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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.

Kurtz vnd lang, klein vnde gross,
Die man führet zu Fuss vnd Ross,
Wohin reyset ein ehrlich Mann,
Sich der Räuber auffhalten kann.

Die Verzierung der Büchsenschäfte geschah oft mit grossem Auf-
wand von Mühe und Kunst.



Was den fabrikmässigen Betrieb der Gewehrfabrikation herbei-
führte, war einesteils der wachsende Bedarf, anderseits die Be-
nutzung der Wasserhämmer als Arbeitsmaschine zum Schmieden der
Rohre. Nahm der Bedarf an Feuergewehren schon dadurch sehr zu,
dass dieselben zur Bewaffnung der Bürgerschaft der Städte erforder-
lich wurden, dass Schützenvereine und Schützenfeste in Aufnahme
kamen, so trugen in noch weit höherem Masse die stehenden Heere,
die nach dem Muster Frankreichs in allen europäischen Staaten ein-
geführt wurden, zum Massenbedarf bei. Holland hatte gegen Ende
des 16. Jahrhunderts ein stehendes Heer von 20000 Mann, Frankreich
von 14000, Gustav Erikson führte in Schweden zuerst 1542 eine
ständige Garde ein. Die Türkei hatte ihre Janitscharen und Iwan der
Schreckliche gründete 1545 in Russland das Strelitzencorps (strielzi,
strolzi, Schützen). Der Bedarf an Schiessgewehren steigerte sich aber
ausserordentlich in Kriegsfällen und diese waren häufig genug im
16. Jahrhundert. Dabei wurden oft grosse Truppenmassen ausgerüstet.
Die protestantische Armee im Jahre 1546 zählte 90000 Mann zu Fuss
und 16000 Pferde; noch grösser war das Heer, das Karl V. 1532 vor
Wien gegen die Türken sammelte; es bestand aus 90000 Mann zu
Fuss und 30000 Reitern. Für die Bewaffnung solcher Massen genügte
die handwerksmässige Büchsenschmiederei nicht mehr. Der Bedarf
drängte zur fabrikmässigen Produktion, zur Arbeitsteilung und gleich-
zeitiger Beschäftigung vieler Hände. Dahin führte auch die grössere
Kompliziertheit der Gewehre. Die alte Knallbüchse ohne Schäftung
konnte füglich jeder Schmied anfertigen. Ganz anders war dies bei
den neuen Büchsen mit langem, ausgebohrtem und poliertem Rohr,
mit Rad- oder Schnapphahnschloss, mit Ladestock und Holzschäftung.
Die Verschiedenheit der Teile zwang schon zur Arbeitsteilung. Diese
wurde erleichtert durch die zunehmende Verbreitung der Zainhämmer
(Reckhämmer). In diesen durch Wasserräder bewegten Hämmern
wurden die Platinen, welche die Büchsenmacher oder die Gewehr-
fabrik zur Herstellung der Rohre nötig hatte, hergestellt. Geschah
dies ausschliesslich, so nannte man den Hammer einen Platinenhammer.

Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.

Kurtz vnd lang, klein vnde groſs,
Die man führet zu Fuſs vnd Roſs,
Wohin reyset ein ehrlich Mann,
Sich der Räuber auffhalten kann.

Die Verzierung der Büchsenschäfte geschah oft mit groſsem Auf-
wand von Mühe und Kunst.



Was den fabrikmäſsigen Betrieb der Gewehrfabrikation herbei-
führte, war einesteils der wachsende Bedarf, anderseits die Be-
nutzung der Wasserhämmer als Arbeitsmaschine zum Schmieden der
Rohre. Nahm der Bedarf an Feuergewehren schon dadurch sehr zu,
daſs dieselben zur Bewaffnung der Bürgerschaft der Städte erforder-
lich wurden, daſs Schützenvereine und Schützenfeste in Aufnahme
kamen, so trugen in noch weit höherem Maſse die stehenden Heere,
die nach dem Muster Frankreichs in allen europäischen Staaten ein-
geführt wurden, zum Massenbedarf bei. Holland hatte gegen Ende
des 16. Jahrhunderts ein stehendes Heer von 20000 Mann, Frankreich
von 14000, Gustav Erikson führte in Schweden zuerst 1542 eine
ständige Garde ein. Die Türkei hatte ihre Janitscharen und Iwan der
Schreckliche gründete 1545 in Ruſsland das Strelitzencorps (strielzi,
strolzi, Schützen). Der Bedarf an Schieſsgewehren steigerte sich aber
auſserordentlich in Kriegsfällen und diese waren häufig genug im
16. Jahrhundert. Dabei wurden oft groſse Truppenmassen ausgerüstet.
Die protestantische Armee im Jahre 1546 zählte 90000 Mann zu Fuſs
und 16000 Pferde; noch gröſser war das Heer, das Karl V. 1532 vor
Wien gegen die Türken sammelte; es bestand aus 90000 Mann zu
Fuſs und 30000 Reitern. Für die Bewaffnung solcher Massen genügte
die handwerksmäſsige Büchsenschmiederei nicht mehr. Der Bedarf
drängte zur fabrikmäſsigen Produktion, zur Arbeitsteilung und gleich-
zeitiger Beschäftigung vieler Hände. Dahin führte auch die gröſsere
Kompliziertheit der Gewehre. Die alte Knallbüchse ohne Schäftung
konnte füglich jeder Schmied anfertigen. Ganz anders war dies bei
den neuen Büchsen mit langem, ausgebohrtem und poliertem Rohr,
mit Rad- oder Schnapphahnschloſs, mit Ladestock und Holzschäftung.
Die Verschiedenheit der Teile zwang schon zur Arbeitsteilung. Diese
wurde erleichtert durch die zunehmende Verbreitung der Zainhämmer
(Reckhämmer). In diesen durch Wasserräder bewegten Hämmern
wurden die Platinen, welche die Büchsenmacher oder die Gewehr-
fabrik zur Herstellung der Rohre nötig hatte, hergestellt. Geschah
dies ausschlieſslich, so nannte man den Hammer einen Platinenhammer.

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[439/0459] Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert. Kurtz vnd lang, klein vnde groſs, Die man führet zu Fuſs vnd Roſs, Wohin reyset ein ehrlich Mann, Sich der Räuber auffhalten kann. Die Verzierung der Büchsenschäfte geschah oft mit groſsem Auf- wand von Mühe und Kunst. Was den fabrikmäſsigen Betrieb der Gewehrfabrikation herbei- führte, war einesteils der wachsende Bedarf, anderseits die Be- nutzung der Wasserhämmer als Arbeitsmaschine zum Schmieden der Rohre. Nahm der Bedarf an Feuergewehren schon dadurch sehr zu, daſs dieselben zur Bewaffnung der Bürgerschaft der Städte erforder- lich wurden, daſs Schützenvereine und Schützenfeste in Aufnahme kamen, so trugen in noch weit höherem Maſse die stehenden Heere, die nach dem Muster Frankreichs in allen europäischen Staaten ein- geführt wurden, zum Massenbedarf bei. Holland hatte gegen Ende des 16. Jahrhunderts ein stehendes Heer von 20000 Mann, Frankreich von 14000, Gustav Erikson führte in Schweden zuerst 1542 eine ständige Garde ein. Die Türkei hatte ihre Janitscharen und Iwan der Schreckliche gründete 1545 in Ruſsland das Strelitzencorps (strielzi, strolzi, Schützen). Der Bedarf an Schieſsgewehren steigerte sich aber auſserordentlich in Kriegsfällen und diese waren häufig genug im 16. Jahrhundert. Dabei wurden oft groſse Truppenmassen ausgerüstet. Die protestantische Armee im Jahre 1546 zählte 90000 Mann zu Fuſs und 16000 Pferde; noch gröſser war das Heer, das Karl V. 1532 vor Wien gegen die Türken sammelte; es bestand aus 90000 Mann zu Fuſs und 30000 Reitern. Für die Bewaffnung solcher Massen genügte die handwerksmäſsige Büchsenschmiederei nicht mehr. Der Bedarf drängte zur fabrikmäſsigen Produktion, zur Arbeitsteilung und gleich- zeitiger Beschäftigung vieler Hände. Dahin führte auch die gröſsere Kompliziertheit der Gewehre. Die alte Knallbüchse ohne Schäftung konnte füglich jeder Schmied anfertigen. Ganz anders war dies bei den neuen Büchsen mit langem, ausgebohrtem und poliertem Rohr, mit Rad- oder Schnapphahnschloſs, mit Ladestock und Holzschäftung. Die Verschiedenheit der Teile zwang schon zur Arbeitsteilung. Diese wurde erleichtert durch die zunehmende Verbreitung der Zainhämmer (Reckhämmer). In diesen durch Wasserräder bewegten Hämmern wurden die Platinen, welche die Büchsenmacher oder die Gewehr- fabrik zur Herstellung der Rohre nötig hatte, hergestellt. Geschah dies ausschlieſslich, so nannte man den Hammer einen Platinenhammer.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/459>, abgerufen am 22.11.2024.