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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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sein, während man die der Zugrichtung abgewendete Seite gern
weicher macht, weil von dieser aus das Einbohren des konischen
Loches erfolgt. Dementsprechend blieb in obigem Falle die grösste
Fläche der konischen Öffnung auf der Seite der ausgeschmiedeten
Masse, welche aus dem Kastenboden gebildet war, während die eigent-
liche Öffnung, durch welche der Draht gezogen wurde, durch die
Oberfläche der geschmolzenen Rohstahlmasse gebohrt werden musste.
Letzteres erforderte besondere Sorgfalt.

Ein sehr wichtiger Umstand beim Drahtziehen ist, dass das
Ziehen genau in der Achsenrichtung des Ziehloches erfolgt, indem
dieses sonst unrund wird. Deshalb befestigte man Zieheisen und
Scheiben oder Zangen auf einer Bank, um ganz horizontal ziehen zu
können. Durch das Ziehen wurde der Draht hart und spröde. Des-
halb musste er von Zeit zu Zeit ausgeglüht werden, wodurch er
wieder weich und zähe wurde. Dies geschah in alter Zeit im offenen
Herd über Holzfeuer. Das Verfahren beim Ziehen von feinem Eisen-
und Stahldraht bestand also darin, dass das Eisen erst unter Zain-
hämmern zu schwächeren Dimensionen ausgestreckt, dann mit Zangen
zu gröberen Drahtsorten ausgezogen und zuletzt auf Scheiben oder
Rollen zu den feineren Dimensionen gebracht wurde. Diese Ein-
teilung giebt auch Biringuccio schon bestimmt an, ebenso bestimmt
deutet er aber auch an, dass es zu seiner Zeit in Italien noch nicht
eingeführt war, Eisen und Stahl zu so feinen Dimensionen zu ziehen,
wie Gold, Silber und Messing. Ganz so verhielt es sich zu Nürnberg,
welches damals in Deutschland der wichtigste Platz für die Draht-
fabrikation war. Die Nachricht, dass im Jahre 1570 ein Franzose,
Anton Fournier, die Kunst, den Draht sehr fein zu ziehen, über-
haupt erst nach Nürnberg gebracht haben soll, ist freilich sehr un-
wahrscheinlich. Sie kann sich wohl nur auf eine verbesserte Fabri-
kationsmethode beziehen. Es ist selbst nicht anzunehmen, dass sich
diese Nachricht, wie viele annehmen, auf die Einführung des leoni-
nischen Drahtes bezieht, da Biringuccio diese Fabrikation als etwas
allgemein Bekanntes beschreibt. Aber in der westfälischen Mark, in
den Städten Lüdenscheid, Altena und Iserlohn, wurde damals nur
Draht mit Zangen gezogen. Es werden nur Grob- und Kleinzöger-
bänke erwähnt, die "Winnen" oder Scheiben waren noch unbekannt.
Erst Anfangs des 17. Jahrhunderts wurde das Ziehen des Kratzen-
drahtes durch Drahtzieher aus Aachen in Iserlohn eingeführt. Man
hatte vordem den Mitteldraht von Altena zum feineren Zuge nach
Aachen geschickt. In Aachen und Lyon wurden dagegen feinere Draht-

Draht- und Nadelfabrikation.
sein, während man die der Zugrichtung abgewendete Seite gern
weicher macht, weil von dieser aus das Einbohren des konischen
Loches erfolgt. Dementsprechend blieb in obigem Falle die gröſste
Fläche der konischen Öffnung auf der Seite der ausgeschmiedeten
Masse, welche aus dem Kastenboden gebildet war, während die eigent-
liche Öffnung, durch welche der Draht gezogen wurde, durch die
Oberfläche der geschmolzenen Rohstahlmasse gebohrt werden muſste.
Letzteres erforderte besondere Sorgfalt.

Ein sehr wichtiger Umstand beim Drahtziehen ist, daſs das
Ziehen genau in der Achsenrichtung des Ziehloches erfolgt, indem
dieses sonst unrund wird. Deshalb befestigte man Zieheisen und
Scheiben oder Zangen auf einer Bank, um ganz horizontal ziehen zu
können. Durch das Ziehen wurde der Draht hart und spröde. Des-
halb muſste er von Zeit zu Zeit ausgeglüht werden, wodurch er
wieder weich und zähe wurde. Dies geschah in alter Zeit im offenen
Herd über Holzfeuer. Das Verfahren beim Ziehen von feinem Eisen-
und Stahldraht bestand also darin, daſs das Eisen erst unter Zain-
hämmern zu schwächeren Dimensionen ausgestreckt, dann mit Zangen
zu gröberen Drahtsorten ausgezogen und zuletzt auf Scheiben oder
Rollen zu den feineren Dimensionen gebracht wurde. Diese Ein-
teilung giebt auch Biringuccio schon bestimmt an, ebenso bestimmt
deutet er aber auch an, daſs es zu seiner Zeit in Italien noch nicht
eingeführt war, Eisen und Stahl zu so feinen Dimensionen zu ziehen,
wie Gold, Silber und Messing. Ganz so verhielt es sich zu Nürnberg,
welches damals in Deutschland der wichtigste Platz für die Draht-
fabrikation war. Die Nachricht, daſs im Jahre 1570 ein Franzose,
Anton Fournier, die Kunst, den Draht sehr fein zu ziehen, über-
haupt erst nach Nürnberg gebracht haben soll, ist freilich sehr un-
wahrscheinlich. Sie kann sich wohl nur auf eine verbesserte Fabri-
kationsmethode beziehen. Es ist selbst nicht anzunehmen, daſs sich
diese Nachricht, wie viele annehmen, auf die Einführung des leoni-
nischen Drahtes bezieht, da Biringuccio diese Fabrikation als etwas
allgemein Bekanntes beschreibt. Aber in der westfälischen Mark, in
den Städten Lüdenscheid, Altena und Iserlohn, wurde damals nur
Draht mit Zangen gezogen. Es werden nur Grob- und Kleinzöger-
bänke erwähnt, die „Winnen“ oder Scheiben waren noch unbekannt.
Erst Anfangs des 17. Jahrhunderts wurde das Ziehen des Kratzen-
drahtes durch Drahtzieher aus Aachen in Iserlohn eingeführt. Man
hatte vordem den Mitteldraht von Altena zum feineren Zuge nach
Aachen geschickt. In Aachen und Lyon wurden dagegen feinere Draht-

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[512/0532] Draht- und Nadelfabrikation. sein, während man die der Zugrichtung abgewendete Seite gern weicher macht, weil von dieser aus das Einbohren des konischen Loches erfolgt. Dementsprechend blieb in obigem Falle die gröſste Fläche der konischen Öffnung auf der Seite der ausgeschmiedeten Masse, welche aus dem Kastenboden gebildet war, während die eigent- liche Öffnung, durch welche der Draht gezogen wurde, durch die Oberfläche der geschmolzenen Rohstahlmasse gebohrt werden muſste. Letzteres erforderte besondere Sorgfalt. Ein sehr wichtiger Umstand beim Drahtziehen ist, daſs das Ziehen genau in der Achsenrichtung des Ziehloches erfolgt, indem dieses sonst unrund wird. Deshalb befestigte man Zieheisen und Scheiben oder Zangen auf einer Bank, um ganz horizontal ziehen zu können. Durch das Ziehen wurde der Draht hart und spröde. Des- halb muſste er von Zeit zu Zeit ausgeglüht werden, wodurch er wieder weich und zähe wurde. Dies geschah in alter Zeit im offenen Herd über Holzfeuer. Das Verfahren beim Ziehen von feinem Eisen- und Stahldraht bestand also darin, daſs das Eisen erst unter Zain- hämmern zu schwächeren Dimensionen ausgestreckt, dann mit Zangen zu gröberen Drahtsorten ausgezogen und zuletzt auf Scheiben oder Rollen zu den feineren Dimensionen gebracht wurde. Diese Ein- teilung giebt auch Biringuccio schon bestimmt an, ebenso bestimmt deutet er aber auch an, daſs es zu seiner Zeit in Italien noch nicht eingeführt war, Eisen und Stahl zu so feinen Dimensionen zu ziehen, wie Gold, Silber und Messing. Ganz so verhielt es sich zu Nürnberg, welches damals in Deutschland der wichtigste Platz für die Draht- fabrikation war. Die Nachricht, daſs im Jahre 1570 ein Franzose, Anton Fournier, die Kunst, den Draht sehr fein zu ziehen, über- haupt erst nach Nürnberg gebracht haben soll, ist freilich sehr un- wahrscheinlich. Sie kann sich wohl nur auf eine verbesserte Fabri- kationsmethode beziehen. Es ist selbst nicht anzunehmen, daſs sich diese Nachricht, wie viele annehmen, auf die Einführung des leoni- nischen Drahtes bezieht, da Biringuccio diese Fabrikation als etwas allgemein Bekanntes beschreibt. Aber in der westfälischen Mark, in den Städten Lüdenscheid, Altena und Iserlohn, wurde damals nur Draht mit Zangen gezogen. Es werden nur Grob- und Kleinzöger- bänke erwähnt, die „Winnen“ oder Scheiben waren noch unbekannt. Erst Anfangs des 17. Jahrhunderts wurde das Ziehen des Kratzen- drahtes durch Drahtzieher aus Aachen in Iserlohn eingeführt. Man hatte vordem den Mitteldraht von Altena zum feineren Zuge nach Aachen geschickt. In Aachen und Lyon wurden dagegen feinere Draht-

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/532>, abgerufen am 22.11.2024.