schiessen konnte, hergeleitet. Im 16. Jahrhundert war die Muskete das schwere, weittragende Gewehr im Gegensatz zu den Haken- büchsen, die man leichter machte und freihändig abschoss. Das Ver- hältnis beider Waffen wurde zuerst von Moritz von Oranien regle- mentarisch dahin festgesetzt, dass auf ein Pfund 10 Musketen- und 20 Hakenkugeln gehen sollten. Die Musketiere, als eine besondere Schützenart, spielten zuerst bei den spanischen Truppen im deut- schen Heere eine hervorragende Rolle und werden bereits 1521 er- wähnt. Bei Pavia trugen die spanischen Musketenschützen nicht wenig zum Gewinnen der Schlacht bei. In Frundsbergs Kriegs- thaten 1568 (S. 49) heisst es: "es war eine blutige Schlacht, denn die geschwinden Hispanier umgaben sie und haben allenthalben bleierne Kugeln unter sie geworfen und tödlich verwundet. Sie hatten nicht gemeine Handrohr, wie vor der Brauch, sondern lange Rohr, die man Haken nennet, haben in einem Schuss etlich Mann und Ross erschossen." Unter Karl V. befanden sich bei jedem Fähn- lein zehn solcher Musketiere, die zehn Gulden monatlich Besoldung bekamen und immer an der Spitze der Kolonne marschierten; bei den spanischen Truppen waren es später 15, die unter den andern Handgewehrschützen verteilt waren.
Was den Musketen aber am meisten ihre Überlegenheit ver- schaffte, war ihre sorgfältigere Herstellung. Waren die alten Faust- büchsen von Grob- und Kleinschmieden oder von Schlossern nebenher und ohne besondere Kunst in plumper Weise hergestellt worden, so vollzog sich in dieser Beziehung eine Wandlung in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Es bildete sich ein selbständiges zünftiges Gewerbe der Büchsenschmiede aus, deren Ansehen und Bedeutung mit der Bedeutung der Feuerwaffen zugleich wuchs. Gutes Material, vorzügliche Schweissung und sorgfältige Bohrung das war es, was den Feuerröhren des 16. Jahrhunderts zu immer grösserer Wirkung und zu immer grösserer Preisschätzung verhalf. Bis zur Mitte des 16. Jahr- hunderts blieb die Herstellung der Handfeuerwaffen eine handwerks- mässige, welche hauptsächlich in den grossen Städten ihren Sitz hatte. Auch dieses Gewerbe blühte besonders in Augsburg und noch mehr in Nürnberg. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts begann die handwerksmässige Herstellung der Gewehre in eine fabrikmässige überzugehen. Ehe wir dies eingehender darlegen, teilen wir die Ab- bildung der Werkstatt eines Büchsenschmieds nach Jost Ammon mit (Fig. 150). Hans Sachs liefert dazu folgenden Vers:
Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
schieſsen konnte, hergeleitet. Im 16. Jahrhundert war die Muskete das schwere, weittragende Gewehr im Gegensatz zu den Haken- büchsen, die man leichter machte und freihändig abschoſs. Das Ver- hältnis beider Waffen wurde zuerst von Moritz von Oranien regle- mentarisch dahin festgesetzt, daſs auf ein Pfund 10 Musketen- und 20 Hakenkugeln gehen sollten. Die Musketiere, als eine besondere Schützenart, spielten zuerst bei den spanischen Truppen im deut- schen Heere eine hervorragende Rolle und werden bereits 1521 er- wähnt. Bei Pavia trugen die spanischen Musketenschützen nicht wenig zum Gewinnen der Schlacht bei. In Frundsbergs Kriegs- thaten 1568 (S. 49) heiſst es: „es war eine blutige Schlacht, denn die geschwinden Hispanier umgaben sie und haben allenthalben bleierne Kugeln unter sie geworfen und tödlich verwundet. Sie hatten nicht gemeine Handrohr, wie vor der Brauch, sondern lange Rohr, die man Haken nennet, haben in einem Schuſs etlich Mann und Roſs erschossen.“ Unter Karl V. befanden sich bei jedem Fähn- lein zehn solcher Musketiere, die zehn Gulden monatlich Besoldung bekamen und immer an der Spitze der Kolonne marschierten; bei den spanischen Truppen waren es später 15, die unter den andern Handgewehrschützen verteilt waren.
Was den Musketen aber am meisten ihre Überlegenheit ver- schaffte, war ihre sorgfältigere Herstellung. Waren die alten Faust- büchsen von Grob- und Kleinschmieden oder von Schlossern nebenher und ohne besondere Kunst in plumper Weise hergestellt worden, so vollzog sich in dieser Beziehung eine Wandlung in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Es bildete sich ein selbständiges zünftiges Gewerbe der Büchsenschmiede aus, deren Ansehen und Bedeutung mit der Bedeutung der Feuerwaffen zugleich wuchs. Gutes Material, vorzügliche Schweiſsung und sorgfältige Bohrung das war es, was den Feuerröhren des 16. Jahrhunderts zu immer gröſserer Wirkung und zu immer gröſserer Preisschätzung verhalf. Bis zur Mitte des 16. Jahr- hunderts blieb die Herstellung der Handfeuerwaffen eine handwerks- mäſsige, welche hauptsächlich in den groſsen Städten ihren Sitz hatte. Auch dieses Gewerbe blühte besonders in Augsburg und noch mehr in Nürnberg. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts begann die handwerksmäſsige Herstellung der Gewehre in eine fabrikmäſsige überzugehen. Ehe wir dies eingehender darlegen, teilen wir die Ab- bildung der Werkstatt eines Büchsenschmieds nach Jost Ammon mit (Fig. 150). Hans Sachs liefert dazu folgenden Vers:
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Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
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büchsen, die man leichter machte und freihändig abschoſs. Das Ver-
hältnis beider Waffen wurde zuerst von Moritz von Oranien regle-
mentarisch dahin festgesetzt, daſs auf ein Pfund 10 Musketen- und
20 Hakenkugeln gehen sollten. Die Musketiere, als eine besondere
Schützenart, spielten zuerst bei den spanischen Truppen im deut-
schen Heere eine hervorragende Rolle und werden bereits 1521 er-
wähnt. Bei Pavia trugen die spanischen Musketenschützen nicht
wenig zum Gewinnen der Schlacht bei. In Frundsbergs Kriegs-
thaten 1568 (S. 49) heiſst es: „es war eine blutige Schlacht, denn
die geschwinden Hispanier umgaben sie und haben allenthalben
bleierne Kugeln unter sie geworfen und tödlich verwundet. Sie
hatten nicht gemeine Handrohr, wie vor der Brauch, sondern lange
Rohr, die man Haken nennet, haben in einem Schuſs etlich Mann
und Roſs erschossen.“ Unter Karl V. befanden sich bei jedem Fähn-
lein zehn solcher Musketiere, die zehn Gulden monatlich Besoldung
bekamen und immer an der Spitze der Kolonne marschierten; bei
den spanischen Truppen waren es später 15, die unter den andern
Handgewehrschützen verteilt waren.
Was den Musketen aber am meisten ihre Überlegenheit ver-
schaffte, war ihre sorgfältigere Herstellung. Waren die alten Faust-
büchsen von Grob- und Kleinschmieden oder von Schlossern nebenher
und ohne besondere Kunst in plumper Weise hergestellt worden, so
vollzog sich in dieser Beziehung eine Wandlung in der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts. Es bildete sich ein selbständiges zünftiges
Gewerbe der Büchsenschmiede aus, deren Ansehen und Bedeutung
mit der Bedeutung der Feuerwaffen zugleich wuchs. Gutes Material,
vorzügliche Schweiſsung und sorgfältige Bohrung das war es, was den
Feuerröhren des 16. Jahrhunderts zu immer gröſserer Wirkung und
zu immer gröſserer Preisschätzung verhalf. Bis zur Mitte des 16. Jahr-
hunderts blieb die Herstellung der Handfeuerwaffen eine handwerks-
mäſsige, welche hauptsächlich in den groſsen Städten ihren Sitz hatte.
Auch dieses Gewerbe blühte besonders in Augsburg und noch mehr
in Nürnberg. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts begann
die handwerksmäſsige Herstellung der Gewehre in eine fabrikmäſsige
überzugehen. Ehe wir dies eingehender darlegen, teilen wir die Ab-
bildung der Werkstatt eines Büchsenschmieds nach Jost Ammon mit
(Fig. 150). Hans Sachs liefert dazu folgenden Vers:
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/456>, abgerufen am 22.11.2024.
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