entnehmen ist, weil bei ihr alle die romanischen Bezeichnungen der letzteren beibehalten wurden. Für das technische Verständnis wäre es am besten, die Beschreibung der kärntnerischen Rohstahlschmiede gleich hier folgen zu lassen. Doch kann dies deshalb nicht geschehen, weil die kärntnerische Roh- stahlschmiede ihre charakteristische Ausbildung nicht vor dem 17. Jahrhundert erlangt hat. Stahlschmieden hat es allerdings schon lange vor der Zeit in Kärnten und Krain gegeben, aber sie standen in Verbindung mit den Stücköfen und werden mit dem von Birin- guccio beschriebenen Verfahren übereingestimmt haben. Erst nach Einführung der Flossöfen konnte sich aber erst das verbesserte Ver- fahren der kärntnerischen Rohstahlarbeit entwickeln, also erst Ende des 16., wahrscheinlicher im 17. Jahrhundert.
Dagegen entwickelte sich im westlichen Deutschland, wo der Hochofenbetrieb viel früher eingeführt wurde, auch schon früher ein Stahlfrischverfahren. Es war dies die siegensche Rohstahlarbeit.
Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
Eigentümlich war, daſs man von den acht Presa- oder Greifen- stücken gewöhnlich vier zu Kolben (Kölberln) ausschmiedete, während man vier nur nachputzte und ausschmiedete, so daſs acht Presa ein- lagen, während eine Operation nur vier ergab.
Die Luppe, die aus dem Sauer entstand, war die Cotta. Ihre Herstellung erforderte fünf bis sechs Stunden. In der Tagesschicht wurden zwei Cotta gemacht und war hierzu bei regelmäſsigem Gange ein Zeitaufwand von ungefähr 18 Stunden erforderlich; war das Bad zu roh, so konnte die Arbeit sich freilich lange hinausziehen.
Im allgemeinen strebte man bei der Brescianarbeit einen harten Stahl an, suchte deshalb das Bad immer frisch zu erhalten, was durch Nachsatz von Blatteln geschah.
Diese Arbeit ist historisch eine der interessantesten in der Entwickelung der Eisenindustrie. Sie ist eine Cementation von stahlartigem, aber seiner Natur nach doch noch weichem Eisen, in einem Roheisenbade, welches allerdings von besonderer Reinheit und Beschaffenheit sein muſs. Es tritt dadurch eine Kohlenstoff- aufnahme oder, wie es Biringuccio charakteristisch nennt, ein Auf- saugen der guten Eigenschaften des Bades ein.
Dieses Verfahren fordert noch heute die Aufmerksamkeit des Eisentechnikers im hohen Grade heraus und wenn es durch andere Methoden verdrängt worden ist, so hat dies nur darin seinen Grund gehabt, daſs die Arbeitskosten zu groſs waren.
Die kärntnerische Rohstahlarbeit ist aus der Brescianschmiede hervorgegangen, was schon daraus zu entnehmen ist, weil bei ihr alle die romanischen Bezeichnungen der letzteren beibehalten wurden. Für das technische Verständnis wäre es am besten, die Beschreibung der kärntnerischen Rohstahlschmiede gleich hier folgen zu lassen. Doch kann dies deshalb nicht geschehen, weil die kärntnerische Roh- stahlschmiede ihre charakteristische Ausbildung nicht vor dem 17. Jahrhundert erlangt hat. Stahlschmieden hat es allerdings schon lange vor der Zeit in Kärnten und Krain gegeben, aber sie standen in Verbindung mit den Stücköfen und werden mit dem von Birin- guccio beschriebenen Verfahren übereingestimmt haben. Erst nach Einführung der Floſsöfen konnte sich aber erst das verbesserte Ver- fahren der kärntnerischen Rohstahlarbeit entwickeln, also erst Ende des 16., wahrscheinlicher im 17. Jahrhundert.
Dagegen entwickelte sich im westlichen Deutschland, wo der Hochofenbetrieb viel früher eingeführt wurde, auch schon früher ein Stahlfrischverfahren. Es war dies die siegensche Rohstahlarbeit.
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Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
Eigentümlich war, daſs man von den acht Presa- oder Greifen-
stücken gewöhnlich vier zu Kolben (Kölberln) ausschmiedete, während
man vier nur nachputzte und ausschmiedete, so daſs acht Presa ein-
lagen, während eine Operation nur vier ergab.
Die Luppe, die aus dem Sauer entstand, war die Cotta. Ihre
Herstellung erforderte fünf bis sechs Stunden. In der Tagesschicht
wurden zwei Cotta gemacht und war hierzu bei regelmäſsigem Gange
ein Zeitaufwand von ungefähr 18 Stunden erforderlich; war das Bad
zu roh, so konnte die Arbeit sich freilich lange hinausziehen.
Im allgemeinen strebte man bei der Brescianarbeit einen harten
Stahl an, suchte deshalb das Bad immer frisch zu erhalten, was
durch Nachsatz von Blatteln geschah.
Diese Arbeit ist historisch eine der interessantesten in der
Entwickelung der Eisenindustrie. Sie ist eine Cementation von
stahlartigem, aber seiner Natur nach doch noch weichem Eisen,
in einem Roheisenbade, welches allerdings von besonderer Reinheit
und Beschaffenheit sein muſs. Es tritt dadurch eine Kohlenstoff-
aufnahme oder, wie es Biringuccio charakteristisch nennt, ein Auf-
saugen der guten Eigenschaften des Bades ein.
Dieses Verfahren fordert noch heute die Aufmerksamkeit des
Eisentechnikers im hohen Grade heraus und wenn es durch andere
Methoden verdrängt worden ist, so hat dies nur darin seinen Grund
gehabt, daſs die Arbeitskosten zu groſs waren.
Die kärntnerische Rohstahlarbeit ist aus der Brescianschmiede
hervorgegangen, was schon daraus zu entnehmen ist, weil bei ihr
alle die romanischen Bezeichnungen der letzteren beibehalten wurden.
Für das technische Verständnis wäre es am besten, die Beschreibung
der kärntnerischen Rohstahlschmiede gleich hier folgen zu lassen.
Doch kann dies deshalb nicht geschehen, weil die kärntnerische Roh-
stahlschmiede ihre charakteristische Ausbildung nicht vor dem
17. Jahrhundert erlangt hat. Stahlschmieden hat es allerdings schon
lange vor der Zeit in Kärnten und Krain gegeben, aber sie standen
in Verbindung mit den Stücköfen und werden mit dem von Birin-
guccio beschriebenen Verfahren übereingestimmt haben. Erst nach
Einführung der Floſsöfen konnte sich aber erst das verbesserte Ver-
fahren der kärntnerischen Rohstahlarbeit entwickeln, also erst Ende
des 16., wahrscheinlicher im 17. Jahrhundert.
Dagegen entwickelte sich im westlichen Deutschland, wo der
Hochofenbetrieb viel früher eingeführt wurde, auch schon früher ein
Stahlfrischverfahren. Es war dies die siegensche Rohstahlarbeit.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/275>, abgerufen am 22.11.2024.
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