waren, gab es Eisenarbeiter, welche ihr Gewerbe berufsmässig betrieben, doch standen diese meist nicht auf der Höhe, noch in dem Ansehen der übrigen Hüttenleute. Gold, Silber, Kupfer und Blei wurden weit höher geschätzt als das Eisen, deshalb schenkte man deren Gewinnung grössere Aufmerksamkeit und ein höheres Interesse. Eisen war ja freilich das unentbehrlichste Metall und keine Thätigkeit im Frieden wie im Kriege war denkbar ohne dieses. Aber die gütige Natur hatte es so reichlich und aller Orten hervorgebracht, dass seine Erze fast wertlos schienen, und seine Gewinnung war so ein- fach, dass ein jeder es auszuschmelzen im stande war. Deshalb erregte seine Darstellung die Beachtung der Gebildeten nur im ge- ringen Grade, und was diese darüber zu berichten wussten, ging nicht über das hinaus, was Plinius bereits mitgeteilt hatte. So ist die ganze mittelalterliche Litteratur über das Eisen, mit Ausnahme der wenigen Schriften, die wir im ersten Bande besprochen haben, unter denen die des Theophilus Presbyter (siehe I, 974) hervorragt, nur eine Wiederholung der bezüglichen Stellen des Aristoteles, Theo- phrast, Plinius und Strabo, zu denen nur noch Albertus Magnus als Autorität hinzutrat. Dies war in der ersten Periode des Buchdruckes kaum anders zu erwarten, denn in dieser wollte man zunächst hauptsächlich erfahren, was die berühmten Schriftsteller des Altertums von der Natur und den natürlichen Dingen gewusst und was sie darüber gelehrt hatten. So ist diese meist encyklopädische Litteratur eine Rekapitulation des Wissens der Alten, eine Repetition für die Neuen. Eines der charakteristischsten Bücher dieser Periode, welches grosse Verbreitung in ganz Europa fand und in zahlreichen Auflagen gedruckt wurde, ist das Werk De rerum inventoribus, über die Erfinder der Dinge, des Polydorus Vergilius von Urbino. Dieses Buch, dessen älteste Auflage 1499 erschien, hat allein im 16. Jahrhundert 39 Auflagen erlebt 1). Es wurde in allen Ländern Europas gelesen und ist interessant durch den freien Geist, in dem es geschrieben ist, durch die Bekämpfung des Aberglaubens, die scharfen Bemerkungen über den Hochmut und die Ausschweifungen der Geistlichkeit, sowie die freisinnige Behandlung der Frage der
1)Beckmann spricht in seinen "Beiträgen zur Geschichte der Erfindungen", Bd. III, S. 571 ausführlich über das Werk und führt sämtliche Ausgaben an. Die älteste von 1499 führt den Titel: "Polydori Vergilii Urbinatis de inventoribus rerum libri tres". Ausser den 39 Auflagen im 16. Jahrhundert erschienen noch 12 Auflagen in lateinischer Sprache im 17. Jahrhundert, sowie ferner eine nebst einer deutschen Übersetzung im 18. Jahrhundert. Beckmann sind also 54 Auf- lagen bekannt gewesen.
Einleitung.
waren, gab es Eisenarbeiter, welche ihr Gewerbe berufsmäſsig betrieben, doch standen diese meist nicht auf der Höhe, noch in dem Ansehen der übrigen Hüttenleute. Gold, Silber, Kupfer und Blei wurden weit höher geschätzt als das Eisen, deshalb schenkte man deren Gewinnung gröſsere Aufmerksamkeit und ein höheres Interesse. Eisen war ja freilich das unentbehrlichste Metall und keine Thätigkeit im Frieden wie im Kriege war denkbar ohne dieses. Aber die gütige Natur hatte es so reichlich und aller Orten hervorgebracht, daſs seine Erze fast wertlos schienen, und seine Gewinnung war so ein- fach, daſs ein jeder es auszuschmelzen im stande war. Deshalb erregte seine Darstellung die Beachtung der Gebildeten nur im ge- ringen Grade, und was diese darüber zu berichten wuſsten, ging nicht über das hinaus, was Plinius bereits mitgeteilt hatte. So ist die ganze mittelalterliche Litteratur über das Eisen, mit Ausnahme der wenigen Schriften, die wir im ersten Bande besprochen haben, unter denen die des Theophilus Presbyter (siehe I, 974) hervorragt, nur eine Wiederholung der bezüglichen Stellen des Aristoteles, Theo- phrast, Plinius und Strabo, zu denen nur noch Albertus Magnus als Autorität hinzutrat. Dies war in der ersten Periode des Buchdruckes kaum anders zu erwarten, denn in dieser wollte man zunächst hauptsächlich erfahren, was die berühmten Schriftsteller des Altertums von der Natur und den natürlichen Dingen gewuſst und was sie darüber gelehrt hatten. So ist diese meist encyklopädische Litteratur eine Rekapitulation des Wissens der Alten, eine Repetition für die Neuen. Eines der charakteristischsten Bücher dieser Periode, welches groſse Verbreitung in ganz Europa fand und in zahlreichen Auflagen gedruckt wurde, ist das Werk De rerum inventoribus, über die Erfinder der Dinge, des Polydorus Vergilius von Urbino. Dieses Buch, dessen älteste Auflage 1499 erschien, hat allein im 16. Jahrhundert 39 Auflagen erlebt 1). Es wurde in allen Ländern Europas gelesen und ist interessant durch den freien Geist, in dem es geschrieben ist, durch die Bekämpfung des Aberglaubens, die scharfen Bemerkungen über den Hochmut und die Ausschweifungen der Geistlichkeit, sowie die freisinnige Behandlung der Frage der
1)Beckmann spricht in seinen „Beiträgen zur Geschichte der Erfindungen“, Bd. III, S. 571 ausführlich über das Werk und führt sämtliche Ausgaben an. Die älteste von 1499 führt den Titel: „Polydori Vergilii Urbinatis de inventoribus rerum libri tres“. Auſser den 39 Auflagen im 16. Jahrhundert erschienen noch 12 Auflagen in lateinischer Sprache im 17. Jahrhundert, sowie ferner eine nebst einer deutschen Übersetzung im 18. Jahrhundert. Beckmann sind also 54 Auf- lagen bekannt gewesen.
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[11/0031]
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waren, gab es Eisenarbeiter, welche ihr Gewerbe berufsmäſsig betrieben,
doch standen diese meist nicht auf der Höhe, noch in dem Ansehen
der übrigen Hüttenleute. Gold, Silber, Kupfer und Blei wurden
weit höher geschätzt als das Eisen, deshalb schenkte man deren
Gewinnung gröſsere Aufmerksamkeit und ein höheres Interesse. Eisen
war ja freilich das unentbehrlichste Metall und keine Thätigkeit im
Frieden wie im Kriege war denkbar ohne dieses. Aber die gütige
Natur hatte es so reichlich und aller Orten hervorgebracht, daſs
seine Erze fast wertlos schienen, und seine Gewinnung war so ein-
fach, daſs ein jeder es auszuschmelzen im stande war. Deshalb
erregte seine Darstellung die Beachtung der Gebildeten nur im ge-
ringen Grade, und was diese darüber zu berichten wuſsten, ging nicht
über das hinaus, was Plinius bereits mitgeteilt hatte. So ist die
ganze mittelalterliche Litteratur über das Eisen, mit Ausnahme der
wenigen Schriften, die wir im ersten Bande besprochen haben, unter
denen die des Theophilus Presbyter (siehe I, 974) hervorragt, nur
eine Wiederholung der bezüglichen Stellen des Aristoteles, Theo-
phrast, Plinius und Strabo, zu denen nur noch Albertus
Magnus als Autorität hinzutrat. Dies war in der ersten Periode
des Buchdruckes kaum anders zu erwarten, denn in dieser wollte man
zunächst hauptsächlich erfahren, was die berühmten Schriftsteller des
Altertums von der Natur und den natürlichen Dingen gewuſst und
was sie darüber gelehrt hatten. So ist diese meist encyklopädische
Litteratur eine Rekapitulation des Wissens der Alten, eine Repetition
für die Neuen. Eines der charakteristischsten Bücher dieser Periode,
welches groſse Verbreitung in ganz Europa fand und in zahlreichen
Auflagen gedruckt wurde, ist das Werk De rerum inventoribus, über
die Erfinder der Dinge, des Polydorus Vergilius von Urbino.
Dieses Buch, dessen älteste Auflage 1499 erschien, hat allein im
16. Jahrhundert 39 Auflagen erlebt 1). Es wurde in allen Ländern
Europas gelesen und ist interessant durch den freien Geist, in dem
es geschrieben ist, durch die Bekämpfung des Aberglaubens, die
scharfen Bemerkungen über den Hochmut und die Ausschweifungen
der Geistlichkeit, sowie die freisinnige Behandlung der Frage der
1) Beckmann spricht in seinen „Beiträgen zur Geschichte der Erfindungen“,
Bd. III, S. 571 ausführlich über das Werk und führt sämtliche Ausgaben an. Die
älteste von 1499 führt den Titel: „Polydori Vergilii Urbinatis de inventoribus
rerum libri tres“. Auſser den 39 Auflagen im 16. Jahrhundert erschienen noch
12 Auflagen in lateinischer Sprache im 17. Jahrhundert, sowie ferner eine nebst
einer deutschen Übersetzung im 18. Jahrhundert. Beckmann sind also 54 Auf-
lagen bekannt gewesen.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/31>, abgerufen am 03.12.2024.
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